"Das 'Ibiza-Gate' der FPÖ bringt die extreme Rechte in Verlegenheit", titelt De Standaard. "Rechtspopulisten kassieren einen herben Schlag", so die Schlagzeile von De Morgen.
Deutsche Medien hatten ein Video veröffentlicht, das viel Staub aufgewirbelt hat. Zu sehen ist der jetzt ehemalige österreichische Vizekanzler und Chef der rechtspopulistischen FPÖ, Heinz-Christian Strache, wie er mit einer angeblichen russischen Geschäftsfrau verhandelt. Unter anderem stellt Strache öffentliche Aufträge in Aussicht, wenn die Dame in die österreichische Kronenzeitung investiert. Und bei der Gelegenheit würde dann auch die Redaktion gleich mal im Sinne der FPÖ umgekrempelt.
"Der unfassbare Skandal, der Österreich in die Krise stürzt", schreibt denn auch La Libre Belgique auf Seite eins. "Videofalle führt zu Koalitionsbruch", titelt das GrenzEcho. Denn, in der Tat: Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz von der konservativen ÖVP hat jedenfalls die Koalition mit der FPÖ aufgekündigt. Im September sollen Neuwahlen stattfinden.
Hauptsache, "denen da oben" eins auswischen
Was hatte Kurz nicht Kröten geschluckt, bemerkt dazu La Libre Belgique in ihrem Kommentar. Die 18 Monate mit der FPÖ waren geprägt von mal befremdlichen, mal beängstigenden Ereignissen. Vor allem tut sich die FPÖ hervor durch fremdenfeindliche, homophobe oder neonazistische Entgleisungen. Die Affäre um das Ibiza-Video sollte jetzt, eine Woche vor der Europawahl, den Bürgern die Augen öffnen. Schließlich sind hier die Verbindungen zwischen den europäischen Rechtsextremen und Russland einmal offen zutage getreten. Und zudem hat sich hier gezeigt, dass die angeblich integren Patrioten weder die Interessen ihrer Bürger, noch die Europas verteidigen, sondern, dass sie vielmehr dazu imstande sind, ihr Land buchstäblich zu verscherbeln.
Ironischerweise haben sich ausgerechnet am letzten Wochenende in Mailand die europäischen Rechtsextremen getroffen, stichelt De Morgen. Die Salvinis und Le Pens und Annemans dieser Welt lächelten in die Kameras, siegessicher mit Blick auf den kommenden Sonntag. Was viele dieser Parteien verbindet, das sind ihre ausgezeichneten Verbindungen zum Kreml-Regime. Und das Strache-Video beweist, wie viel Einflussnahme diese Politiker bereit sind, zu akzeptieren. Das Schlimme ist aber, dass diese Feststellung nicht notwendigerweise ihr politisches Todesurteil bedeuten muss. Menschen, die solchen Parteien ihre Stimme geben, die ticken irgendwie anders. Für sie reicht es im Grunde, wenn diese Parteien sich über die gängigen Spielregeln hinwegsetzen.
De Standaard macht eine ähnliche Analyse: Spätestens seit Donald Trump und dem Brexit wissen wir, dass eine große Gruppe von gekränkten Wählern bereit ist, sehr zweifelhaften Gestalten ihre Stimme zu geben. Die Ablehnung der angeblich herrschenden Elite ist so stark, dass diese Menschen sogar gegen ihre eigenen Interessen wählen, Hauptsache, "denen da oben" wird eins ausgewischt. Und das verändert die Spielregeln. Die allgemeine Empörung über das Strache-Video ist für solche Leute allenfalls der Beweis dafür, dass es okkulte Mächte gibt, die einzig das "System" schützen wollen. Das alles nur um zu sagen: Man muss nicht glauben, dass die extreme Rechte an diesem Wochenende tödlich verwundet wurde.
"Botox und Maßanzug"
Jüngste Umfragen sagen indes auch in Belgien dem rechtsextremen Vlaams Belang gute Ergebnisse voraus. Laut einer Erhebung von Le Soir und Het Laatste Nieuws kann der Belang in Flandern auf rund 15 Prozent der Stimmen hoffen.
"Botox und Maßanzug", so fasst Gazet van Antwerpen die wahrscheinlichen Gründe für den Erfolg im Telegrammstil zusammen. Der Vlaams Belang hat eine Verjüngungskur gemacht und dabei zugleich die Kanten abgefeilt. Tom Van Grieken und Dries Van Langenhove kommen smart, jugendlich und adrett daher. Der einst offen rassistische Diskurs wird jetzt verpackt als "Islamkritik". Das Problem: Keiner einzigen Partei ist es gelungen, die Wähler des Belang zu erreichen und davon zu überzeugen, dass ein multikulturelles Zusammenleben durchaus möglich ist. Die N-VA hat vielleicht einen Moment lang dieses Publikum angesprochen; offensichtlich wollen sich aber jetzt viele wieder für das "Original" entscheiden. Die anderen Parteien haben diese Wähler indes vollständig ignoriert.
Le Soir sieht das ähnlich: "Uns erwartet womöglich ein 'Schwarzer Sonntag', aber wen interessiert's?", fragt das Blatt resigniert. Die N-VA hat sich früher vielleicht mal als Gegner des Vlaams Belang positioniert, diesmal haben sich die flämischen Nationalisten aber die Grünen als Lieblingsfeind ausgesucht. Die Erfolge von Salvini oder Le Pen sorgen beim Belang für zusätzlichen Wind in den Segeln. Es ist sehr gefährlich, in Flandern, wie in Europa, wenn man darauf wartet, dass sich die extreme Rechte selbst zerstört.
Dahinter steckt ein zynisches Kalkül der N-VA, glaubt De Morgen: Der Schatten eines rechtsextremen Konkurrenten scheint De Wever und Co. nicht zu stören. Der Grund: Der Vlaams Belang ist ein totes Gewicht in den Parlamenten, da niemand mit den Rechtsextremen koalieren würde. Und je größer das tote Gewicht, desto größer die Chance, dass die N-VA unumgänglich wird.
Der Prinz auf dem lila-weißen Pferd
Auf fast allen Titelseiten sieht man am Montag aber schließlich auch den Fußball-Nationalspieler Vincent Kompany. "Vince the Prince ist zurück" jubelt Het Nieuwsblad. Vincent Kompany kehrt ja zum RSC Anderlecht zurück; er soll Spieler und zugleich Trainer werden.
"Was für ein Coup", schreibt La Dernière Heure. Het Laatste Nieuws wird fast blumig: "Vincent Kompany, der Prinz auf dem lila-weißen Pferd".
Roger Pint