"Erste Verteidigungslinie gegen das Coronavirus wackelt", titelt De Standaard. "Rückwärtsgang: Personen ohne Symptome werden nicht mehr getestet", schreibt La Libre Belgique. "Labore in Belgien kommen nicht mehr hinterher – kein Test für die, die nicht krank sind", lautet die Schlagzeile bei De Morgen.
Wollen Sie wissen, wie schlecht die Situation ist, fragt Het Nieuwsblad. Wer eine infizierte Person im Haus hat, muss sich nicht mehr testen lassen. Wer aus einer roten Zone im Ausland zurückkommt, auch nicht. Ein deutlicheres Signal, dass die Mittel und Menschen im Kampf gegen das Virus erschöpft sind, gibt es nicht. Wir wissen nicht genau, wo die Ansteckungen stattfinden. Aber dieser Mangel an präzisen Daten ist keine Entschuldigung, um die Corona-Schutzmaßregeln anzugreifen. Die Infrastruktur gegen die Ausbreitung des Virus' kracht in allen Fugen. Wir müssen die Regeln befolgen – nicht bekämpfen.
"Pumpen oder absaufen"
Egal, wie man es dreht und wendet, die Schlussfolgerung ist deutlich: Belgiens Strategie hat versagt, konstatiert La Libre Belgique. Die zweite Welle der Pandemie kündigte sich bereits an, als die erste noch gar nicht vorbei war. Und die Behörden? Ihr Krisenmanagement war dilettantisch und kurzsichtig. Stichwort auch: das endlose Fiasko um die Tests. Wir sind noch immer sehr weit von den angestrebten Kapazitäten entfernt. Der Grund: Ein eifriger Beamter, der sich durch das sommerliche Abflauen bestätigt sah, hat den Kauf von Robotern blockiert. Und niemand hat ihm widersprochen. Deswegen sind die Labore jetzt auch überlastet. Die politische Verantwortung wiegt schwer. Das Krisenmanagement muss viel professioneller werden. Aber die Bürger müssen sich auch an die eigene Nase fassen. Jeder zweite Belgier hat im September die Barrieregesten nicht respektiert.
Die Situation ist so dramatisch, dass jetzt nicht die Zeit ist, zu untersuchen, wie wir wieder in dieser Lage landen konnten, hält De Standaard fest. Irgendwann muss das aber passieren. Dann muss geklärt werden, wer im moralischen, politischen und auch juristischen Sinn Verantwortung wofür trägt. Und das Gesundheitssystem muss gründlich reformiert werden. Aber das sind Sorgen für später. Jetzt heißt es: pumpen oder absaufen. Und zwar schnell pumpen. Schwierige Abwägungen müssen gemacht werden – ohne Erfolgsgarantie, aber so gut man eben kann.
De Tijd stellt fest, dass die Zweifel über den Sinn der Schließung der Cafés und Restaurants schnell verdampfen. Durch die Geschwindigkeit, mit der die Intensivstationen volllaufen, werden diese Debatten immer mehr zur Makulatur. Stattdessen stellt sich eine ganz andere Frage: Reicht das? Was kann man noch tun, um einen allgemeinen Lockdown zu vermeiden? Wer sich umschaut, stellt fest, dass hier noch viele Zwischenmaßnahmen möglich sind. Und die anzugehen, wird jeden Tag dringender.
"Kriminell unverantwotlich"
Het Laatste Nieuws greift die Behauptung der N-VA auf, dass ihr flämischer Ministerpräsident Jan Jambon den Horeca-Schließungen nur zugestimmt hat, weil nur er alleine dagegen war. Das stimmt nicht. Hilde Crevits von der CD&V, der wallonische Ministerpräsident Elio di Rupo von der PS und die MR waren auch dagegen. Aber diese Wahrheit passt der N-VA nicht ins Konzept. Natürlich stellt sich jede Partei immer im besten Licht dar, so funktioniert das politische Spiel. Aber hier geht es um die Gesundheit und das Leben vieler Menschen. Proteste gegen Maßnahmen anzufachen, die man selbst mitbeschlossen hat – manch einer würde das kriminell unverantwortlich nennen.
Die Tatsache, dass ein erheblicher Teil der im Konzertierungsausschuss versammelten Minister unterschiedlichster politischer Couleur den wichtigen Beschluss zur Schließung von Bars und Restaurants Stunden, nachdem er gefällt wurde, in Frage stellt, wird sicher nicht dazu beitragen, seine ohnehin nicht ungeteilte Akzeptanz in der Bevölkerung zu verstärken, meint das GrenzEcho. So taumelt unser Land in die zweite Welle, deren Existenz man nur noch leugnen kann, wenn man Fakten und vor allem Zahlen ignoriert.
Fleißig mitgezündelt
De Morgen kommentiert die Lage in Puurs bei Antwerpen. Hier war es nach einem brutalen Fall von Mobbing durch Jugendliche mit Migrationshintergrund zu teils heftigen Zwischenfällen mit angereisten Rechtsextremen gekommen. Die Rechten haben unter anderem anti-islamische Parolen skandiert. Fürs Protokoll: Bei den Mobbern waren drei christliche Armenier, ein katholischer Flame und zwei Muslime. Soviel dazu.
Der Vlaams Belang-Vorsitzende Tom Van Grieken postete außerdem einen Videoclip, der zeigen sollte, wie ein Auto mit Moslems in eine rechte Demo fahren wollte. Allerdings hatte er die ersten 15 Sekunden weggeschnitten. Die drei Jugendlichen mit Migrationshintergrund im Auto waren zuvor von den Rechtsextremen bedroht worden und versuchten zu entkommen. Das bestätigt auch die Polizei.
Am selben Tag haben die Rechtsextremen ein Haus angegriffen in dem angeblich einer der Mobber leben sollte. Nur stimmte das auch nicht. Am Sonntag wurden mehrere Menschen mit einer anderen Hautfarbe belästigt und angefeindet, als sie aus einem Zug stiegen. Da kann es einem eiskalt den Rücken runterlaufen. Die Bedrohung ist real. Und auch, wenn der Vlaams Belang die rechtsextremen Demos nicht selbst organisiert hat, und seine Spitzenpolitiker sich wohlweislich auch nicht persönlich dort haben blicken lassen, fleißig mitgezündelt in den Sozialen Medien haben sie.
Boris Schmidt