"Beke ersetzt Peeters in der Föderalregierung", titeln Het Laatste Nieuws und Het Belang van Limburg. "Der Vlaams Belang setzt De Wever unter Druck", so die Schlagzeile von De Morgen. "In Brüssel wird das Kopftuch zum Thema bei den Verhandlungen", schreibt Le Soir auf Seite eins.
Die Innenpolitik steht nach wie vor im Fokus. Und das auf allen Ebenen. In der Föderalregierung gibt es wieder ein Stühlerücken. Der bisherige CD&V-Vizepremier und Wirtschaftsminister Kris Peeters wechselt ins EU-Parlament und hat deshalb seinen Rücktritt als Minister angekündigt. Wie am Donnerstag bekannt wurde, soll sein Parteichef Wouter Beke ihn ersetzen. Beke will aber zugleich CD&V-Präsident bleiben.
"Messi und Ronaldo" der belgischen Politik
Neben Beke hat am Donnerstag auch noch ein zweiter Limburger für Schlagzeile gesorgt: Die Kammer hat den OpenVLD-Politiker Patrick Dewael zu ihrem Vorsitzenden gewählt. Dies freilich übergangsweise, bis eine neue Koalition steht und der oder die definitive Vorsitzende bestimmt wird.
Het Belang van Limburg ist mächtig stolz auf die beiden Politiker aus der Provinz Limburg. In seinem Leitartikel zieht das Blatt einen Fußball-Vergleich: Wir sehen hier "Messi und Ronaldo". Patrick Dewael und Wouter Beke lassen Limburg in Brüssel glänzen. Allerdings kommt danach erstmal lange nichts. Die Damen Demir, Peeters oder Kitir haben zwar durchaus Potential, es wird aber noch ein bisschen dauern, ehe sie das gleiche politische Gewicht haben wie Dewael und Beke.
Loblied auf Patrick Dewael
Auch andere Zeitungen würdigen insbesondere Patrick Dewael. Dewael ist definitiv der richtige Mann am richtigen Ort, findet Het Laatste Nieuws. Natürlich war seine Wahl zum Kammervorsitzenden ad interim nicht frei von taktischen oder strategischen Erwägungen. Die Frankophonen etwa wollten wohl nicht die N-VA-Kandidatin Valerie Van Peel unterstützen. Außerdem will so mancher hier eine Art Omen gesehen haben, eine mögliche Regierung ohne die N-VA und erst recht ohne den Vlaams Belang. Dewael wäre aber auch so der ideale Kandidat gewesen. In einer Kammer, die das Niveau der Jupiler League selten übersteigt, spielt er in der Champions League.
Auch Le Soir ist voll des Lobes. Qualifiziert für den Posten hatte sich der flämische Liberale, weil er in der vergangenen Woche gekonnt den Vlaams Belang im Schatten gehalten und damit einen Eklat bei der konstituierenden Sitzung vermieden hat. Und es ist ein ebenso schönes wie starkes Signal, wenn eine Mensch, der seine Verantwortung übernimmt, plötzlich viele andere hinter sich versammelt, die ihn quasi zu ihren Schutzschild machen.
Patrick Dewael ist ein überzeugter Humanist, geprägt durch den Tod einiger Familienmitglieder in den Konzentrationslagern der Nazis. Doch sollte man vielleicht auch mal auf ihn hören. Mehrmals schon hat Dewael davor gewarnt, dass es in erster Linie das Versagen der Politik ist, oder zumindest dieser Eindruck, der die Bürger in die Arme von Extremisten treibt. Oft hat er auch schon die politischen Spielchen angeprangert, die die Menschen nicht mehr sehen könnten. Dewael ist als Übergangsvorsitzender allenfalls eine Art Vorhang, der die Extremisten verdeckt. Verschwinden werden sie dafür aber nicht.
"Forza Flandria"
In Flandern scheint derweil der Vlaams Belang den Druck auf dem Kessel erhöhen zu wollen. Die Rechtsextremisten appellieren erneut an die N-VA, zusammen eine Art "flämischen Block" zu bilden, eine "Forza Flandria". Dieser Block wäre für eine Regierungsbildung unumgänglich. Und dann müssten CD&V und OpenVLD Farbe bekennen, wie De Morgen die These des Vlaams Belang erläutert. Sie müssten dann darlegen, warum sie nicht mitregieren wollen und was ihnen als Alternative vorschwebt. Für De Morgen erhöht sich hier aber vor allem der Druck auf Bart De Wever, der sich irgendwann zwischen dem Vlaams Belang und den beiden Mitte-Rechts Parteien CD&V und OpenVLD entscheiden muss.
De Wever scheint die Christdemokraten und Liberalen aber erstmal zu einem Rechtsruck zwingen zu wollen, analysiert De Tijd. Indem die N-VA erstmal inhaltliche Gemeinsamkeiten mit dem Vlaams Belang auslotet, gibt sie ja im Grunde schon die Richtung vor. Doch auch die anderen wollen die Rechtsextremisten als Hebel nutzen. Die Wahl von Patrick Dewael hat mit einem Mal die Kammer mehrheitlich ins Zentrum gezogen. Und auch das hatte mit dem Vlaams Belang zu tun, denn jetzt vermeidet man erstmal, dass die Partei einen stellvertretenden Kammerpräsidenten stellt. Was lernen wir daraus? Lange war der Platz des Vlaams Belang an der Seitenlinie. Jetzt stehen die Rechtsextremisten mitten drin.
Gefährliches Spiel auf mehreren Schachbrettern
In der Brüsseler Rue de la Loi tritt man nach wie vor fleißig auf der Stelle, kann De Standaard nur feststellen. Immer noch sehen wir viel Theater, etwa wenn die PS in der Wahl von Patrick Dewael einen Vorboten sieht für eine künftige Koalition. Die Ereignisse der letzten Wochen lassen nur einen Schluss zu: Gleichzeitige Wahlen auf allen Machtebenen machen die Koalitionsbildungen noch schwieriger, als sie das ohnehin schon sind. Vielleicht hat man ja danach fünf Jahre stabile Verhältnisse. Nur droht in einer ersten Phase eine allgemeine Blockade. Auf mehreren Spielbrettern gleichzeitig Schach zu spielen, ist offensichtlich zu kompliziert. Angesichts der Herausforderungen, die zum Teil nur gemeinsam angegangen werden können, würde man sich aber mehr Staatsmännischkeit wünschen statt der derzeit zu beobachtenden Strategiespielchen.
Gesucht: eine stabile Mehrheit
In der Wallonie setzten derweil PS und Ecolo ihre Konsultationen mit der Zivilgesellschaft fort. Die liberale MR übte erneut scharfe Kritik an der Vorgehensweise, da beide Parteien ja zusammen keine Mehrheit hätten. Und L'Avenir scheint sich dem anzuschließen. Natürlich ist es gut, wenn gewählte Politiker den gesellschaftlichen Puls fühlen wollen. Es ist aber nicht so, als würde sich die Zivilgesellschaft sonst nicht auch einbringen. Aufgabe der Politik ist es jetzt in erster Linie, aus den neuen Kräfteverhältnissen eine stabile Mehrheit zu formen. Natürlich mag das kompliziert sein, sich hinter der Zivilgesellschaft zu verstecken oder sie gar als Hebel nutzen zu wollen, das sorgt aber nur für Verwirrung. Und Verwirrung ist das Gegenteil von Klarheit.
"Der belgische Atomausstieg ist schwieriger als gedacht", so schließlich die Schlagzeile von De Tijd. Elia, der Betreiber der Hochspannungsnetze, hat eine neue Studie vorgelegt. Die Quintessenz steht auf Seite eins von L'Echo: "Strom-Notstand in Belgien ist größer als erwartet". Konkret: Schon die Schließung der ersten Atomkraftwerke 2023 kann zu Engpässen in der Stromversorgung führen.
Roger Pint