"Bleibt weg von der Küste!", titelt Het Laatste Nieuws. Dieser Aufruf stammt von dem bekannten Virologen Marc Van Ranst. Der ruft also die Menschen dazu auf, die Küste an den kommenden Tagen zu meiden, weil der Ansturm zu groß ist.
Einige Zeitungen kommen aber auch noch einmal zurück auf die Ereignisse vom Wochenende. Am Samstag war es am Strand von Blankenberge zu einer Schlägerei gekommen.
Gegen drei Verdächtige wurde inzwischen Haftbefehl erlassen. "Die Unruhestifter sind Mitglieder einer neuen Brüsseler Jugendgang", notiert Gazet van Antwerpen auf ihrer Titelseite. "Und deren Spezialität, das ist es, Krawall zu machen", fügt Het Nieuwsblad hinzu.
Beide Zeitungen beschäftigen sich eingehend mit der Brüsseler Bande. L’Avenir scheint seinerseits bis zu einem gewissen Maß Verständnis für erhitzte Gemüter aufzubringen: "Die Corona-Regeln sorgen für Frust bei den Jugendlichen", schreibt das Blatt auf Seite eins.
De Standaard hat da aber keine guten Neuigkeiten: "Die erweiterte, lose Kontaktblase, die kriegen wir wohl so schnell nicht mehr wieder." So die Schlagzeile. Vor zwei Wochen hatte der Nationale Sicherheitsrat entschieden, die Kontaktblase wieder drastisch zu verkleinern. "Diese Regel zeigt Wirkung", glaubt De Standaard.
Das GrenzEcho gibt sich seinerseits abwartend: "Es sind entscheidende Tage für Corona in Belgien". In den nächsten Tagen müsse sich erst noch zeigen, ob die verschärften Beschränkungen wirken.
Ansturm auf die Küste - SNCB am Zug?
Im Mittelpunkt der Leitartikel steht aber die Lage an der Küste. Einige Gemeinden hatten ja Tagestouristen den Zugang zu ihren Stränden verwehrt, beziehungsweise haben die Absicht, ein solches Verbot auszusprechen.
Het Laatste Nieuws bringt Verständnis für derlei Maßnahmen auf. Vor allem nach den Ausschreitungen vom vergangenen Samstag sind solche Überlegungen nachvollziehbar. Das war eine Panikreaktion, am Rande der Legalität, aber inzwischen scheinen diese Pläne doch wieder vom Tisch zu sein. Einzige Ausnahme ist Knokke.
Am eigentlichen Problem ändert das aber nichts: Die Strände sind zu voll. Ein Grund dafür ist auch, dass die SNCB buchstäblich zügeweise Tagestouristen an die Küste karrt. Bei der nationalen Eisenbahngesellschaft rechtfertigt man sich damit, dass das schließlich ihr Auftrag sei. Die Lösung wäre ein System, das Reservierungen in Zügen vorsähe. Warum sollte das nicht funktionieren? In Vergnügungsparks oder Geschäften klappt das schließlich auch.
Diese Gleichung ist schwer zu lösen, meint ihrerseits Gazet van Antwerpen. Auf der einen Seite all die Menschen, die in diesen Hundstagen Abkühlung an der Küste suchen. Und auf der anderen Seite das Problem mit überfüllten Zügen und, später dann, überfüllten Stränden. Wie löst man diese Gleichung? Indem man das Zugangebot reduziert? Das wäre auch das falsche Signal.
In jedem Fall muss man vermeiden, dass letztlich das Verhalten einer kleinen Minderheit dazu führt, dass alle anderen darunter leiden müssen. Unruhestifter gehören streng bestraft. Alle Anderen sollten aber den Strand genießen dürfen.
Racial Profiling auf dünnem Eis
Die Polizei von Blankenberge hat da aber zu zweifelhaften Mitteln gegriffen, beklagt l’Echo. Vor einer Fernsehkamera erklärte ein Verantwortlicher der örtlichen Polizei, dass man allein die Jugendlichen abweise, die dem Profil der Unruhestifter entsprechen. Aha? Von welchem Profil ist denn da die Rede? Geht es um die ethnische Herkunft? Oder doch nur um Verhaltensmuster. Wenn dem so ist: Worauf basiert man sich bei dieser Gesichtskontrolle?
Mit solchen Maßnahmen bewegt man sich auf sehr dünnem Eis. Hier geht nicht darum, dass Verhalten dieser Krawallmacher schön zu reden. Wir müssen nur aufpassen, dass hier nicht am Ende unsere Freiheiten eingeschränkt werden.
Auch für De Tijd sind in den letzten Tagen fundamentale Rechtsprinzipien unter Druck geraten. Allen Tagestouristen den Zugang zu den Stränden verweigern zu wollen, das ist nicht mehr verhältnismäßig. Und die Haltung der Polizei von Blankenberge, die sich mutmaßlich auf ethnische Kriterien basiert, die hat nichts mehr mit Rechtsstaatlichkeit zu tun. Und so etwas kann man auch nicht mit der Corona-Krise rechtfertigen. Mit Kanonen auf Spatzen zu schießen, damit motiviert man die Bürger bestimmt nicht dazu, sich an die Corona-Regeln zu halten.
Vorsicht vor Vertrauensverlust
Le Soir zieht seinerseits eine erste Bilanz der Corona-Krise. Heute ist es genau sieben Monate her, dass China den ersten Covid-Toten gemeldet hat. Inzwischen wurden zehntausend Tote in Belgien registriert, 700.000 weltweit. Diese sieben Monate wirken wie eine Ewigkeit.
Unser Leben hat sich grundlegend verändert. Wir sind uns unserer Verletzlichkeit bewusst geworden. Zudem ist es eine Lektion in Demut: Der Mensch kann doch nicht alles von A bis Z kontrollieren. Hier hat sich aber auch gezeigt, wie wichtig die Gesellschaft und die Politik sind. Die Corona-Krise ist eine Chance, dem Gemeinwesen neues Leben einzuhauchen.
Nur dazu bedarf es Vertrauen, mahnt Het Nieuwsblad. Und das schafft man bestimmt nicht, wenn die Menschen jeden Tag alles und sein Gegenteil hören. Deswegen der Aufruf insbesondere an die Wissenschaftler: Hört bitte auf, euch tagtäglich zu widersprechen. Und unterlasst es außerdem, irgendwelche Vorhersagen in den Raum zu stellen. Die Wissenschaftler sollten sich dessen bewusst sein, dass alles, was sie sagen, in den Köpfen der Menschen mitunter auf die Goldwaage gelegt wird.
Auch für De Standaard steht das Vertrauen zentral. Zumal angesichts der Wirtschaftskrise, in die wir gerade hineinschlittern. Das beginnt schon mit den aktuellen Corona-Zahlen. Im Moment muss man den Eindruck haben, dass die Daten so ausgelegt werden, dass sie nicht zu alarmierend wirken. Ausgerechnet in dem Moment, in dem in den Betrieben die Verzweiflung wächst, nimmt auch der Mangel an Vertrauen zu. Dass darf unter keinen Umständen so bleiben.
Roger Pint