"Weyts schießt Pkw-Maut ab", titelt Gazet van Antwerpen. Und Het Nieuwsblad stellt fest: "Pkw-Maut definitiv begraben". In der flämischen Presse ist das Ende der Pkw-Maut – bevor sie überhaupt da war – das große Thema heute. Der flämische Mobilitätsminister Ben Weyts von der N-VA begründete das Aus gestern damit, dass es dafür keine Unterstützung in der Bevölkerung gebe. Diese sei verängstigt worden.
Dazu schreibt Gazet van Antwerpen: Weyts trifft seine Entscheidung nicht, weil die Pkw-Maut keine Lösung für die Staus wäre, sondern auf Druck seiner Partei. Die N-VA befürchtet, Stimmen zu verlieren, wenn der Wähler glaubt, dass ihn die Pkw-Maut Geld kosten wird. Der Vlaams Belang hatte mit einer Petition in wenigen Tagen 26.000 Unterschriften gegen die Verkehrsmaut gesammelt. So wurde die Maut zum Spielball im Kampf um rechte Wähler. Die Parteien suchen nach dem einfachsten Weg, am 26. Mai so viele Stimmen wie möglich zu holen, und setzen einen Wahlsieg über eine strukturelle Lösung für eines der größten Probleme, mit dem Flandern seit Jahren herumwurstelt, kommentiert Gazet van Antwerpen.
Het Nieuwsblad sieht das ähnlich: Dass die Pkw-Maut eine der wenigen echten Lösungen ist, wissen auch die Parteien, die sie nun als verkappte Steuer bezeichnen und mal wieder das Klischee des hartarbeitenden Flamen als Opfer hervorkramen. Politischer Mut wäre, heute etwas durchzudrücken, was nicht populär ist, aber notwendig, um etwas zu verändern. Es ist nichts Unehrenhaftes oder Ungerechtes an einer Verkehrsmaut, die hoch genug ist, um Staus zu verringern, findet Het Nieuwsblad.
Wäre ein schneller, harter Brexit nicht besser?
Het Belang van Limburg beschäftigt sich in seinem Leitartikel mit dem Brexit und dem heutigen Sondergipfel der EU-Mitgliedsstaaten, die über eine Verschiebung des Austrittsdatums entscheiden müssen. Dazu schreibt die Zeitung: Das Spektakel sorgt dafür, dass die 27 übriggebliebenen Mitgliedsstaaten immer weniger Verständnis für Großbritannien aufbringen. Sie tendieren dazu, die Briten nun wirklich vor die Tür zu setzen. Vor allem aus Paris hört man ungeduldige Töne. Wenn auf der anderen Seite des Ärmelkanals keine Nägel mit Köpfen gemacht werden, dann wird es eben ein Brexit ohne Abkommen. Ein Standpunkt, der auch bei der belgischen Regierung auf offene Ohren stößt. Ohne einen glaubwürdigen Plan der Briten hat eine Verlängerung – ob kurz oder lang – keinen Sinn.
Das war gestern auch die Meinung der Minister für Europäische Angelegenheiten in Luxemburg. Kürzliche Aussagen führender Brexiteers haben die Kontinentaleuropäer noch argwöhnischer gemacht. Aus der Ecke der britischen Hardliner kam die Drohung ständiger Blockaden, wenn das Vereinigte Königreich noch länger in der EU "gegeißelt" würde: den europäischen Haushalt verhindern, die Wahl eines neuen Kommissionspräsidenten boykottieren und so weiter und so fort. Derartige Drohgebärden sind in dem überhitzten Brexit-Klima nachvollziehbar. Sie sind aber trotzdem ernst zu nehmen.
Ein längerer Verbleib des tiefgespaltenen Vereinigten Königreichs in der Europäischen Union kann dazu führen, dass das britische Krakeelen alles andere übertönt. Ausgerechnet kurz vor den Europawahlen ist so etwas unerwünscht. Wahlen, an denen bei einer Verlängerung der Frist auch die britischen Anti-Europäer teilnehmen werden und so die Chance bekommen, den anschwellenden Chor der neuen Nationalisten und Populisten zu verstärken. Wäre da ein schneller Brexit auch ohne Deal nicht besser?, fragt Het Belang van Limburg.
Europas andere Herausforderungen
Abgesehen von der endlosen Brexit-Saga steht Europa aber auch vor anderen wichtigen Herausforderungen, findet die Wirtschaftszeitung De Tijd: beispielsweise der Einfluss Chinas oder die angedrohten Strafzölle von US-Präsident Donald Trump. Die Zeitung stellt fest: Für Europa ist es wichtiger denn je, einen eigenen Weg zu finden in einer Welt, in der alte Bündnisse auf dem Spiel stehen und neue Allianzen alles andere als evident sind. Die Beziehung zu den USA hat sich unter Trump fundamental verändert. Und China ist noch lange kein vertrauenswürdiger Partner. Aber nicht jeder EU-Mitgliedsstaat sieht das Land als Bedrohung. Für manche – vor allem im Süden und Osten Europas – sind chinesische Investitionen mehr als willkommen. Jedoch ist die chinesische Investitionspolitik eine subtile Art und Weise, um wirtschaftliche Macht und Einfluss zu erlangen und kann langfristig zu einem geteilten Europa führen, warnt De Tijd.
Nullsummenspiel Wirtschaft
Auch De Standaard mahnt die EU, trotz Brexit den Fokus auf andere Dinge zu legen. Beispielsweise auf das sich verlangsamende Wirtschaftswachstum. Der Internationale Währungsfonds meldete gestern, dass die Weltwirtschaft in diesem Jahr zwar wächst, aber mit der geringsten Rate seit der Finanzkrise. Dazu die Zeitung: Diese Entwicklung ist zum großen Teil dem gebrochenen Versprechen zuzuschreiben, dass internationaler Freihandel das Rezept für allgemeinen Wohlstand ist – sowohl in den reichen, als auch in den Entwicklungsländern. Wir sind in ein anderes Zeitalter eingetreten, in dem Konkurrenz mit Handelshindernissen und Zöllen ausgefochten wird. Wirtschaft wird immer mehr als Nullsummenspiel gesehen, in dem der eine nur dann gewinnen kann, wenn es auf Kosten des anderen geht. Es ist deshalb lebenswichtig, dass die EU sich auf ihre Position und ihren Einfluss in der Welt konzentriert. Als Handelsmacht kann sie den USA entgegentreten und muss China nicht fürchten. Dafür muss sie aber auch geschlossen auftreten und ihre Führungsrolle auch einnehmen.
Volker Krings