"Ein Regierungsabkommen muss heute Abend stehen", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins. De Morgen ist seinerseits skeptisch: "Kriegen wir tatsächlich am Ende eine Föderalregierung?"
Die Vivaldi-Koalition ist auf der Zielgeraden. Eigentlich hätten die sieben Parteien schon in der Nacht zum Montag eine Einigung über einen neuen Koalitionsvertrag erzielen sollen. Gegen drei Uhr am Morgen wurden die Verhandlungen aber unterbrochen und man vertagte sich auf den Vormittag. Es lag offensichtlich noch zu viel auf den Tisch.
De Standaard glaubt den Knackpunkt zu kennen: "Vivaldi – Gezerre um Geld". In jedem Fall tickt die Uhr: Die beiden Regierungsbildner Paul Magnette und Alexander De Croo werden am Montag im Palast erwartet. Am Donnerstag soll der neue Premierminister vor dem Parlament seine Regierungserklärung verlesen. Bis dahin wartet aber noch viel Arbeit: "Vivaldi muss noch viele, schwierige Knoten durchhacken", bringt es Het Belang van Limburg auf Seite eins auf den Punkt.
Die härteste Nuss ist auch noch zu knacken
Wir erleben hier sozusagen die Schlussoffensive, analysiert Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Während einiger Stunden müssen sich die Vivaldi-Partner auf die Eckpunkte des Haushalts 2021 einigen. Das ist die härteste Nuss, die es zu knacken gilt. Doch ist das Zeitkorsett eigentlich zu eng. Es steht zu befürchten, dass das Budget auf sandigem Boden stehen wird. Das allerdings wäre eine regelrechte Zeitbombe.
Konkret droht hier eine Neuauflage des so genannten Kabbelkabinetts, endlose Streitereien über die genaue Marschrichtung. Das allerdings können sich die Vivaldi-Parteien nicht erlauben. Hoffentlich hat man das in allen Parteizentralen begriffen.
Eine neue Föderalregierung ist leider keine Garantie dafür, dass danach endlich Ruhe einkehrt, warnt auch Gazet van Antwerpen. Zunächst ist es fraglich, ob innerhalb der Vivaldi-Koalition die Atmosphäre konstruktiv bleibt. Es gibt da eine ganze Reihe von Unsicherheitsfaktoren, allen voran die CD&V, die jetzt schon wie ein klassischer Wackelkandidat aussieht. Daneben wird aber auch der externe Druck enorm hoch sein.
Die rechte flämische Opposition hat gestern schonmal die Messer gewetzt: N-VA-Chef Bart De Wever hat mehrfach klargemacht, dass er eine knallharte Oppositionspolitik fahren will. Und der Vlaams Belang hat am Sonntag mit einer eindrucksvollen Protestkundgebung seine Stärke demonstriert. Es drohen wohl unruhige Zeiten.
Vivaldi - Drei Jahre, um die Wähler durch Taten zu überzeugen
Apropos: Einige Zeitungen bringen am Montag auf ihren Titelseiten Fotos von der besagten Protestkundgebung des rechtsextremen Vlaams Belang. 4.500 Autos, drapiert mit flämischen Flaggen, waren zum Brüsseler Heysel-Gelände gekommen. De Standaard spricht von einer "schwarz-gelben Faust gegen die bunte Vivaldi-Koalition". "Flämische Front gegen die Vivaldi-Koalition", titelt auch das GrenzEcho. La Libre Belgique sieht hier ein Zeichen an der Wand: "Wie der Vlaams Belang versuchen wird, 2024 die Macht zu erobern", schreibt das Blatt auf Seite eins.
Der Vlaams Belang drückt da, wo es weh tut, glaubt Het Laatste Nieuws. Hauptkritikpunkt bei der schwarz-gelben Demo war die Tatsache, dass die Vivaldi-Koalition in Flandern keine Mehrheit hat. Der Vlaams Belang hat sich voll und ganz die Argumentation der N-VA zu eigen gemacht.
Und durch den Erfolg der Protestkundgebung hat sich Parteichef Tom Van Grieken de facto zum Oppositionsführer gekrönt. Dass es längst nicht das erste Mal ist, dass eine Regierung nicht über eine Mehrheit in beiden großen Sprachgruppen verfügt, das tut da offensichtlich nichts zur Sache. Die N-VA wird es schwer haben, hier einen eigenen Kurs mit ausreichender Sichtbarkeit zu finden.
Die gestrige Protestkundgebung des rechtsextremen Vlaams Belang zeigt unheimliche Parallelen mit den USA von Donald Trump, meint De Standaard. Die Vivaldi-Parteien müssen die Aktion auf jeden Fall ernst nehmen. Keine Partei investiert so viel Geld in Online-Werbung. Und am Sonntag wurde der Beweis erbracht, dass man diese Mobilisierung problemlos in die reale Welt übertragen kann.
Man darf behaupten, dass keine andere Partei einen solchen Autocorso hätte organisieren können. Die Demo war aber ebenso eindrucksvoll wie einschüchternd, um nicht zu sagen beängstigend. Da kann man nur sagen: Zum Glück wurden Neuwahlen erstmal abgewendet. Die Vivaldi-Parteien haben drei Jahre Zeit, um die Wähler durch Taten zu überzeugen.
Die Zweifel bis zum Exzess nähren
Von der Kopie zum Original: Einige Zeitungen blicken mit Sorge auf die USA. Die Schatten, die die Wahl vom 3. November vorauswirft, werden immer dunkler. Gerade erst hat Präsident Donald Trump im Eilverfahren den freigewordenen Sitz im Obersten Gerichtshof neu besetzt. Damit tragen jetzt sechs der neun Richter einen republikanischen Stempel.
Der Anstand hätte es geboten, dass Trump mit dieser Nominierung wartet, findet La Libre Belgique. Ein Präsident verfügt am Ende einer Amtszeit nicht mehr über die nötige Legitimität. Die Versuchung war aber zu groß. Wohl auch, weil der Wahlausgang am Ende eben vor diesem Obersten Gerichtshof entschieden werden könnte.
Auch Le Soir sieht diese Gefahr. Trump wird eine mögliche Niederlage nie anerkennen. Er hat es mehrmals ausdrücklich gesagt: "Die einzige Möglichkeit, dass er diese Wahl verliert, das ist, sie zu fälschen." Er nährt die Zweifel bis zum Exzess. Wie weit wird er damit gehen? Wird er am Ende sogar Gewalt als Mittel akzeptieren? Vielleicht ist es ja nur eine Wahlkampftaktik, dann allerdings eine unverantwortliche.
Het Belang van Limburg sieht das genauso: Für Trump ist es ganz einfach: Sollte er gewinnen, dann war alles in Ordnung; siegt sein Kontrahent, Joe Biden, dann war die Wahl gefälscht. Hier zeichnet sich also ein Katastrophenszenario ab. Am Ende werden die Republikaner quasi jeden einzelnen Wahlzettel anzweifeln, werden jeden kleinsten Formfehler geltend machen, werden alle Nase lang Neuauszählungen beantragen.
Das wird für eine explosive Lage sorgen, in einem Land, wo jetzt schon bewaffnete Gruppen ein bisschen überall durch die Straßen paradieren. Vielleicht kommt es ja ganz anders. Vielleicht wird er ja regulär wiedergewählt. Oder vielleicht ist er ja am Ende froh, dass er nach einer Niederlage in Ruhe golfen kann. Bei Donald Trump weiß man ja nie.
Roger Pint