Nun ist er also doch zurückgetreten: Jean-Claude Marcourt, PS-Politiker und ehemals Präsident des Wallonischen Parlaments. Eine überteuerte Reise nach Dubai wurde ihm zum Verhängnis. Die hatte er gemeinsam mit dem MR-Mann und derzeit suspendiertem Greffier des Parlaments, Frédéric Janssens, angetreten. Der gilt als Worst-Practice-Beispiel, was Personal- und Finanzführung angeht.
Eigentlich hätten Vertreter der Mehrheit die Ausgaben, unter anderem die 20.000-Euro-Dubai-Reise kontrollieren sollen. Haben sie aber offensichtlich nicht. Sodass Marcourt anfangs noch seinen Rücktritt vom Rücktritt ebenjener Kontrolleure abhängig machte. Selbst auf dem sinkenden Schiff bleibt noch die Zeit für parteipolitische Spielchen in einem machtpolitischen Mikrokosmos.
So zerbricht Vertrauen - darüber sind sich alle einig, Jean-Claude Marcourt ausgenommen. Dass er seine Reise nach Dubai nicht wirklich bereut, zeigt das noch einmal mehr. Verantwortungsvoll mit Macht umgehen ist das eine - Shout-Out an Eva Kaili. Verantwortungsvoll mit öffentlichen Geldern umgehen, ist das andere. Zumindest letzteres ist offensichtlich nicht der Anspruch eines wallonischen Parlamentspräsidenten. Da lässt sich Verantwortungsbewusstsein schonmal gegen Geld eintauschen.
Genau das - nämlich verantwortungsvoll mit öffentlichen Geldern umgehen - beansprucht eine Haushaltsdebatte für sich. Womit wir in der DG angekommen wären. Im PDG wurde diese Woche vier Tage lang über die finanzielle Zukunft der Gemeinschaft diskutiert. Und der Aspekt "verantwortungsvoll" ist durch die aktuellen Krisen noch einmal mehr in den Fokus gerückt. In den letzten Jahren konnte man noch den Eindruck gewinnen, dass in der DG Geld für alles da war. Jetzt ist klar - es muss gespart werden.
Doch wo? Diese Frage zu beantworten, war das begleitende Dilemma der Oppositionsparteien. Denn die Unterstützungspakete und angepassten Dotationen fanden auch sie wichtig. Doch wie sollen die steigenden Ausgaben gegenfinanziert werden? Dafür musste teilweise das Glasfaserprojekt herhalten - die Oppositionsparteien kritisierten das schlechte Timing, den zu großflächigen Ausbau oder den zu hohen Eigenanteil der DG, die ja eigentlich gar nicht zuständig ist. Doch gerade hier agiert die Regierung - der regelmäßig Visionslosigkeit vorgeworfen wurde - mit Weitsicht.
Mehr Schulden und deren Neutralisierung fanden die Oppositionsparteien auch nicht gut. Was die Regierung wiederum zu einem vereinfachenden Urteil nutzte: Wer gegen Schulden ist, ist auch gegen Hilfspakete. "Nennen Sie uns doch Alternativen!", appellierte der Ministerpräsident immer wieder an die Opposition. Wohlwissend, dass ein kleines Fraktionsbüro es einfach nicht schaffen kann, einen alternativen Haushalt aufzusetzen.
Solche Momente überschatten, wie nuanciert die Debatten während des Haushaltsmarathons geführt wurden. Oppositions- und Mehrheitsparteien gaben sich, trotz ungleicher Ressourcen, immer wieder die Mühe, auf einzelne Punkte einzugehen. Es wurde zugestimmt, widersprochen, gewichtet und abgewägt - mal hoch emotional, mal etwas zu nüchtern. Manchmal erzählten Parlamentarier von Erfahrungen aus ihrem Umfeld, um die eigenen Argumente zu unterfüttern.
Da verwunderte es ein bisschen, dass eine Oppositionspartei von möglichen Interessenkonflikten im Parlament sprach. Im Unterrichtsausschuss sind tatsächlich fünf der neun Mitglieder als Lehrer aktiv. Auch hier braucht es Repräsentativität und damit verbunden Gleichgewicht - ganz bestimmt.
Im PDG sitzen Lehrerinnen, Unternehmer oder Kinesitherapeuten. Das ist ganz bestimmt nichts Schlechtes - es sollten sogar noch mehr Berufsbilder vertreten sein. Denn das ist Basis für Entscheidungen, die sich am Interesse des Bürgers orientieren. Das zeigte auch die Seriosität der Debatten. Und damit auch die der Parlamentarier: von denen würde wohl niemand eine 20.000-Euro-Reise nach Dubai als normal empfinden.
Andreas Lejeune
Ein wirklich guter Kommentar.
Der sorgsame Umgang mit öffentlichen Geldern war und ist immer so eine Herausforderung.Und am Umgang mit Geld sieht man wie gut oder schlecht ein politisches System ist.Der schlechte Umgang mit öffentlichen Geldern führte 1789 sogar zur Französischen Revolution.
Diese Woche muss für so manchen ostbelgischen "linken" Untertan schrecklich gewesen sein.Ist doch etwas passiert, das es eigentlich nicht geben dürfte.Nämlich die zwei Skandale, im wallonischen und europäischen Parlament.Damit das Weltbild vom "guten und aufopfernden linken Politiker" nicht ins Wanken gerät, werden diese Skandale bestimmt zu Fake News erklärt und schon ist das Weltbild wieder in Ordnung.Ist eben alles nur eine Frage der Sichtweise.Das halbvolle oder halbleere Glas Wasser lassen grüßen.
In den Parlamenten sitzen zu wenig unterschiedliche Berufsgruppen.Die heutigen Akademikerparlamente in allen westlichen Demokratie sind nicht Weisheit letzter Schluss.Da besteht Änderungsbedarf, sonst geht Glaubwürdigkeit verloren.