"Das wahre Gesicht des Vlaams Belang", titelt L'Echo. "Auf der Suche nach dem Erfolgsrezept des Vlaams Belang", heißt es bei De Tijd. "Der extreme Wandel von Tom Van Grieken: vom 'Baby Dewinter' zum idealen Schwiegersohn", schreibt De Standaard auf Seite eins.
Viele Zeitungen nutzen ihre Wochenendausgaben dazu, sich nach dem überraschenden Wahlerfolg des rechtsextremen Vlaams Belang bei den Wahlen am vergangenen Sonntag etwas näher mit dieser Partei zu beschäftigen. Neben L'Echo, De Tijd und De Standaard kündigen auch Le Soir, De Morgen und Het Laatste Nieuws auf ihren Titelseiten ausführliche Hintergrundberichte und Interviews zum Vlaams Belang an.
L'Echo meint, das in seinem Leitartikel begründen zu müssen, und führt aus: Auf keinen Fall wollen wir damit den medialen "Cordon sanitaire" brechen. Rechtsextreme Positionen haben bei uns keinen Platz. Ein Frage-Antwort-Interview mit Belang-Politikern gibt es bei uns nicht. Das zweistündige Gespräch mit dem Parteivorsitzenden Van Grieken haben wir in einen Fließtext umgewandelt. Trotzdem sehen wir es als unsere demokratische Pflicht an, ausführlich über diese Partei zu informieren. Nämlich um sie zu entlarven. Hinter der neuen Fassade bleibt der Belang so gefährlich wie immer. Er gehört keineswegs in die demokratische Parteienlandschaft. Seit den Zeiten des Vlaams Blok hat sich nichts an dem extremistischen Programm geändert, resümiert L'Echo.
Vlaams Belang ist ein Wähler-Versteher
De Morgen kommentiert: Besser als alle anderen Parteien hat der Vlaams Belang die Sorgen der einfachen Bürger verstanden. Da geht es gar nicht mal um die Angst vor Überfremdung, sondern oft um das sinkende Einkommen, die steigenden Preise, die längeren Arbeitszeiten für weniger Rente. Dass der Vlaams Belang jetzt so viel Stimmen bekommen hat, ist eben auch einem Versäumnis der anderen Parteien zu verdanken. Sie haben sich zu wenig um die Wähler gekümmert. Ihr Profil war außerdem nicht klar genug. Hinzu kommt, dass der Belang den Vorteil hat, sich nie in Regierungsverantwortung bewähren zu müssen. Schon allein deshalb rät der niederländische Populismus-Experte Cas Mudde dazu, den Cordon sanitaire aufzuheben. Dadurch stiege die Chance, dass der Vlaams Belang entzaubert würde, zitiert De Morgen den Experten.
Zum aktuellen Prozess der Regierungsbildung lobt La Libre Belgique: Der König und sein Kabinett haben ihre Aufgabe diese Woche hervorragend gemeistert. Mit der vorläufigen Ernennung von zwei Informatoren, um jetzt erst einmal die Lage zu sondieren, gibt der Palast dem Land die Ruhe, die es nötig hat. Denn die Situation scheint schrecklich kompliziert, aber bei Weitem nicht aussichtslos. Deshalb muss man erst einmal in Ruhe über alles nachdenken. Das hat der Palast jetzt möglich gemacht, freut sich La Libre Belgique.
Belgien ist nicht allein in der Welt
Ähnlich sieht das De Standaard und führt aus: Um Ordnung in die verworrene Situation zu bringen, braucht man jetzt Zeit. Sonst wird nichts gehen. Allerdings muss Belgien aufpassen, dass äußere Einflüsse unterdessen dem Land nicht schaden. Nächste Woche wird die EU-Kommission Belgien wegen des Haushaltsdefizits schelten. Der Brexit droht weiter, die Weltwirtschaft kühlt sich ab, die Börsen verlieren an Wert und Trump macht fröhlich weiter mit seinem weltweiten Handelskrieg, Stichwort Mexiko, warnt De Standaard.
Zu den von US-Präsident Donald Trump angekündigten Wirtschaftssanktionen der USA gegen Mexiko meint Le Soir: Damit will Trump ein hochpolitisches Thema – nämlich die illegale Einwanderung über die mexikanische Grenze - mit Wirtschaftssanktionen regeln. Das ist eine wahrhaftig spektakuläre Maßnahme - wie Trump es übrigens selbst genannt hat. Allerdings im negativen Sinne, und dazu noch gefährlich. Sie überschreitet eine rote Linie und fügt sich ein in die aggressive, nationalistische und fremdenfeindliche Rhetorik des US-Präsidenten, schimpft Le Soir.
Immun gegen Rechtspopulismus
Der Vorsitzende und Gründer der frankophonen Parti Populaire, Mischäel Modrikamen hat gestern angekündigt, die Partei verlassen zu wollen. Dazu notiert L'Avenir: Es ist nicht das erste Mal, dass eine Partei rechts von der MR Schiffbruch in der Wallonie erleidet - wegen Erfolglosigkeit. In den zehn Jahren ihres Bestehens hat die von einigen als rechtsextrem eingestufte PP es nie geschafft, die Massen zu bewegen. Auch die neue "Listes Desthexe" hat kaum Wähler gefunden. Woran liegt das? Ist die Wallonie, sind die Wallonen immun gegen rechtsextreme Parteien? Alles sieht danach aus. Eine linke Kultur scheint tief verwurzelt zu sein in der Wallonie. Der Wallone wird damit zu einer Ausnahmeerscheinung, stellt L'Avenir fest.
Das GrenzEcho kommt noch einmal auf die schnelle Koalitionsbildung in der DG zu sprechen. Heute durchaus kritisch. Unter anderem ist da zu lesen: Da die bisherigen Partner ProDG, SP und PFF ihre Mehrheit nach Sitzen so eben gerade verteidigen können, trägt die Demokratie keinen Schaden, wenn diese Parteien jetzt zusammen weitermachen. Empörend ist allerdings, wie diese "neue" Koalition zustande gekommen ist und welches Personal sie ins Rennen schickt. Trotz Gegenwind hält Paasch an der PFF und damit am klaren Wahlverlierer fest.
Dass die SP sagt, es habe außer Karl-Heinz Lambertz keinen anderen geeigneten Kandidaten für das Amt des PDG-Vorsitzenden gegeben, ist ein Armutszeugnis erster Klasse. Und warum zieht niemand bei den Liberalen persönliche Konsequenzen aus dem Wahlergebnis und der absteigenden Tendenz der letzten Jahre? Die Regierungskoalition hat am letzten Sonntag einen ordentlichen Denkzettel bekommen. Angekommen ist die Botschaft nicht, stellt das GrenzEcho fest.
Kay Wagner