"Affäre Chovanec: Flanderns Ministerpräsident politisch angeschlagen - Jan Jambon kommt heute aus der Deckung", schreibt das GrenzEcho auf Seite eins. "Wird Jambon überleben? - 'Das Bild vom Starken Jan ist am Verblassen'", titelt De Standaard. Und De Morgen bringt ein Zitat von Altpremier Yves Leterme: "'Jambon trägt eine große politische Verantwortung'".
Der Druck auf den damaligen föderalen Innenminister und jetzigen flämischen N-VA-Ministerpräsidenten Jan Jambon wegen des Todes des Slowaken Jozef Chovanec nach einem Polizeieinsatz am Flughafen Charleroi lässt nicht nach. Am Dienstag muss Jambon vor dem Kammerausschuss aussagen. Er will sich aber schon heute der Presse stellen.
De Morgen kritisiert in seinem Leitartikel, wie die N-VA mit dem Begriff "politische Verantwortung" umgeht. Die scheint immer enger definiert zu werden. Der Irrtum bei der N-VA ist anscheinend, dass sie glaubt, dass der Rücktritt eines Ministers automatisch das Ende seiner Karriere und einen irreparablen Schaden für die Partei bedeutet. Die flämischen Nationalisten stellen Loyalität über alles. Gibt es Angriffe gegen ein Parteimitglied, dann schließt die N-VA die Reihen. Dabei muss ein Rücktritt kein Kniefall sein. Es kann für einen Politiker eine Möglichkeit sein, sich erhobenen Hauptes zurückzuziehen. So kann das Ansehen und das Vertrauen in die Partei und auch in den Politiker selbst wiederhergestellt und sogar gestärkt werden. Wer wirklich nichts falsch gemacht hat, muss auch vor nichts Angst haben. Nicht einmal vor einem Rücktritt, glaubt De Morgen.
Keine gute Woche für De Wever
Gazet van Antwerpen schlägt den Bogen von Jan Jambon zu Parteichef Bart De Wever. Der hat ja gerade eine richtig schlechte Woche. Neben dem Wirbel um Jambon knallt es nämlich auch quasi am laufenden Band in Antwerpen. Die wohl mit dem Drogenhandel zusammenhängenden Angriffe mit Schusswaffen und Handgranaten in der Stadt, in der De Wever ja Bürgermeister ist, reißen nicht ab. Und zu allem Überfluss ist die N-VA bei der Regierungsbildung auf föderaler Ebene von Egbert Lachaert gerade ausgebootet worden - zumindest fürs Erste. Das, nachdem die Liberalen ja zuvor die Koalition mit PS und N-VA versenkt hatten, resümiert Gazet van Antwerpen.
Die Regierungssuche ist auch das Thema der Leitartikel der meisten anderen Zeitungen. Eine Vivaldi-Koalition, also eine Regierung aus Liberalen, Sozialisten, Grünen und Christdemokraten, wurde in den letzten 15 Monaten schon mehrmals angepeilt, es ist aber nie etwas daraus geworden, hält L'Avenir fest. Aber dieses Mal gibt es mehrere Gründe, guter Hoffnung zu sein. Der königliche Beauftragte Egbert Lachaert hat Bart De Wever bereits informiert, dass er Vivaldi bevorzugt - was bedeutet: keine Mehrheit auf flämischer Seite. Das ist jetzt also offen ausgesprochen. Zweitens scheint die CD&V sich von der N-VA zu lösen. Am Freitag hat Lachaert noch einmal Zeit bekommen, die Verhandlungen zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Es gilt: Jetzt oder nie. Am 17. September läuft das Vertrauen für die Regierung Wilmès aus. Der Druck auf alle Beteiligten, sich zu einigen, ist also so groß wie nie. Und das kann der entscheidende Faktor sein, meint L'Avenir.
Licht oder Irrlicht am Ende des Tunnels?
Es hat sich etwas bewegt, kommentiert L'Echo. Aber Achtung: Noch ist keine Entscheidung gefallen. Und es gibt tausend Gründe, warum die Verhandlungen scheitern können. Aber eine Etappe scheint geschafft. Und man muss die Bereitschaft Lachaerts, Risiken einzugehen - man kann fast schon von Mut sprechen - zur Kenntnis nehmen. Er hat gewagt, zu sagen, was man in Flandern sehr selten hört: Es gibt im Leben nicht nur die N-VA. Wenn die Parteien es schaffen, Egos und leichte Parolen hinter sich zu lassen, muss es möglich sein, einen ehrgeizigen, aber realistischen Konsens zu finden. Es geht nicht darum, nach den Sternen zu greifen, sondern darum, sich den großen Herausforderungen, die uns bevorstehen, zu stellen, appelliert L'Echo.
Het Nieuwsblad ist skeptischer. Im Gegensatz zum vermittelten Eindruck gibt es wenige Gründe, daran zu glauben, dass diese bunte Parteienmischung zu einer Einigung kommen wird. Es scheint kein echtes Fundament zu geben. Trotz Deadline und unzähligen Verhandlungen scheinen wir noch immer nicht viel weiter zu sein. Der notwendige Kompromiss zwischen den Parteien scheint auch noch nicht wirklich in Arbeit zu sein. Wenn sich die Mentalität der Parteien nicht auf wundersame Weise ändert, wird es statt Licht am Ende des Tunnels mal wieder nur ein Irrlicht werden, befürchtet Het Nieuwsblad.
Den Rubikon überschreiten
Auch für Het Belang van Limburg bleibt es vorläufig ein Rätsel, wie die sechs lila-grünen Parteien mit der CD&V zu einem kohärenten Plan kommen sollen. Letztendlich werden sie aber nicht anders können, als zu dem Schluss zu kommen: Entweder das oder Neuwahlen, unterstreicht Het Belang van Limburg.
La Libre Belgique betont die zentrale Rolle der CD&V. Alle Blicke sind auf die flämischen Christdemokraten gerichtet. Wieder einmal. Sie halten den Schlüssel für eine Regierungskoalition in der Hand. Beneidenswert oder bequem ist die Position der CD&V aber nicht. Eine falsche Entscheidung kann einem politischen Selbstmord gleichkommen.
Und die N-VA wird der CD&V nichts verzeihen. Es ist aber an der Zeit für die Christdemokraten, den Rubikon zu überschreiten, den entscheidenden Schritt zu tun. Und zwar mit Bestimmtheit, Verantwortung und Mut. Um die CD&V zu überzeugen, der Koalition beizutreten, müssen die anderen Parteien ihr die Hand reichen und sie beruhigen. Sei es in wirtschaftlicher, gemeinschaftspolitischer oder ethischer Hinsicht, fordert La Libre Belgique.
Boris Schmidt