"Eine neue Gewaltwelle erschüttert Antwerpen", titelt De Morgen. "Drogengewalt plagt Antwerpen Nacht für Nacht", so die Schlagzeile von De Standaard.
In Antwerpen fliegen regelrecht die Fetzen. Vier Nächte in Folge explodierten Handgranaten im Stadtgebiet oder wurden Fassaden beschossen. "Hätten wir im Bett gelegen, dann wären wir jetzt tot", sagen Augenzeugen auf Seite eins von Gazet von Antwerpen. Derartige Anschläge sind in der Hafenstadt zwar nicht wirklich neu, wohl aber in dieser Häufung. Man geht davon aus, dass die Vorfälle mit dem Drogenkrieg in Antwerpen in Zusammenhang stehen. Die Ereignisse der letzten Tage sorgen jetzt aber auch politisch für zunehmend Unruhe.
Nicht hinter anderen verstecken!
Das Ganze scheint inzwischen fast schon normal geworden zu sein, meint nachdenklich Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel. Nur ein Beispiel: Eine Schlägerei am Strand von Blankenberge wird fast schon zur Staatsaffäre. Wenn in Antwerpen auf offener Straße Handgranaten explodieren, dann ist das allenfalls noch eine Meldung in der Rubrik "Verschiedenes". Müssen wir denn wirklich warten, bis unschuldige Opfer zu beklagen sind? Was wäre, wenn die Handgranate, die offensichtlich auf dem Bürgersteig lag, von spielenden Kindern gefunden worden wäre? Anders gefragt: Was muss noch passieren, bis der "War on Drugs" wieder entschlossener geführt wird? Das liegt freilich nicht nur in der Hand der Antwerpener Stadtverantwortlichen. Die Sache ist so groß geworden, dass das inzwischen auch auf der föderalen Ebene angepackt werden müsste. Nur darf sich die Scheldestadt hier auch nicht hinter den anderen Machtebenen verstecken.
"Die Kontrolle der verpflichtenden Corona-Tests funktioniert nicht", so derweil die geradezu anklagende Schlagzeile von Het Nieuwsblad. Wer aus einer roten Zote nach Belgien heimkehrt, der muss ja in Quarantäne und muss sich auch zwingend testen lassen. Die Kontakt-Center, die für die Kontaktpersonennachverfolgung zuständig sind, sollen eigentlich ein Auge auf diese Heimkehrer haben, nur funktioniert das anscheinend nicht. Zumindest nicht in Flandern.
Zeit innezuhalten
"Es ist zum Verzweifeln", lammentiert Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Die Saga mit den Mundmasken, die Tests, das Tracing... Warum kann nicht irgendwann mal etwas von Anfang an gut funktionieren? Das Ganze ist längst müßig geworden. Dabei sprechen wir hier nur von den Menschen, die brav das Formular für Reiserückkehrer ausgefüllt haben. Ein nicht unerheblicher Teil macht das noch nicht mal. Resultat: Wir sind blind. Wir haben keine Ahnung, wie viele potentielle Superspreader gerade irgendwo ihre Koffer auspacken. Wir würden ja gerne mal lobende Worte für die Corona-Politik finden. Leider gibt es dafür aber nach wie vor keinen Anlass.
La Dernière Heure befasst sich mit den belgischen Corona-Toten. Früher oder später wird die symbolische Schwelle von 10.000 Todesopfern überschritten. 10.000! Da sollte man doch mal für wenigstens zwei Minuten innehalten. 10.000 Todesopfer, das ist mehr als nur eine symbolische Schwelle, ein medienträchtiger Countdown. Hier geht es um 10.000 Männer und Frauen, Väter und Mütter, Großeltern, Freunde... Kurz und knapp: Menschen, keine Statistiken. Covid-19 ist in erster Linie ein menschliches Drama. Da sollte man alle Zahlenspielchen mal beiseitelassen und einfach nur ihrer gedenken.
Viele Zeitungen beschäftigen sich aber auch heute wieder mit den schleppenden Bemühungen um eine neue Föderalregierung. Alle Augen richten sich hier auf die CD&V. Von der Unterstützung der flämischen Christdemokraten hängt es ab, ob die anscheinend angestrebte Vivaldi-Koalition zustande kommen kann oder nicht.
Grillen, Ameisen und kopflose Hühner
Das ist auch wieder ein Déjà-Vu, meint De Standaard in seinem Kommentar. Die CD&V war schon einmal in dieser Position. Für die Partei ist das wirklich eine schwierige Entscheidung. Einer Regenbogenkoalition beizutreten, das würde sich für viele Christdemokraten so anfühlen, als säßen sie im falschen Film. Die CD&V steht hier aber auch vor einer existenziellen Wahl. Entscheidet man sich für die Opposition, dann könnte die Partei zwischen der N-VA und dem Vlaams Belang zerrieben werden.
In der Zwischenzeit wird die N-VA immer unruhiger, konstatiert De Morgen. Die flämischen Nationalisten wissen, dass sie ihr Schicksal im Moment nicht in der Hand haben. Das haben sie sich aber auch selbst zuzuschreiben. Im Sommer hatte die N-VA ihre Chance. Niemand in der Rue de la Loi kann nachvollziehen, warum N-VA-Chef Bart De Wever dann plötzlich auf die Liberalen einprügeln musste und dann auch noch das Gespräch mit den Grünen suchte. Jetzt steht die N-VA an der Seitenlinie und kann nur noch zuschauen. Kein Wunder, dass man da unruhig wird.
Die Frankophonen haben bei alledem mal wieder keinen Plan, beklagt Le Soir. Flandern versteht sich mehr und mehr wie ein eigenständiger Staat. Jede Staatsreform wird als Chance betrachtet, die eigene Autonomie, die eigenen Zuständigkeiten auszubauen. Das derzeitige Machtvakuum auf der föderalen Ebene, das ist denn auch in den Augen vieler Flamen nicht wirklich dramatisch. Im Zweifel ist das nur ein zusätzliches Argument, eben den eingeschlagenen Weg fortzusetzen. Und die Frankophonen? Die verhalten sich wie die Grille aus der Fabel, während die flämische Ameise fleißig Zuständigkeiten, wirtschaftlichen Fortschritt und Haushaltsüberschüsse ansammelt. Auf alle Fragen hinsichtlich der unsicheren Zukunft des Landes haben die frankophonen Parteien keine Antwort. Sie rennen herum wie kopflose Hühner.
Roger Pint