"Fröhliches Belgien feiert die Tour de France", titelt Le Soir. "Gelber Wahnsinn in Brüssel", schreibt De Standaard. Und schließlich sendet Gazet van Antwerpen "dicke Küsse aus Brüssel an die Tour de France".
Die Titelseiten der belgischen Presse sind voll mit Bildern vom Start der Tour de France in der Hauptstadt.
De Standaard schreibt dazu: Zehn bis 15 Millionen Euro hat "Le Grand Départ" gekostet. Zur Frage, wie groß die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Investition sein werden, ist schon viel Tinte geflossen. Am Ende geht es aber nicht nur darum. Ein Radsport-Fest ist keine geschäftliche Unternehmung, die als gefloppt gilt, wenn die Rendite niedriger ausfällt, als erwartet. Wer Geld für ein Fest ausgibt, der will keinen Gewinn machen, sondern Freude verbreiten. Und was das betrifft, war der Brüsseler Tour-Start ein Volltreffer. Brüssel konnte so eine Aufmunterung gut gebrauchen: Die Hauptstadt wird viel kritisiert - und oft zu Recht. Aber bei solchen Veranstaltungen zeigt die Stadt, aus welchem Holz sie geschnitzt ist. Weltweit konnten Fernsehzuschauer sehen, dass Brüssel ein würdiger Gastgeber gewesen ist und dass die radsportverrückten Belgier dieses sportliche Top-Event genossen haben. Ob wir die Millionen jemals wiedersehen werden in Form von zusätzlichen Hotel-Übernachtungen oder Horeca-Einnahmen, das muss sich erst noch zeigen. Aber dieses Fest, das nimmt den Brüsselern niemand mehr weg, glaubt De Standaard.
Ähnlich sieht es auch La Libre Belgique: Brüssel hat seinen Grand Départ bestanden. Nach den Attentaten war die Hauptstadt als "Terroristennest" verschrien. Jetzt leuchtet sie wieder und sie hat dieses Bild über die Fernsehkameras in 190 Länder transportiert. Die Mannschaft, die das Ganze vorbereitet hat, kann heute stolz sein: Brüssel glänzt wieder. War's das? Eher nein. Jetzt gilt es, den Alltag der Menschen zu verbessern, die dort leben. Die Stadt grüner und offener zu machen. Eine dynamische Stadt, die den öffentlichen Nahverkehr ausbaut und die den Radfahrern mehr Raum gibt, ohne die Autofahrer zu bestrafen. Eine Stadt, in der man atmen kann. An die Arbeit!, fordert La Libre Belgique.
Ein Machtwechsel, der nicht viel ändern wird
Gazet van Antwerpen kommentiert den Ausgang der Parlamentswahlen am Sonntag in Griechenland: Großer Gewinner ist die rechtskonservative Nea Dimokratia. Premierminister Tsipras und seine Links-Partei Syriza sind damit abgewählt. Dazu schreibt die Zeitung: Die Partei, die Griechenland in eine schwere wirtschaftliche Krise geführt hat, hat am Sonntag gewonnen. Das wahre Drama dieser Krise ist, dass die Schuldigen kaum oder gar nicht bestraft wurden. Die wirtschaftliche Misere wurde verursacht durch jahrzehntelange Misswirtschaft, Korruption und Klüngelei. Viele der verantwortlichen Politiker genießen heute ihren Ruhestand und Nea Dimokratia ist jetzt sogar zurück an der Macht. Der Machtwechsel wird für die Bevölkerung nichts ändern. Der Durchschnittsgrieche wird in den kommenden Jahrzehnten die Rechnung zahlen, prophezeit Gazet van Antwerpen.
Bedingt glaubwürdige Reue
Het Nieuwsblad kommentiert den Fall Kris Van Dijck: Der N-VA-Politiker, Bürgermeister von Dessel und seit Kurzem Präsident des flämischen Parlaments hatte in der vergangenen Woche in betrunkenem Zustand einen Autounfall verursacht. Mit 1,42 Promille im Blut war er mit seinem Fahrzeug auf einen Anhänger gekracht. Van Dijk zeigt sich zutiefst beschämt und will einen Teil seines Gehalts an einen Fonds für Verkehrsopfer spenden. Für Het Nieuwsblad ist das Ganze mehr als nur ein Blechschaden. Politiker müssen nicht katholischer als der Papst, aber ein gutes Vorbild sein. Gerade als Erster Bürger Flanderns. Van Dijck wäre allerdings glaubwürdiger gewesen, wenn er nicht gewartet hätte, bis die Presse Wind von der Sache bekommen hatte. Seine Partei, die N-VA, stört sich zwar an der Tat an sich, findet aber seine Reue eine gute Sache. Und schenkt ihm weiter das Vertrauen. Die Frage ist allerdings, wie das funktionieren soll. Was wird der Parlamentspräsident tun, wenn über Verkehrssicherheit debattiert wird? Vor Scham unter sein Pult kriechen? Wie groß ist seine Glaubwürdigkeit bei den Parlamentsmitgliedern dann noch? Wie kann er sich als Erster Bürger von Flandern für einen Mentalitätswandel in Sachen Alkohol am Steuer einsetzen, ohne Hohngelächter dafür zu ernten?
Kris Van Dijk ist angeschlagen. Dabei hat er noch Glück gehabt, es hätte viel schlimmer kommen können als ein Blechschaden und ein hässlicher Kratzer auf einer ansonsten makellosen politischen Karriere. Jeder kennt die Gefahren, wenn man sich betrunken ans Lenkrad setzt. Und Reue kommt immer zu spät, stellt Het Nieuwsblad fest.
Publifin lässt grüßen
L'Avenir kommentiert die Affäre um die Vervierser Bürgermeisterin Muriel Targnion, die für ihr Mandat als Beraterin beim Energielieferanten Luminus 30.000 Euro im Jahr kassieren wird. Dazu schreibt die Zeitung: Die Schaffung dieses Postens zugunsten der Vervierser PS-Bürgermeisterin und Präsidentin des Verwaltungsrates von Enodia, vormals Publifin, ruiniert die Anstrengungen von PS und Ecolo, im Dialog mit der Zivilgesellschaft das durch die Skandale erschütterte Vertrauen wiederaufzubauen. Selbst, wenn die Annahme dieses Postens legal und von ihrer Partei, der PS, abgesegnet ist, die Höhe der Entlohnung ist im Verhältnis zur Leistung schockierend, kritisiert L'Avenir.
Volker Krings