Jetzt ist es also eine Frage von Tagen und ob sie nun wirklich den Ausschlag geben. Dass die Terrassen von Kneipen und Restaurants voraussichtlich ab dem 8. Mai öffnen dürfen, statt - wie von den einen gefordert - schon am 1. Mai, oder - wie es aus epidemiologischer Sicht sinnvoller wäre - erst am 15. Mai.
Immerhin hatte Premierminister Alexander De Croo ein schlagendes Argument parat: Wenn innerhalb einer Woche 500.000 Menschen, die zur Risikogruppe gehören, zusätzlich geimpft werden und nach einer möglichen Ansteckung nicht schwer an Covid-19 erkranken, dann macht das auf jeden Fall etwas aus.
Es übersteigt aber offensichtlich den Erwartungshorizont vieler. Die Bilder von den geöffneten Terrassen in Großbritannien oder im Großherzogtum Luxemburg dürften den Appetit zusätzlich angeregt haben.
A propos Appetit: "Testen statt Lockdown" sei Wunschdenken, genau wie "Abnehmen durch Essen", twitterte der deutsche Politiker und SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach - er bezog sich damit auf den Modellversuch in der Universitätsstadt Tübingen.
Dort stiegen die Inzidenzzahlen, nachdem Geschäfte, Restaurants und Kultureinrichtungen geöffnet worden waren. Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) bezog die Steigerung aber zum Teil darauf, dass an den öffentlichen Teststationen, die jeder durchlaufen musste, der in die Innenstadt wollte, viele Infektionen gerade erst entdeckt worden seien. Noch stand aus, ob das Modellprojekt "Öffnen mit Sicherheit" über diesen Sonntag hinaus fortgeführt wird.
Immerhin wird es wissenschaftlich begleitet. Mehr aus dem Bauch heraus kommt der Ansatz von Jean-Marie Dedecker, einst erfolgreicher Judo-Trainer und, sagen wir mal: mäßig erfolgreicher rechtsliberaler Politiker. Derzeit ist er Bürgermeister im Küstenort Middelkerke und will die Terrassen am 1. Mai öffnen lassen, komme was da wolle.
Nicht ganz so weit ging diese Woche sein sozialistischer Kollege in Lüttich, Willy Demeyer. Er kündigte nur an, im Falle eines Falles nicht die Polizei schicken zu wollen - zumal die sowieso unterbesetzt sei. Inzwischen ist er etwas zurückgerudert, nachdem ihm die Staatsanwaltschaft in puncto Zuständigkeit und Verantwortlichkeit auf die Finger geklopft hat.
Selbst in der Cité Ardente wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Auch die Auslassung des für die Sicherheit zuständigen Provinzgouverneurs Hervé Jamar zur vorzeitigen Terrassenöffnung war wohl so zu verstehen, dass er nichts dem Zufall überlassen wolle.
In Ostbelgien ist es wieder mal betont ruhig geblieben. Ein Austausch zwischen den neun Bürgermeistern und der DG-Regierung kam zu dem wenig überraschenden Schluss, dass übergeordnete Regeln für alle gelten. Rien à déclarer.
Im Gemeinderat von Bütgenbach verlieh ein Ratsmitglied der Mehrheit vorsichtig der allgemeinen Unzufriedenheit Ausdruck. Wobei er sich im Klaren sei, dass dies nicht die richtige Stelle sei. Zum Glück, beschied ihn der Bürgermeister, sei die Gemeinde nicht zuständig für das Gesundheitswesen im Allgemeinen. Das wäre in der Tat eine Nummer zu groß.
Allerdings weiß er aus eigener Erfahrung, dass die Gemeinde auch in dieser Hinsicht ungefragt gefordert wird: als Kummerkasten, als Beschwerdestelle oder auch nur, um die "Prämien zur Abfederung der Folgen der Coronakrise" zu managen.
Außer ihrer Vorbildfunktion haben die Kommunalpolitiker ansonsten nur wenig Einfluss darauf, was die Bürger tun. Ein interessanter Ansatz ist, den auffälligen Corona-Zahlen in den Eifelgemeinden systematisch zu Leibe zu rücken - mit kostenlosen PCR-Tests im Drive-In. Ob's angenommen wird? Das brächte jedenfalls mehr Nutzen als ein Terrassenaufstand am 1. Mai.
Stephan Pesch