Belgien ist das Land der Festivals. Insbesondere in Flandern wird fast an jedem Zaunpfahl irgendwann im Sommer eine Bühne aufgebaut und Livemusik präsentiert. Kein Wunder also, dass eben auch ein Festival der Startschuss sein sollte für "das Leben nach der Krise".
Pukkelpop, der Name des inzwischen traditionsreichen Festivals, stand schon im Mai quasi zwischen den Zeilen, als die Regierungen des Landes nach ihrem Konzertierungsausschuss den "Sommerplan" vorstellten. Demnach sollten ab dem 13. August Großereignisse wieder möglich werden. "Wieso ausgerechnet am 13. August?", wird sich so mancher gefragt haben. Nun, unter Musikfreunden weiß jeder, dass Pukkelpop immer um den 15. August stattfindet. Reiner Zufall war das wohl nicht...
Hier ging es aber freilich nicht darum, den Festival-Organisatoren aus Hasselt eine Vorzugsbehandlung zu gönnen. Es war vor allem der Kalender, der Pukkelpop in die Karten spielte. Mitte August: Laut den Prognosen und Simulationen, die damals im Raum standen, sollte das der Zeitpunkt sein, an dem die Corona-Zahlen so weit zurückgegangen und die Impfquote so weit gestiegen sein sollten, dass sich das Tor ins Reich der Freiheit wieder öffnen kann. Und Pukkelpop sollte eben Signalwirkung haben: "Großereignisse sind wieder möglich", es ist diese Botschaft, die von der Festivalwiese in Kiewit bei Hasselt ausgehen sollte.
Und doch haben die Veranstalter das Handtuch geworfen. Sie machen mehr oder weniger offen die Regierung dafür verantwortlich, weil die die Testregeln angeschärft hatte. Dazu nur so viel: Es gab gute Gründe dafür; angesichts der überall steigenden Fallzahlen konnte man schlichtweg nicht untätig bleiben. Und in Hasselt hätte man wissen und auch in Betracht ziehen müssen, dass so etwas passieren kann.
Ganz abgesehen von dieser Diskussion wirft das Ganze aber doch Fragen auf. Fragen, die die Welt der wummernden Bassboxen weit übersteigt. Fragen wie: Ist das nicht doch ein Zeichen an der Wand? Konkret: In einer Phase, in der alle Risiko-Gruppen durchgeimpft sind, in einer Phase, in der sogar sieben von zehn Erwachsenen in Belgien ihre zwei Impfdosen erhalten haben, in einer solchen Phase soll es immer noch nicht möglich sein, ein Großereignis stattfinden zu lassen? Die Frage klingt berechtigt. Und sie könnte eigentlich noch auf einen kleineren und zugleich provokativen Nenner reduziert werden: Warum lassen wir uns eigentlich impfen, wenn das Reich der Freiheit am Ende doch unerreichbar bleibt? Bleibt man in dieser Argumentation, dann könnte man am Ende sogar auch der Pukkelpop-Absage noch eine Signalwirkung beimessen - ein Signal dann allerdings in die falsche Richtung.
So mag es auf den ersten Blick tatsächlich aussehen. Doch darf man ein entscheidendes Argument hier nicht übersehen. Grob gerafft: Pukkelpop ist ganz offensichtlich in erster Linie am Profil seines Publikums gescheitert. Nach eigenen Angaben waren rund acht von zehn Ticketkäufern ungeimpfte Jugendliche. Ungeimpft, weil viele von ihnen noch gar kein Impfangebot erhalten hatten. Jedenfalls hätte das dafür gesorgt, dass die meisten von ihnen mindestens einmal auf dem Gelände hätten getestet werden müssen. Nach Schätzungen wären das bis zu 20.000 Tests pro Tag gewesen, was natürlich logistisch fast unmöglich ist.
Davon abgesehen sind auch Tests nicht der Weisheit letzter Schluss. Das zeigt ein Beispiel aus dem niederländischen Utrecht. Nach einem Zweitagesfestival sind dort über 1.000 Besucher positiv getestet worden. Trotz der Tatsache, dass an der Eingangskontrolle der Nachweis erbracht werden musste, dass man geimpft oder getestet ist. Man geht davon aus, dass die Tests hier das Problem waren; unter anderem auch, weil gefälschte Nachweise kursierten.
All das lässt eigentlich nur eine Schlussfolgerung zu: Allein die Impfung ist letztlich der Schlüssel zur Freiheit. Und, wenn's auch unpopulär klingen mag: An einer Diskussion über sogenannte "Privilegien" für Geimpfte oder sogar gegebenenfalls eine Impfpflicht wird kein Weg vorbeiführen.
So ist es etwa auf Dauer nicht tragbar, dass man Pflegekräfte in Krankenhäusern oder Altenheimen arbeiten lässt, die nicht geimpft sind. Das Beanspruchen individueller Freiheit kann und darf nicht soweit gehen, dass man andere dadurch gefährdet. Und bestimmt nicht in einem solchen Beruf.
Und in Bezug auf Veranstaltungen aller Art und insbesondere Großereignisse kann es auch darauf hinauslaufen, zumindest indirekt. Denn: Wenn da oft von angeblichen "Privilegien" für Geimpfte die Rede ist, so ist diese Argumentation eigentlich seitenverkehrt. Vielmehr müsste es heißen: Geimpfte bekommen ihre Freiheiten zurück, weil nichts mehr die Beschränkung eben dieser Freiheit rechtfertigt, während Nicht-Geimpfte demgegenüber dann Einschränkungen in Kauf nehmen müssen. Umgekehrt kann es jedenfalls nicht sein, Geimpften am Ende Teile ihrer Freiheit vorzuenthalten, weil sich eine Minderheit aus zudem teilweise doch sehr verqueren Gründen nicht solidarisch zeigen will. Eben diese Leute fabulieren oft über eine angebliche Diktatur. Die Frage ist, wer da am Ende wessen Freiheit de facto beschneidet...
Roger Pint
Danke Herr Pint für diesen Kommentar, dem ich nur voll und ganz beipflichten kann.
Es wird höchste Zeit, dass Geimpfte ihre Freiheiten zurückerhalten.
Das könnte zudem nicht wenige Impfgegner zum Umdenken bewegen.
Im kommenden Winter darf die Diskussion jedenfalls nicht mehr darum gehen, der gesamten Bevölkerung einen Lockdown aufzubürden, nur weil sich die Hospitäler mit an Covid erkrankten Impfverweigerern füllen, sondern dann muss vielmehr eine allgemeine Impfpflicht in den Fokus gerückt werden.
Durch das Vorhandensein wirkungsvoller Impfstoffe hat sich die Lage im Vergleich zum letzten Winter komplett geändert.
Guter Kommentar.
Die Impfung ist der Schlüssel. Wenn drei von vier Einwohnern geimpft sind, sollte für diese keine Einschränkungen mehr bestehen. Wer sich nicht impfen lässt, muss eben mit Einschränkungen leben. Das nennt man Selbstverantwortung. Jeder ist frei, selbst zu entscheiden. Ist genau wie mit dem Genuss von Tabak und Alkohol. Die Gefahren sind allgemein bekannt. Also kann man frei entscheiden, dafür oder dagegen.