"Impfstrategie: Absolute Priorität für die Altenheime", titeln La Libre Belgique und das GrenzEcho. "Bis zum Sommer könnte ein Drittel der Belgier geimpft sein", so die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws. Das soll "in aller Transparenz stattfinden", betont L'Avenir auf Seite eins und zitiert dabei den föderalen Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke.
Impfstrategie: Die Schwächsten zuerst
Die Gesundheitsminister des Landes haben sich am Donnerstag auf eine gemeinsame Impfstrategie verständigt. Demnach wird den Alten- und Pflegeheimen absolute Priorität eingeräumt. Das gilt für die Bewohner und auch das Pflegepersonal.
Danach wird das Personal der Krankenhäuser an die Reihe kommen; und dann die Risikogruppen, angefangen mit den Senioren. Das alles wird natürlich in erster Linie davon abhängen, wie viel Impfstoff zur Verfügung stehen wird.
Nur, Impfstoff hin oder her: Das bedeutet nicht, dass wir im kommenden Jahr alle Zügel schleifen lassen können: "Alle Bremsen loslassen, wenn die Risikogruppen geimpft sind? Das wäre keine gute Idee", so die Schlagzeile von De Standaard. "Auch 2021 werden wir die Regeln noch befolgen müssen", stellt De Morgen auf seiner Titelseite fest.
Und das wird für alle gelten: "Auch wer geimpft ist, wird die Regeln beachten müssen", schreibt Gazet van Antwerpen. "Keine Privilegien für Geimpfte", so formuliert es Het Nieuwsblad.
Wie dem auch sei, in vielen Leitartikeln liest man das Wörtchen "Hoffnung." Sogar ansonsten sehr zurückhaltende Experten tragen in diesen Tagen ein Lächeln im Gesicht, stellt Gazet van Antwerpen fest. Denn endlich ist Licht am Ende des Tunnels. Zwar wird die Impfkampagne Zeit brauchen, doch wird ja mit den Schwächsten begonnen. Was bedeuten kann, dass eine mögliche dritte Krankheitswelle weit weniger dramatische Folgen hätte.
Klar heißt das alles nicht, dass wir ab Februar wieder unser altes Leben zurückbekommen. Man wird sich da noch gedulden müssen, aber es gibt die Aussicht auf einen vergleichsweise "normalen" Sommer, vielleicht sogar mit Musikfestivals...
Berechtigte Zweifel an den Impfungen ernst nehmen
"Nun mal langsam", dämpft aber L'Avenir ein wenig die Erwartungen. Klar: Die Aussicht auf eine breite Impfkampagne weckt riesige Hoffnungen. Nur muss man ehrlich sagen, dass wir noch viel zu wenig über die neuen Präparate wissen. Nicht vergessen: Bislang sind es nur völlig neue Impfstoffe, die da angekündigt wurden, allesamt basieren sie auf revolutionären Verfahren.
Eigentlich müsste man hier nicht von Impfstoffen sprechen, sondern von Gentherapien. Sogar seriöse Wissenschaftler warnen davor, dass wir eigentlich noch gar nichts über mögliche Langzeitfolgen wissen. Hier geht es gar nicht darum, den Unglückspropheten zu geben. Aber ist es wirklich klug, völlig neuartige Impfstoffe ausgerechnet zuerst den Schwächsten zu verabreichen?
Eben solche Zweifel müssen schnell und systematisch ausgeräumt werden, fordert Le Soir. Diese Zweifel gibt es, und dafür muss man kein Impfgegner sein. Umfragen zufolge stellt sich rund die Hälfte der Belgier Fragen, vor allem angesichts der Geschwindigkeit, mit der die Präparate entwickelt und auf den Markt gebracht wurden.
Hier wartet eine große Herausforderung auf unsere Regierungen. Den Pharmakonzernen gegenüber muss man unerbittlich sein und ihnen auf den Zahn fühlen. Alle, wirklich alle Informationen, die zu dem Thema vorliegen, müssen in aller Transparenz veröffentlicht werden. Auf die Gefahr hin, dass zusätzliche Zweifel aufkeimen.
Und gleichzeitig muss man pädagogisch vorgehen, um die Bürger davon zu überzeugen, sich impfen zu lassen. Kommunikation war bislang nicht die große Stärke unserer Regierungen. Jetzt ist es definitiv Zeit, sich gerade in diesem Bereich neu zu erfinden.
Het Laatste Nieuws fragt sich, wie eine Exitstrategie aussehen könnte, wenn die Impfkampagne einmal begonnen hat. Bislang haben viele Menschen die Regeln eigentlich in erster Linie deswegen befolgt, weil sie weniger an sich, sondern vor allem an die Schwächsten gedacht haben, zum Beispiel an ihre betagten Eltern oder Großeltern.
Was ist, wenn diese Menschen einmal geimpft sind? Werden die jüngeren und gesünderen da nicht ein Motivationsproblem bekommen? Nicht auszuschließen ist, dass so mancher da mehr und mehr "kalkulierte Risiken" eingehen wird. Lockerungen ohne einen Impfstoff durchzuführen, das war schon nicht einfach. Eine Exitstrategie auszuarbeiten, wenn ein Impfstoff zur Verfügung steht, das dürfte sich aber als noch delikater erweisen.
Kritik an der Brüsseler Kilometerabgabe
Zweites großes Thema am Freitag, das ist die Brüsseler City-Maut. Die entsprechenden Pläne haben in den letzten Tagen Gestalt angenommen. La Dernière Heure präsentiert "die Rechnung." Die Zeitung simuliert, was das den Autofahrer kosten würde. "Die Brüsseler Kilometerabgabe wird konkret und sie sorgt für Streit", schreibt L'Echo auf Seite eins. Le Soir spricht sogar von der "Steuer der Zwietracht". Denn die beiden anderen Regionen werfen Brüssel vor, sich auf dem Rücken der Flamen und Wallonen bereichern zu wollen.
Und das ist auch so, meint De Tijd. Für die Flamen und Wallonen, die in Brüssel arbeiten, ist diese City-Maut eindeutig eine zusätzliche Steuer. Eigentlich kann man sagen, dass hier de facto Arbeit zusätzlich besteuert wird. Gerade in diesen Zeiten der Wirtschaftskrise ist das ein doch seltsames Signal.
"Brüssel ist keine Insel", kritisiert auch La Libre Belgique. Was als "intelligente Kilometerabgabe" für die Brüsseler gedacht ist, das ist für die Flamen und Wallonen in der Praxis eine Bestrafung. Die werden nämlich zwei Mal bezahlen müssen. Und nicht wenig! Man spricht von bis zu 10 Euro pro Tag!
Die Gefahr ist groß, dass Unternehmen deswegen die Hauptstadt verlassen werden. Es wird höchste Zeit, dass sich die drei Regionen zusammensetzen und sich aufeinander abstimmen.
Die Regionen müssen an einem Strang ziehen
"Konzertiert Euch!", empfiehlt auch L'Echo. Die Kilometerabgabe an sich ist nicht das Problem. Belgien und insbesondere Brüssel sind Stau-Weltmeister. Da muss etwas passieren! Jedoch ist es hirnrissig, eine solche Kilometerabgabe nur auf dem Gebiet der Hauptstadt einzuführen. Alle sollten sich zusammensetzen und dabei ihre Interessen zurückstellen, um gemeinsam zu einer effizienteren Mobilität zu kommen.
Diese Akte verdient eine aufrichtige Debatte, findet De Standaard. Die Opposition und die beiden anderen Regionen machen es sich hier ein bisschen einfach: Sie stehen an der Seitenlinie und schimpfen wie Rohrspatzen. Scheinheilig und arrogant ist das. Scheinheilig, weil solche Pläne in den anderen Regionen auch schon auf dem Tisch lagen. Brüssel macht letztlich das, was sich die anderen nicht getraut haben.
Auch La Dernière Heure diagnostiziert einigen Parteien hier "Amnesie." Quasi sämtliche Kritiker des Brüsseler Vorstoßes haben selbst schon mit dem Gedanken einer intelligenten Kilometerabgabe gespielt. Man sagt, dass nur Dummköpfe ihre Meinung nicht ändern. Nun, im vorliegenden Fall wird der Wähler für dumm verkauft.
Für Het Nieuwsblad ist das alles letztlich nur kontraproduktiv. Weil sich die Hauptstädter nicht mit den anderen abgesprochen haben, sorgt der Brüsseler Vorstoß jetzt dafür, dass sich die anderen eingraben. Schließlich gibt es in der Politik nichts Einfacheres, als gegen Steuern zu protestieren, die andere einführen wollen. Damit kann man punkten.
Und das sorgt dafür, dass jede nüchterne Diskussion über das Thema total unmöglich wird. Paradoxerweise ist es denkbar, dass die Brüsseler Regierung mit ihrem Vorstoß der intelligenten Kilometerabgabe definitiv den Todesstoß versetzt hat.
Roger Pint