"Bis zu 400 Euro pro Monat zusätzlich für Pflegepersonal", titelt Het Nieuwsblad. Bei Het Belang van Limburg steht es fast genauso: "Das Pflegepersonal bekommt einen Lohnaufschlag von bis zu 400 Euro pro Monat", schreibt das Blatt.
Am Dienstag haben sich die Regierung und die Sozialpartner auf Maßnahmen zur Aufwertung des Krankenhauspersonals geeinigt. Gesamtvolumen des Pakets: 600 Millionen Euro, wovon ein Großteil in Gehaltsaufbesserungen fließen soll. 400 Millionen Euro waren schon freigemacht worden - heißt also, dass jetzt insgesamt eine Milliarde zusätzlich für das Krankenhauspersonal zur Verfügung gestellt wird.
Aufwertung des Krankenhauspersonals...
Und "damit wird die weiße Wut abgekühlt", glaubt Het Laatste Nieuws. Vor einigen Wochen waren ja beeindruckende Bilder um die Welt gegangen, Bilder von Krankenschwestern und Pflegern, die der Premierministerin den Rücken zugewandt hatten. Sie wollten damit gegen die Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern protestieren. Das Abkommen von am Dienstag soll jetzt also Abhilfe schaffen.
"Endlich", jubelt Le Soir in seinem Leitartikel. Das "Un-Ehrenspalier" für Sophie Wilmès hatte gezeigt, dass die Krankenschwestern- und pfleger sich definitiv nicht mit dem allabendlichen Applaus begnügen wollten. Jetzt bekommt der Sektor also endlich die langersehnte Finanzspritze. Langersehnt, aber auch schon längst versprochen. Im Grunde wird hier nur nachgeholt, was man dem Krankenhauspersonal schon 2017 in Aussicht gestellt hatte. "Doch, warum geht das plötzlich doch?", die Frage kann man sich stellen. Man könnte meinen, die 600 Millionen Euro seien vom Himmel gefallen. Die Regierung sollte sich nicht wundern, wenn jetzt auch noch andere Sektoren anklopfen, um ebenfalls eine Aufwertung zu bekommen.
...aber woher nehmen, wenn nicht stehlen?
Het Belang van Limburg scheint genau an diesem Punkt einzuhaken: "Wo soll das Geld herkommen?", fragt sich das Blatt. Natürlich sei dem Krankenhauspersonal diese Aufwertung gegönnt. Mehr noch: Diese Menschen, die für die Rettung der Patienten ihr Leben riskiert haben, die verdienen selbstverständlich Respekt und Anerkennung. Nur scheint die Politik nach dem Motto zu agieren: "Nach uns die Sintflut". In diesem Jahr wird das Haushaltsdefizit astronomische Höhen erreichen; da rollt ein Tsunami auf uns zu. Und irgendwo werden die Milliarden am Ende herkommen müssen. Dieses Land braucht in der Gesundheitspolitik endlich eine Vision, eine, die weitergeht als bloße Gehaltsaufbesserungen.
De Tijd sieht das ähnlich: Nur, weil ein Sektor sich einen Zuschlag verdient hat, heißt das nicht, dass das Geld dafür vom Himmel fallen kann. In diesem Jahr wird sich das Defizit am Ende wohl auf rund 50 Milliarden Euro belaufen. Ohne Sparmaßnahmen wird es in den kommenden Jahren nicht gehen. Der Steuerdruck ist hierzulande schon jetzt einer der höchsten der Welt. Deswegen muss man jetzt Prioritäten setzen. Auch im Gesundheitssektor. Wenn wir uns deutlich "für" den Pflegesektor entscheiden, dann müssen wir auch klarer dazu bekennen, was wir nicht mehr wollen. Die Aufwertung des Pflegesektors geschieht zu Recht; nur müssen wir dann den Mut haben, darüber nachzudenken, worauf wir verzichten wollen.
Und was ist mit den Alten- und Pfegeheimen?
Und da gibt es noch ein Problem: Das Abkommen gilt nur für die Beschäftigten in den Krankenhäusern; für das Pflegepersonal in den Alten- und Pflegeheimen sind die Regionen beziehungsweise Gemeinschaften zuständig. "Die Einigung im Pflegesektor legt jetzt den ganzen Druck auf Flandern", schreibt denn auch De Morgen; und das gilt eben nicht nur für Flandern, sondern auch für die anderen zuständigen Teilstaaten.
Im ganzen Land erwarten auch die Beschäftigten in den Alten- und Pflegeheimen "mehr als Applaus", meint De Morgen in seinem Leitartikel. Es besteht die Gefahr, dass diese Leute ein zweites Mal vergessen werden, nachdem man sie ja auch schon im Kampf gegen Covid-19 allein gelassen hatte. Und das wäre außerordentlich zynisch. Das föderale Abkommen für den Pflegesektor erhöht jetzt den Druck auf die Teilstaaten. Hoffentlich wird dieses Signal gehört.
"Jetzt noch Flandern!", so auch der Appell von Gazet van Antwerpen. Für viele Beschäftigten in den Alten- und Pflegeheimen war die Corona-Krise eine regelrecht traumatische Erfahrung. In Flandern hat die Regierung erwiesenermaßen zu spät auf die dramatischen Ereignisse hinter den Mauern der Alten- und Pflegeheime reagiert. Es wäre schön, wenn man wenigstens jetzt schneller auf die Sorgen und Nöte des Personals eingehen könnte.
Zeit für absurde Ideen?
Het Nieuwsblad fasst seine Analyse breiter: Hier zeigen sich -mal wieder- die Grenzen unseres bundesstaatlichen Modells, meint das Blatt. Es wäre ja logisch, wenn das Personal in den Alten- und Pflegeheimen jetzt die gleiche Aufwertung bekäme. Nur sind für diese Leute ja seit der letzten Staatsreform die Teilstaaten zuständig. Doch, selbst wenn diese Beschäftigten am Ende gleichbehandelt würden, dann stellt sich gleich die nächste Frage: Warum muss man Bereiche regionalisieren, wenn man danach doch dafür sorgt, dass alle mehr oder weniger das gleiche tun. Das hat man ja auch schon beim Kindergeld beobachten können.
Da darf der Gedanke doch erlaubt sein, ob man nicht einige Zuständigkeiten wieder zurück an den Föderalstaat übertragen sollte. Das würde vielleicht absurd anmuten, aber vielleicht ist es ja Zeit für absurde Ideen.
Von Sozialen Netzwerken und Untiefen
Apropos absurd. Einige Zeitungen üben scharfe Kritik an den Parteivorsitzenden, die ja gerade fieberhaft versuchen, eine neue Koalition auf die Beine zu stellen. Diese Leute sind inzwischen in ihrer ganz eigenen Blase, fernab der Realität, giftet De Standaard. Die jungen Präsidenten insbesondere von MR, SP.A und Open VLD posten alles und nichts in die Sozialen Netzwerke. Das sorgt für einen nicht abreißenden Strom an Anekdoten. Der Profilierungsdrang ist umgekehrt proportional zum Ergebnis.
"Die Vorsitzenden drehen regelrecht am Rad", meint sogar sinngemäß Het Laatste Nieuws. Die jungen Präsidenten sind gefangen in ihrer Social-Media-Blase. Dabei sollte es in der Politik doch um das Leben der Bürger gehen, nicht das der Politiker.
Die Sozialen Netzwerke sind zu einer veritablen Obsession geworden, wettert auch La Libre Belgique. Hier entsteht der Eindruck, dass es nur noch um die Form geht. Was für ein Irrtum! Transparent wollen die Parteivorsitzenden sein. Nun, "warum ist das Wasser eines Baches transparent?", fragte sich schon Voltaire. "Ganz einfach: Weil es nicht tief ist"...
Roger Pint