"Corona ist in ganz Europa wieder auf dem Vormarsch", titelt Het Laatste Nieuws. Wobei die Situation in Belgien mit jedem Tag besorgniserregender wird. "Belgien droht, zum Paria von Europa zu werden", warnt das GrenzEcho auf Seite eins. Alle Blicke richten sich weiter auf Antwerpen; die Hafenstadt ist immer noch der sichtbarste Hotspot. "Antwerpen eröffnet einen Drive-In für Corona-Tests", so die Aufmachergeschichte von Gazet van Antwerpen". In dem Drive-In sollen bis zu 4.000 Corona-Tests pro Tag möglich sein", bemerkt Het Nieuwsblad.
"Das ist der richtige Weg", meint La Libre Belgique in ihrem Leitartikel. Großangelegte Tests, das ist und bleibt der Schlüssel. Gerade erst hat der Nationale Sicherheitsrat ja eine drastische Verkleinerung der Kontaktblase beschlossen. Diese doch einschneidende Maßnahme hat nicht nur soziale, sondern auch dramatische wirtschaftliche Konsequenzen, etwa für den Horeca-Sektor. Hätte man das vermeiden können? Ja, höchst wahrscheinlich! Nötig war das nur, weil ein Instrument im belgischen Corona-Werkzeugkasten nach wie vor nicht richtig funktioniert: eben das Testen. Zu wenig, zu langsam, so könnte man die Probleme zusammenfassen. Es fehlt also nach wie vor eine wirklich schlagkräftige Strategie, um gezielt gegen lokale Krankheitsherde vorzugehen. Wie oft muss man eigentlich noch auf dieses Problem hinweisen?
"Wir machen es nicht besser"
Het Nieuwsblad geht vor allem mit der Politik in Flandern hart ins Gericht. "Wir werden beweisen müssen, dass wir das, was wir selbst tun, besser machen". Das sind die Worte von Gaston Geens, dem allerersten flämischen Ministerpräsidenten. Nun, 30 Jahre danach, kann man nur feststellen, dass wir es nicht besser machen. Flandern hat versagt. Zumindest gilt das für die Bekämpfung der Corona-Pandemie. Vor allem die Kontaktpersonennachverfolgung funktioniert nach wie vor nicht wie sie soll. Und jetzt, angesichts einer möglichen zweiten Welle, jetzt hinken die flämischen Verantwortlichen wieder den Ereignissen hinterher. Die lokalen Behörden sind das Herumhampeln der flämischen Regierung derartig leid, dass sie die Dinge selbst in die Hand genommen haben. Wer sollte es ihnen verübeln?
Eigentlich hätte man in Antwerpen einen Lockdown verhängen müssen, glaubt De Standaard. Wenn man davon abgesehen hat, dann wohl nur, weil die Hafenstadt die wirtschaftliche Lunge von Flandern ist. Am Pranger steht hier aber vor allem das flämische Gesundheitsministerium, das viel zu oft viel zu spät reagiert hat. Natürlich gibt es mildernde Umstände. Die zweite Welle kommt etwa viel schneller als erwartet. Warum aber hat man angebotene Hilfe ausgeschlagen? In Krisenzeiten sollte man doch eigentlich mit möglichst vielen Partnern vorbehaltlos zusammenarbeiten.
Schon die jetzt in Antwerpen geltenden Maßnahmen schnüren der Stadt den Hals zu, beklagt Gazet van Antwerpen. Und das Schlimme ist, das es so weit eigentlich nicht hätte kommen müssen. Selbst ein Blinder hätte erkannt, dass die Lockerungen der Corona-Regeln allzu schnell erfolgt sind. Der wohl größte Fehler war, die Kontaktblase zu vergrößern auf 15 Personen pro Woche, statt vorher zehn. Das hätten wir uns nicht erlauben dürfen, zumindest solange es noch keinen Impfstoff gibt. Allerdings sollte man bei alledem auch an die Betreiber insbesondere von Horeca-Etablissements denken. Für die Betroffenen bedarf es schneller Hilfen. Ansonsten droht die Gefahr, dass die Behörden letztlich Firmenpleiten organisieren.
Absturz ins Bodenlose
Apropos: L'Echo macht heute auf mit den neuesten Wirtschaftszahlen. Und die sind nicht gut: "Das belgische Bruttoinlandsprodukt verzeichnet einen historischen Absturz um zwölf Prozent", so die Schlagzeile. Und das Schlimme ist, dass da weiter keine Besserung in Sicht ist. Vor allem das Konsumverhalten ist weiterhin gestört durch die Angst vor einer Ansteckung.
Das ist ein Absturz ins Bodenlose, analysiert das Blatt in seinem Leitartikel. Nur zum Vergleich: Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise war die Wirtschaft um gerade mal zwei Prozent geschrumpft. Zwölf Prozent, das ist also ein ganz anderes Kaliber. Und, was den Wiederaufschwung angeht, so sind wir inzwischen auch weit entfernt von den ursprünglich noch optimistischen Prognosen: Erst hoffte man auf eine Kurve in Form eines V, dann wurde aus dem V ein U, beziehungsweise ein W. Jetzt spricht man eher von einem L.
Möglich ist aber auch ein K. Der obere Querbalken steht für die Menschen, deren Berufsleben so gut wie nicht durch die Krise beeinträchtigt wird, beziehungsweise die eine lebenslange Jobgarantie haben. Wegen der eingeschränkten Möglichkeiten können die sogar sparen. Der untere Querbalken, der symbolisiert demgegenüber die Menschen, deren Existenz regelrecht weggebrochen ist: Selbständige, Künstler, Horeca-Bedienstete, studentische Arbeitskräfte. Viele von ihnen stehen vor dem Nichts. Auf diese Leute sollte man die Hilfsmaßnahmen konzentrieren. Und notfalls sollte man nicht zögern, die Bessergestellten um einen Beitrag zu bitten.
Liberaler "Sabotage-Versuch"?
Einige Blätter beschäftigen sich heute auch mit der Innenpolitik. Am Nachmittag werden ja die Vorsitzenden von N-VA und PS, Bart De Wever und Paul Magnette, dem König erstmals Bericht erstatten. Seit dem 20. Juli sind die beiden in königlicher Mission unterwegs und sollen die Bildung einer neuen Föderalregierung vorbereiten.
"Die Liberalen geben auch grünes Licht für die Regierungsbildung", schreibt De Tijd. Die beiden blauen Parteien MR und OpenVLD haben eine Strategie-Note vorgelegt, in der sie ihre Prioritäten umreißen. Ein Aspekt davon steht auf Seite eins von Le Soir: "Eine Staatsreform ist für die Liberalen nicht prioritär". Die liberale Note wird von N-VA und PS gleichermaßen als "Sabotage-Versuch" gewertet. Offensichtlich will man versuchen, einem Keil zwischen MR und OpenVLD zu treiben. Beide Parteien haben aber nochmal ihre Einheit unterstrichen.
Die Liberalen versuchen offensichtlich gerade, ihren Preis in die Höhe zu treiben, glaubt Het Belang van Limburg. Fakt ist jedenfalls, dass irgendeiner noch über Bord gehen muss. Das wird wohl kein Christdemokrat sein. Die CD&V gilt als gesetzt, da sie mehr als ein Jahr lang die Tür für die N-VA offengehalten hat. Die CDH sitzt in deren Beiwagen. Von den beiden liberalen Parteien ist aber eine zu viel. Die meisten würden wohl den MR-Vorsitzenden Georges-Louis Bouchez liebend gern loswerden. Die Alternative wäre, dass alle im Boot bleiben. Nur wäre dann auch fast jeder überflüssig. Und gesund wäre das auch nicht.
Roger Pint