"Chaos bei der Tour de France", titelt La Dernière Heure. "Bernal 59 Kilometer von einem historischen Titel entfernt", schreibt L'Avenir. "Bernal auf dem Weg zum Tour-Sieg dank Hagel und Schlamm", so Het Laatste Nieuws auf Seite eins.
Fast alle Zeitungen berichten bereits auf ihren Titelseiten von der Tour de France. Die gestrige Etappe in den Alpen musste wegen schlechter Wetterbedingungen abgebrochen werden. Das Gelbe Trikot trägt jetzt überraschend der erst 22-jährige Kolumbianer Egan Bernal. Durch die Verkürzung der heutigen Etappe auf 59 Kilometer ist ihm der Tour-Sieg damit kaum noch zu nehmen.
"Zwangsarbeiter auf der Straße"
Het Laatste Nieuws kommentiert: Das Rennen abzubrechen, war eine gute Entscheidung und kam ziemlich überraschend. Denn die Organisatoren der Tour de France sind nicht unbedingt dafür bekannt, zum Wohle der Sportler zu entscheiden. Für die Organisatoren sind die Radprofis meist nur das lästige Beiwerk, um Profit zu machen. Die Preisgelder für die Sieger sind lächerlich niedrig, die Etappen oft gefährlich. Und auch bei 40 Grad müssen die Profis in die Pedale treten. Im Jahr 2019 bleiben die Radsportler das, was sie hundert Jahre lang schon waren: Zwangsarbeiter auf der Straße, meint Het Laatste Nieuws.
"Ran an die Sache!"
Gleich mehrere Zeitungen beschäftigen sich in ihren Leitartikeln mit dem für Sonntag angekündigten Runden Tisch, an dem die Informatoren bei der Suche nach einer neuen Föderalregierung die Vorsitzenden der regierungsfähigen Parteien versammeln wollen. De Tijd schreibt dazu: Zwei Monate nach den Wahlen haben wir uns fast schon daran gewöhnt, dass im Grunde eine politische Depression in unserem Land herrscht. Fast alle Parteien - außer dem Vlaams Belang und der PTB - sind damit beschäftigt, ihre Wunden zu lecken. Da ist es gut, dass jetzt Bewegung in die Sache kommt. Natürlich ist es schwierig, die neue Föderalregierung zu bilden. Doch gerade weil es so schwierig ist, muss jetzt endlich damit begonnen werden. Also: Ran an die Sache!, ermutigt De Tijd.
Ähnlich La Libre Belgique: Es hat keinen Zweck, dass PS und N-VA als jeweils stärkste Partei ihrer Sprachgruppe weiter nicht miteinander sprechen wollen. Zwar ist ihre Abneigung gegeneinander durchaus nachvollziehbar, aber mit Blick auf das Wahlergebnis ist klar: Eine Alternative zu Gesprächen zwischen PS und N-VA gibt es nicht. Deshalb ist es gut, dass beide Parteien am Sonntag damit beginnen. Ergebnisse werden ja gar nicht erwartet. Es wäre schon ein Erfolg, wenn gemeinsam über Lösungen nachgedacht würde, hofft La Libre Belgique.
Dass es dazu nicht kommen wird, davon ist Het Nieuwsblad überzeugt: Das Treffen am Sonntag wird nicht mehr als ein reiner PR-Termin werden, schreibt die Zeitung. Die Parteivorsitzenden - und auch da weiß man noch gar nicht genau, wer überhaupt kommen wird - haben dem Treffen wahrscheinlich nur zugestimmt, um die Fleißarbeit der beiden Informatoren nicht ins Leere laufen zu lassen. Es wäre keine Überraschung, wenn außer ein bisschen Händeschütteln, schönen Fotos mit Politikern vor weißen Papieren und lächelnden Gesichtern hier und da nichts weiter beim Treffen herauskommen wird, dämpft Het Nieuwsblad die Erwartungen.
Welche Lehren ziehen wir aus den heißen Tagen?
Einige Zeitungen ziehen eine Bilanz der extremen Hitzewelle, unter der Belgien die vergangenen Tage gelitten hat. Le Soir notiert: Bei der Bahn herrschte Chaos. Für viele Reisende wurde die Zugfahrt zu einem Albtraum, weil Züge liegenblieben, die Klimaanlage nicht funktionierte und die Waggons überfüllt waren. Man darf gespannt sein, wie die Verantwortlichen bei der Bahn auf das alles reagieren. Dabei sind die Probleme der Bahn im Grunde nur symptomatisch für die ganze Gesellschaft: Wir alle sind nicht auf so hohe Temperaturen vorbereitet. Auch für uns stellt sich jetzt die Frage: Wie gehen wir mit den Erfahrungen der großen Hitze um, die wahrscheinlich unsere Zukunft sein wird?, so die bange Frage von Le Soir.
Die Wirtschaftszeitung L'Echo stöhnt: Was haben wir geschwitzt in den vergangenen Tagen. Und es ist bemerkenswert, zu beobachten, wie so manchem diese Hitze zu Kopf gestiegen ist. Es war befremdlich, zu sehen, welcher Hass der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg von einigen Abgeordneten der französischen Nationalversammlung entgegenschlug. Zwei Welten prallten da aufeinander: der schwedische Teenager, der die Untätigkeit der Politik anprangert, und Politiker, die den Klimawandel leugnen. Beide haben in ihren Positionen ein bisschen Recht. Doch bei der Antwort auf die Frage, wie wir auf die heißen Temperaturen reagieren sollen, brauchen wir keine überhitzten Debatten, sondern einen kühlen Kopf, fordert L'Echo.
"Die ideale Diät"
La Dernière Heure hat in der Hitzewelle sehr viel Positives gesehen und führt aus: Es war ein bisschen wie im Urlaub. Das Leben war leicht, schön und langsam. Auf öffentlichen Plätzen, in Parks und in der U-Bahn sah man viele Mini-Shorts und Sommerkleider. Wir haben weniger gegessen und weniger Alkohol getrunken. Eigentlich die ideale Diät. Ein paar Wochen so ein Wetter und wir haben eine Traumfigur. Die Hetze des Alltags konnten wir vergessen. Und überdies klagen wir Belgier doch immer so gerne über den Regen und die Kälte. Warum dann nicht einfach das akzeptieren, was wir sowieso nicht ändern können?, rät La Dernière Heure.
Kay Wagner