"Game over", titelt Le Soir. "Die wallonische Regierung schlägt Stéphane Moreau k.o.", so die Schlagzeile von De Standaard.
Die wallonische Regionalregierung hat am Sonntag durchgegriffen: Der Verkauf von drei Nethys-Tochtergesellschaften wurde annulliert. Nethys wollte sich von diesen drei Unternehmen trennen. Der Telekomanbieter VOO sollte an einen US-amerikanischen Investmentfonds veräußert werden; die Windenergie-Gesellschaft Elicio und der IT-Dienstleister Win sollten an eine Gesellschaft veräußert werden, die einem der Nethys-Verwaltungsratsmitglieder gehörte. Allein schon wegen dieses offensichtlichen Interessenkonflikts waren die Transaktionen hochumstritten.
Die wallonische Regionalregierung hat jetzt also schweres Geschütz aufgefahren und den Verkauf der drei Gesellschaften für null und nichtig erklärt. "Und bei der Gelegenheit wurde auch der Nethys-Verwaltungsrat zum Ausgang gedrängt", bemerken La Libre Belgique und L'Avenir auf Seite eins. Der Nethys-Verwaltungsrat war ja am Sonntag unmittelbar nach dem Bekanntwerden der Entscheidung geschlossen zurückgetreten.
Wie die Milch auf der Herdplatte
"Endlich!", meint erleichtert Le Soir. Wir sehen jetzt endlich das Ende des Modells Nethys - und damit auch des Systems Moreau. Der Nethys-Chef und all jene, die seine seltsame Auffassung vom Gemeinwohl teilten, sie tragen die Hauptverantwortung für das Debakel. Moreau und Co. hatten nichts kapiert, sind weiter bei Orange durch die Ampel gefahren, haben gelogen bis zum letzten Tag. Nach der Publifin-Affäre haben sie noch einen drauf gesetzt: Wie konnte der Nethys-Verwaltungsrat derartig undurchsichtige Transaktionen gutheißen? Nethys steht jetzt endlich vor einem Neuanfang. Und die Grundfrage lautet jetzt: Was machen wir mit Nethys?
Jetzt ist jedenfalls alle Welt voll des Lobes über die vermeintliche Tatkraft der wallonischen Regionalregierung, bemerkt La Libre Belgique. Dabei ist es offensichtlich, dass insbesondere PS und MR in dieser Geschichte durch Unfähigkeit geglänzt haben. Schließlich lag es in der Zuständigkeit der Provinz Lüttich, bei der interkommunalen Nethys-Mutter Enodia die politische Kontrolle auszuüben. Verfügten die Verantwortlichen nicht über die notwendigen Informationen – oder waren sie einfach inkompetent? Vor diesem Hintergrund ist es jedenfalls zu begrüßen, dass der zuständige Regionalminister Pierre-Yves Dermagne endlich Kontrollprozeduren in Kraft gesetzt hat.
Sogar der flämische Standaard beschäftigt sich mit den neuen Entwicklungen bei Nethys: Das Verblüffendste an der ganzen Saga ist, dass nach all den Skandalen der letzten Jahre die Verantwortlichen offensichtlich immer noch glaubten, dass sie mit ihren windigen Deals durchkommen würden. Sie waren blind nicht nur gegenüber der öffentlichen Meinung und den neuen politischen Realitäten. Oder waren es nur Hochmut und Arroganz? In dem Stall, den die wallonische Politik nicht ausmisten konnte, muss nun jedenfalls die Justiz aufräumen.
Jetzt muss erstmal ein neues Management her, fordert L'Avenir in ihrem Leitartikel. Das ist ganz klar ein Wendepunkt. Man sollte allerdings nicht zu früh behaupten, dass das wirklich das Ende der Nethys-Saga ist. Nethys, das ist wie die Milch auf der Herdplatte: Man darf sie nicht aus den Augen lassen. Die Geschichte ist nicht vorbei, nur weil man das ganz laut sagt. Jetzt übernimmt ja die Justiz die Akte. Vielleicht fängt die ganze Geschichte ja gerade erst an.
Unnötiger Fehlstart
Viele flämische Zeitungen beschäftigen sich immer noch mit der neuen Regierung im Norden des Landes. Am Montag will Ministerpräsident Jan Jambon endlich den haushaltspolitischen Fahrplan für die nächsten Jahre veröffentlichen. Einige Aspekte waren aber schon am Wochenende durchgesickert: "Hier holt sich Jambon I seine zwei Milliarden", schreibt etwa Het Nieuwsblad auf seiner Titelseite und listet einige Punkte auf. Einer davon steht auch auf Seite eins von De Morgen: "Viel Kritik an Jambon I wegen der Sparmaßnahmen beim Kindergeld".
Die Haushaltszahlen kommen jedenfalls keine Minute zu früh, findet Het Laatste Nieuws. Dass künftige Sparmaßnahmen nur tröpfchenweise und damit naturgemäß unvollständig ans Licht kommen, damit hat sich die neue Regierung einen Bärendienst erwiesen. Und der Bevölkerung auch. Die Regierung hat durch ihre sture Haltung hier unnötig Unsicherheit und Besorgnis geschürt.
Dass Jambon die Zahlen zurückgehalten hat, das hat ihm seinen Auftakt als Ministerpräsident gründlich verhagelt, meint auch sinngemäß Gazet van Antwerpen. Und das ist allein seine eigene Schuld. Seine Regierungserklärung mag noch so ehrgeizig und konsequent geklungen haben, die ganze Zahlenaffäre hat bei den Bürgern nur für Misstrauen und Verwirrung gesorgt. Es wird höchste Zeit, diese Seite umzublättern und eine wirkliche Debatte über den haushaltspolitischen Kurs zu beginnen. In jedem Fall fühlt sich das Ganze wie ein Fehlstart an.
Jambon hat immerhin Besserung gelobt, bemerkt Het Nieuwsblad. Entschuldigt hat er sich freilich nicht. Am Mittwoch, wenn die große Debatte über den Haushalt stattfinden wird, kann er aber beweisen, dass er über der Mêlée steht und über Führungsqualitäten verfügt. Es wäre allen gedient, wenn die Streitereien am Mittwoch endgültig beendet werden könnten.
Schon genug Zeit verplempert
Ab jetzt richten sich alle Blicke natürlich auf die föderale Ebene. Die beiden Informatoren Didier Reynders und Johan Vande Lanotte werden am Montagnachmittag im Palast erwartet. Wahrscheinlich werden sie König Philippe ihren Abschlussbericht präsentieren. Es wird erwartet, dass das Staatsoberhaupt ein PS-N-VA-Tandem mit einer neuen Mission betrauen wird. De Standaard nennt zwei Namen: den des ehemaligen N-VA-Ministerpräsidenten Geert Bourgeois und den des PS-Spitzenpolitikers Jean-Claude Marcourt.
Mehr als vier Monate nach der Wahl sind wir föderal nirgendwo, beklagt Het Belang van Limburg. Jeder ist sich der Schwierigkeiten bewusst. Flandern und die Wallonie haben sehr unterschiedliche Wege eingeschlagen. Wer nicht bereit ist zu Kompromissen, der sollte das bitte sofort sagen. Wir haben nämlich schon genug Zeit verplempert.
Roger Pint