"Eine Welt in der Rezession", titelt heute Le Soir. "Corona-Krise kostet die belgische Wirtschaft 60 Milliarden Euro", so die Schlagzeile bei De Tijd. Aber, so schreibt De Morgen: "Nach jähem Rückgang folgt schnelle Erholung".
Einige Zeitungen beschäftigen sich heute mit den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise. Die Nationalbank und das Planbüro gehen von einem Rückgang der belgischen Wirtschaft in diesem Jahr von acht Prozent aus. Ein brutaler Schock, so klingt es. 1,2 Millionen Arbeitnehmer sind zeitweilig arbeitslos. 300.000 Selbstständige müssen ihre Aktivitäten vorübergehend beenden. Zusammen macht das 40 Prozent der arbeitenden Bevölkerung im Privatsektor aus. Die Wirtschaft wird sich zwar bis zum Jahresende erholen, aber nicht genügend, um den Rückgang der ersten Jahreshälfte wiedergutzumachen. Am Ende wird es der größte Rückgang sein seit 1876, beide Weltkriege mal ausgenommen.
Nicht den Kopf hängen lassen
L'Echo schreibt dazu: Das ist einmalig in der Geschichte. Wie Nationalbank und Planbüro hinweisen, sind die negativen Folgen zwar sicher gravierend, aber nur temporär und außergewöhnlich. Im Gegensatz zu den anderen großen Pandemien und den Kriegen bleibt der Produktionsapparat intakt. Und früher oder später werden die Menschen wieder arbeiten gehen, wenn sie es nicht jetzt schon von zu Hause aus tun.
2021 wird das belgische Bruttoinlandsprodukt wieder in Gang kommen, auch wenn wir uns unter der Wachstumskurve von vor der Krise befinden werden. Diese Krise wird Spuren hinterlassen. Aber jetzt ist nicht der Moment, um den Kopf hängen zu lassen – weder im Gesundheitsbereich, noch im wirtschaftlichen.
Teufelskreis und Blankoscheck
Le Soir blickt ebenfalls positiv in die Zukunft – aber nur vorausgesetzt, dass die Familien nicht verarmen und nicht zu viele Unternehmen zahlungsunfähig werden. Der Teufelskreis aus Konkurs und Arbeitslosigkeit kann nur durchbrochen werden, wenn alle Hypothesen eintreffen, beispielsweise der Lockdown nicht länger als sieben Wochen dauert und die getroffenen Maßnahmen effektiv sind und vor allem ergänzt werden.
De Tijd blickt dabei auf Europa. Die Corona-Pandemie verursacht einen wirtschaftlichen Schock, der viel größer ist, als die Finanzkrise 2008 und die darauffolgende Eurokrise. Aber das politische Europa streitet weiterhin über die richtige Vorgehensweise: 16 Stunden haben die EU-Finanzminister verhandelt, am Ende ohne Ergebnis – weder über den Mechanismus, der benutzt werden soll, noch über den Umfang der Hilfe. Wie schon beim Ausbruch der Eurokrise gibt es keine einmütige Vision. Bei der Eurokrise verschlimmerten die ersten Maßnahmen die Krise nur. Dieses Szenario muss diesmal zumindest verhindert werden.
Die Europäische Zentralbank will massiv Schuldverschreibungen und Staatsanleihen aufkaufen. Damit stellt die EZB in der Tat einen Blankoscheck aus. Aber angesichts der Uneinigkeit innerhalb der Eurogruppe ist das noch die beste Garantie. Das Problem des enormen Schuldenbergs ist für später. Jetzt geht es erstmal darum, so viele Volkswirtschaften, Unternehmen und Bürger wie möglich zu retten.
500 Milliarden Euro
Auch La Libre Belgique kommentiert das gescheiterte Treffen der europäischen Finanzminister: Man darf sich darüber ärgern oder sogar beunruhigt sein, dass selbst unter außergewöhnlichen und dramatischen Umständen die Solidarität unter den Mitgliedsländern nicht so selbstverständlich ist, wie man es sich erträumt. Aber jetzt ist trotzdem nicht die Zeit, die Todesanzeigen für die EU zu drucken, auf denen dann stehen würde, dass sie an der Unfähigkeit ihrer Mitgliedsländer verstorben ist, angesichts einer in ihrer Art und ihrem Ausmaß beispiellosen Krise, eine Gemeinschaftsfront zu bilden.
Es ist dabei nötig, daran zu erinnern, dass dieses zur Diskussion stehende Wirtschaftspaket der Eurogruppe mehr als 500 Milliarden Euro schwer ist. Und das nur kurzfristig. Und auch, dass ein Wiederbelebungsplan, in welcher Form auch immer, mindestens noch einmal das Gleiche kosten wird, wenn nicht sogar noch mehr. Dann ist es normal, dass solche Entscheidungen Zeit benötigen und dass innerhalb dieses Prozesses scharfe Spannungen auftauchen können.
Alleingelassen im Chaos
De Standaard kommentiert die Situation in den flämischen Seniorenheimen und die Kritik am dafür zuständigen flämischen Gesundheitsminister Wouter Beke: Seiner Verantwortung kann er nicht entgehen. Angesichts eines zunehmenden Unmuts über die Bekämpfung der Corona-Krise in den Seniorenheimen weckte er viel zu lange den Eindruck, dass niemand auf der Kommandobrücke stand. Während die Gesundheitsversorgung in den Krankenhäusern dank einer massiven Mobilisierung unter Kontrolle zu sein scheint, entstand in der Altenpflege ein Gefühl von Chaos und des Alleingelassenseins.
Es ist ein unerträglicher Gedanke, dass die Pfleger, als tragische Helden, ungeschützt und ohne die nötige Ausbildung an die Front geschickt wurden. Und genauso unerträglich ist der Gedanke, dass wir als Gesellschaft unsere Überachtzigjährigen stillschweigend aufgegeben haben. Beke musste sich gestern im flämischen Parlament dieses Eindrucks erwehren. Das hat bei ihm Bitterkeit ausgelöst. Aber was hat er denn anderes erwartet?
Volker Krings