"Die Justiz hat die Bankkonten von Stéphane Moreau eingefroren", titeln L'Echo und De Tijd. Den entsprechenden Antrag hatte das neue Management von Nethys gestellt. Es geht um die "Abschiedsprämien" von 15 Millionen Euro, die sich Stéphane Moreau und zwei seiner früheren Nethys-Manager-Kollegen zugeschustert hatten. Nethys will eine Rückzahlung erwirken.
Die betroffenen Banken haben jetzt zwei Wochen Zeit, um die Beträge mitzuteilen, die auf den Konten liegen. Sollte sich herausstellen, dass die Konten geleert wurden, um mutmaßlich eine Privatinsolvenz vorzutäuschen, dann könnte das strafrechtliche Konsequenzen haben.
Anscheinend laufen aber in dieser Sache schon strafrechtliche Ermittlungen. "Nethys: Die Justiz hat Ermittlungen eingeleitet im Zusammenhang mit den Manager-Bezügen", schreibt jedenfalls Le Soir auf Seite eins. Auch hier geht es demnach um besagte Abfindungen. Die wallonische Regionalregierung hatte die Zahlungen für illegal erklärt. Sie hatte aber keine rechtliche Handhabe, da die Aktion im Mai dieses Jahres eingefädelt worden war.
Zu diesem Zeitpunkt hatte die Wallonische Region noch nicht formell die Aufsicht über Nethys. Aus den neuerlichen Schlagzeilen mag aber hervorgehen, dass sich die Schlinge um Stéphane Moreau und seine früheren Kollegen langsam aber sicher zuzieht.
"Die Spinne im Netz"
Alle Anschläge führen zu einer Person: "Oussama Atar", so derweil die Aufmachergeschichte von De Standaard. Die Schwesterzeitungen Het Nieuwsblad und Gazet van Antwerpen übernehmen die Meldung. Anscheinend haben die französischen Justizbehörden die Anklageschrift fertiggestellt, die als Grundlage dienen soll für den Prozess um die Anschläge von Paris und Brüssel.
Die Ermittler sehen auch eine Verbindung zur Terrorzelle von Verviers, dem vereitelten Anschlag auf die Kirche im französischen Villejuif und eine ebenfalls vereitelte Attacke auf den Thalys Amsterdam-Paris.
"Und die Spinne im Netz, das war Oussama Atar", schreibt De Standaard. Dieser Oussama Atar war belgischer Staatsbürger und ist inzwischen in Syrien ums Leben gekommen. Er soll also das Gehirn hinter den Anschlägen von Paris und Brüssel 2015-2016 gewesen sein. Koordiniert wurden die Attacken von Abdelhamid Abaaoud, der 2015 bei einer Polizeiaktion getötet wurde. Der Prozess soll 2021 stattfinden.
Justiz heißt nicht Rache
"Hetzjagd bei Facebook auf Michel Lelièvre: Die Justiz ermittelt", so derweil die Titelstory von La Libre Belgique. Der ehemalige Komplize von Marc Dutroux wurde vor einigen Wochen unter Auflagen aus der Haft entlassen.
Lelièvre hat fast 25 Jahre im Gefängnis gesessen. Seit seiner Freilassung läuft aber eine regelrechte Hetzjagd in Sozialen Netzwerken. Es gab mehrfach Aufrufe zur Lynchjustiz.
In der vergangenen Woche war Michel Lelièvre vor seiner Wohnung in der Brüsseler Stadtgemeinde Anderlecht zusammengeschlagen worden. La Libre Belgique zitiert aus einem Aufruf, der auf Facebook veröffentlicht wurde: "Michel Lelièvre, dieses Monster, wird nie seine Schuld gesühnt haben. Er soll sich verfolgt fühlen und bis zu seinem Tod durch die Hölle gehen".
"Die Menschenjagd ist eröffnet", konstatiert La Libre Belgique in ihrem Leitartikel. Selbst ernannte Rächer, die glauben, dass das Recht auf ihrer Seite ist, stehen auf und bellen auf Facebook, rufen dazu auf, Lelièvre zu jagen und zu lynchen. Das ist unwürdig! In einer Demokratie ist Justiz nicht gleichbeutend mit Rache.
Hier geht es nicht darum, die schrecklichen Verbrechen von Lelièvre kleinzureden. Aber der Mann wurde verurteilt und er hat gebüßt. Das macht seine Taten nicht ungeschehen. Das wird auch niemals das Leid der Opfer und Angehörigen aufwiegen. Aber in einem Rechtsstaat muss sich jeder den Gesetzen beugen, auch, wenn es nicht immer jedem gefällt. Die Todesstrafe wurde aus unserem Strafgesetzbuch gestrichen. Einige wollen jetzt Lelièvre eine Art gesellschaftliche Todesstrafe auferlegen. Das ist unannehmbar!
Wallonie – Über Alternativen nachdenken
L'Echo sorgt sich in seinem Leitartikel um den Zustand der Wallonischen Region. Eine schwarze Null will die Regierung in Namur erst 2024 schreiben. Der Schuldenberg beläuft sich aber schon jetzt auf 22 Milliarden Euro. Die Beschäftigungsrate liegt bei knapp 64 Prozent. Die Zahl der Arbeitslosen beläuft sich auf 200.000.
Angesichts solcher Zahlen wäre jedes Unternehmen dazu verdammt, drastische Maßnahmen zu ergreifen. Wie etwa das so genannte "Cost Cutting", tiefgreifende Kostensenkungen. Die neue Regionalregierung ist tatsächlich damit beschäftigt, die Ausgaben zu durchleuchten.
Aber wird sie auch den Mut haben, die Konsequenzen zu ziehen? Sollte man nicht vielleicht die TEC privatisieren? Oder die Autobahnen? Natürlich muss jede Regierung auch soziale Parameter vor Augen haben. Es ist aber nicht verboten, über gewisse Alternativen nachzudenken.
Renaissance eines 'Höllenlochs'
Lob gibt es derweil für Brüssel. Und das ausgerechnet in einer flämischen Zeitung. "Das 'Höllenloch' erlebt eine Renaissance", glaubt Het Laatste Nieuws. Nie haben mehr Touristen die Hauptstadt besucht. 9,4 Millionen Übernachtungen wurden in diesem Jahr registriert. Das sind rund 30 Prozent mehr als in Antwerpen, Gent, Brügge und Löwen zusammen.
Und dieser Rekord kommt nicht von ungefähr. Brüssel mag immer noch vergleichsweise chaotisch sein. Eingefleischte Hauptstädter betrachten das aber inzwischen schon als eine Art Markenzeichen. Nach dem Motto: "Die Stadt, die eine Ecke abhat".
Aber, man muss zugeben: In Brüssel bewegt sich was: die Stadt sucht ihren Weg, wenn sie ihn auch nicht immer findet, aber wenigstens tut sich was. Die Hauptstadt ist heute attraktiver und sicherer. Der öffentliche Nahverkehr funktioniert besser und pünktlicher als in Flandern. Auch in Flandern muss man Brüssel in einem neuen Licht sehen. So eine Art "Höllenloch 2.0".
Roger Pint