100 Jahre ostbelgische Geschichte, zu finden auf einer Webseite - für jeden zugänglich und für jeden erfahrbar. An der Entstehung der Ausstellung waren zwei Akteure beteiligt: das Zentrum für ostbelgische Geschichte und das Zentrum für zeitgenössische und digitale Geschichte der Universität Luxemburg.
Historiker Philippe Beck von der Universität Luxemburg betont, dass die Ausstellung nicht ausschließlich für Ostbelgier entworfen wurde. "Natürlich werden sich viele Ostbelgier dafür interessieren. Aber alles ist auch so zugeschnitten, dass alles für den Deutschen in Berlin, der die Gegend kaum kennt, oder für eine Person in Südfrankreich, die die Gegend kaum kennt, verständlich ist."
Zum verständlichen Einstieg in die Thematik soll auch ein kurzer Film dienen, der ganz allgemein das Spannungsfeld der Region verdeutlicht. Der "Besucher" hört dort: "Stell dir vor, du gehst als Deutscher schlafen und wachst als Belgier wieder auf. Was bedeutet das für deine Kultur, deine Sprache, deine Identität?"
Perspektiven
Der Hauptteil der Ausstellung trägt den Namen "Perspektiven". Hier kann der Besucher sich im Detail mit der Geschichte der Region auseinandersetzen. Die Anhaltspunkte wurden von den beteiligten Historikern geschaffen. "Da haben wir neun Fragen formuliert, die querbeet durch 100 Jahre ostbelgische Geschichte gehen", erklärt Philippe Beck.
"Gewisse Fragen sind chronologisch eingegrenzt auf fünf, sechs, sieben Jahre. Andere gehen wirklich durch die 100-jährige Geschichte, greifen auch manchmal etwas weiter zurück, denn in der Geschichte muss man manchmal etwas weiter zurückgehen, um eben die Entwicklungsprozesse zu verstehen."
Gestellt wird zum Beispiel die Frage nach der richtigen Bezeichnung für die Region. Beantwortet werden diese und andere Fragen mit unterschiedlichen Quellen: Texten, Filmen, Fotografien oder Interviews - zum Beispiel auch "O-Tönen" (Original-Tönen) aus dem BRF-Archiv: "In der Umgangssprache geht meine Präferenz auf alle Fälle dahin zu sagen 'Gebiet deutscher Sprache'. Das ist mein persönlicher Vorzug. Was ich auf jeden Fall ablehne und auch als provokatorisch finde, sind Begriffe wie 'Deutschbelgien' oder 'Deutsch-Ostbelgien'. 'Deutsch-Ostbelgien' klingt mir so nach 'Deutsch-Ostafrika', das passt mir gar nicht. Und 'Deutschbelgien' sind wir einfach nicht."
Explorationen
Der letzte Teil der Ausstellung ("Explorationen") ist offener gestaltet und bietet dem Besucher mehr Freiheiten, um so eigene Schlüsse ziehen zu können. "Wir wollten da als Historiker auch wirklich einen Schritt zurücktreten und die Nutzer mit unseren Quellen sozusagen experimentieren lassen", erklärt Vitus Sproten vom Zentrum für Ostbelgische Geschichte.
"Wir wollten den Nutzer erfahren lassen, wie denn ein Historiker überhaupt arbeitet. Der Besucher der Ausstellung wird ganz unterschiedliche Eindrücke auf sich zukommen sehen und muss sich dann eine eigene Meinung bilden."
Ein Quellenblock trägt den Titel 'Gender'. Dort kann der Besucher sich um die fünfzig Ausschnitte aus Interviews mit Zeitzeuginnen ansehen. "Da werden ganz unterschiedliche Themen angesprochen, die Frauen im letzten Jahrhundert in Ostbelgien betreffen", erklärt Sproten.
"Da wird beispielsweise das Thema Frauen und Politik, Frauen und das gesellschaftliche Zusammenleben, Geschlechterverhältnisse oder aber auch die ersten Scheidungen in Ostbelgien angesprochen. Also eine ganze Facette von Themen, die Frauen in dem letzten Jahrhundert betreffen."
Vor allem im letzten Bereich der Ausstellung ist der Besucher eingeladen, sich seine eigene Meinung zu bilden. Für die beteiligten Historiker ist die ganze Ausstellung ein Angebot, sich mit der Geschichte der Region auseinanderzusetzen und so etwas Neues zu lernen - über die Region und vielleicht auch über sich selbst.
Zur virtuellen Ausstellung "Zeitschichten" ...
Andreas Lejeune