"Frau stirbt an Überdosis nach einem Schluck Wein", titeln Het Laatste Nieuws und Gazet van Antwerpen. "Die Justiz warnt vor Drogen in Weinflaschen", so die alarmierende Meldung auf Seite eins von Het Nieuwsblad.
Diese fast unglaubliche Geschichte beginnt schon Mitte Dezember. Eine 41-jährige Frau aus Puurs bei Mechelen war nach einem einzigen Schluck aus einer Flasche Rotwein zusammengebrochen. Fünf Tage später verstarb sie im Krankenhaus. Toxikologische Untersuchungen zeigen inzwischen, dass die Frau an einer Überdosis MDMA gestorben ist. Das ist der Grundstoff für Ecstasy. Das Opfer hatte offensichtlich keine Ahnung vom Inhalt der Flasche. Die Ermittler gehen davon aus, dass die Drogen in der Flasche geschmuggelt werden sollten.
In der Vergangenheit gab es schon vergleichbare Fälle. Die Frage ist jetzt allerdings: Gibt es noch mehr von diesen manipulierten Flaschen? Wein dieser Marke ist nicht im Supermarkt erhältlich, sondern nur in Online-Shops.
"Schwarzer Schwan" Coronavirus
Daneben beschäftigen sich die Zeitungen aber auch weiter mit dem Coronavirus. "Es ist nur noch eine Frage von Tagen, bis das Coronavirus auch in Belgien auftritt", titelt Het Belang van Limburg. "Das Coronavirus ist jetzt auch in der Region", notiert das GrenzEcho auf Seite eins. Gemeint sind die Corona-Fälle in Erkelenz, unweit der belgischen Grenze.
"Das Coronavirus ist auch im Begriff, die Wirtschaft zu infizieren", so derweil die Schlagzeile von L'Echo. Und das Blatt listet auf: Die Börsen sind weiter auf Talfahrt. Der Bel-20-Index wäre am Mittwoch um ein Haar gecrasht. Der Chemiekonzern Solvay hat schon Einbußen in Höhe von 25 Millionen Euro zu verzeichnen. Die Folge davon steht auf Seite eins von Het Nieuwsblad: "Solvay streicht 500 Jobs infolge des Coronavirus".
Die Corona-Krise zeigt, wie verletzlich die globale, extrem vernetzte Wirtschaft ist, meint das GrenzEcho. Auch, wenn das Virus jetzt gerade in Europa angekommen ist, der Höhepunkt der wirtschaftlichen Folgen wird Europa erst in wenigen Wochen erreichen, auch wenn jetzt schon erste Lieferengpässe gemeldet werden und Lieferketten unterbrochen sind, sodass das eine oder andere Unternehmen die Produktion einstellen muss. In Europa ist die Gefahr real, dass die Konjunktur eine Delle erfährt und das eine oder andere Land, allen voran Italien, in eine Rezession rutscht.
"Das Coronavirus ist ein waschechter Schwarzer Schwan", analysiert L'Echo. Zumindest so, wie der Philosoph Nassim Taleb seinen "Black Swan" definiert. Gemeint ist ein unvorhergesehenes Ereignis, das ungeahnte Folgen hat. Und die Reaktionen sind oft nicht mehr rational. Wenn auch ein bisschen spät, haben die Finanzmärkte in den letzten Tagen offensichtlich das Ausmaß des Problems erfasst. Auf der ganzen Welt gab es an den Börsen einem sichtbaren Einbruch. Und da sollten sich die Anleger nicht auf die Zentralbanken verlassen. Die können ein sanitäres Problem nicht lösen.
Stratego in der Rue de la Loi
Einige Zeitungen beschäftigen sich mit dem jüngsten Bericht der EU-Kommission über die wirtschaftliche Lage in Belgien. Das Zeugnis fällt alles andere als gut aus. Viele Probleme sind längst bekannt: Vergreisung der Bevölkerung, schwächelnde Produktivität, niedriges Wachstum, zunehmendes Haushaltsdefizit.
"Warum ist Belgien so ein schlechter Schüler?", fragt sich De Tijd in ihrem Leitartikel. Die Antwort liegt auf der Hand: Seit mehr als einem Jahr gibt es keine handlungsfähige Regierung. Die EU-Kommission predigt mit ihren strengen Worten aber in der Wüste. Hierzulande fühlt sich offenbar kein Politiker mehr angesprochen. In der Rue de la Loi wird stattdessen weiter munter Stratego gespielt.
"Es ist wirklich eine bittere Feststellung", meint auch Gazet van Antwerpen. Die Europäische Kommission legt den Finger in die Wunde, mahnt sozialwirtschaftliche Reformen an. Und wie reagieren die Politiker? Gar nicht! Sie schlagen sich stattdessen gegenseitig die Köpfe ein. Jüngstes Beispiel ist der offene Krieg zwischen der N-VA und der Open VLD. So sichert man nicht unsere Jobs, unsere Pensionen, die finanzielle Gesundheit unseres Landes.
"Das ist nicht mehr zu verkaufen!"
Eben besagter neuer Konflikt zwischen N-VA und Open VLD sorgt bei einigen Leitartiklern für regelrechtes Kopfschütteln. Beide Parteien hatten sich in Sozialen Netzwerken mit Filmchen bekriegt, in denen der jeweils andere der Inkonsequenz beschuldigt wurde. Konkret waren es in beiden Fällen gebrochene Versprechen.
"Das einzige Wahlversprechen, das die Parteien noch einhalten, das ist, dass sie sich nicht mehr streiten. Jetzt bekriegen sie sich", wettert Het Nieuwsblad. Kleine Kinder, die sich die Eimerchen an den Kopf werfen, die stellt man in die Ecke. Erwachsenen Politikern kann allein noch der Wähler die Eselsohren aufsetzen. Belgien hat schon besagte Eselsohren auf, erhalten von der EU-Kommission. Darüber hinaus stecken wir mitten in der Corona-Krise. Die Politik lässt das kalt. N-VA und Open VLD glauben, dass jetzt ein guter Zeitpunkt ist, um das Niveau auf den absoluten Tiefpunkt runterzuschrauben.
"Das ist nicht mehr zu verkaufen!", meint auch Het Laatste Nieuws. Haben die flämischen Mitte-Rechts-Parteien immer noch nicht verstanden? Eben diese Streitereien waren doch der Sargnagel für die verblichene Regierung Michel. Und in geringerem Maße auch noch für die flämische Regierung von Geert Bourgeois. Zu Recht wurden die Parteien dafür am 26. Mai abgestraft. Man sollte doch eigentlich meinen, dass ein Esel nicht zwei Mal über denselben Stein stolpert. Die Wähler sehnen sich nach homogener Politik, einer entschlossenen Regierung, die das Gemeinwohl vor Augen hat. Wie heißt es so schön im Radsport? Gewinnen kann man nur gemeinsam.
Roger Pint