Der Auftrag der "Cellule architecture de Wallonie" hört sich nobel, aber auch etwas sperrig an: Erfassung und Förderung der Baukultur. Da erwartet vielleicht so mancher Besucher Bilder von neuer Architektur. Doch in der Ausstellung "Fluctuations" geht es um Gebäude, die erst in Zukunft gebaut werden sollen und gegen zukünftige Überflutungen gewappnet sind. Anlass ist die Nacht vom 14. Juli 2021, und damit die Nacht, in der auch das Wesertal seine schlimmste Flutkatastrophe erfahren hat.
Die "Cellule architecture de Wallonie" hat das Thema wissenschaftlich aufgegriffen, ohne die traumatischen Erfahrungen auszublenden. Mit Bildern und Zeugnissen von Hochwasseropfern beginnt dann auch die Ausstellung. Zur Traumabewältigung gehöre aber auch der Blick nach vorne, sagt die Direktorin der "Cellule architecture de Wallonie", Audrey Contesse. Man müsse Fluss und Anwohner wieder versöhnen. Das Hochwasserrisiko bleibe. Man müsse lernen, wieder mit der Umwelt zu leben und den Klimawandel zu antizipieren.
Kulturministerin Isabelle Weykmans hatte die Ausstellung in Lüttich besucht und ist schnell überzeugt gewesen, dass sie auch in Eupen gezeigt werden sollte. "Weil ich fand, dass der Blick, der gemacht wurde, auf die Ereignisse von 2021, ganz interessant war. Man hat die wissenschaftliche Perspektive eingenommen, wie Mensch und Wasser gemeinsam leben können. Aber man hat auch das sehr Emotionale aufgenommen. Das heißt, die Erfahrung der Menschen entlang der Weser in dieser schrecklichen Nacht. Diese Mischung ist interessant. Auch das ist wichtig in der Verarbeitung dieses schrecklichen Erlebnisses. Deshalb war es mir wichtig, die Ausstellung nach Eupen zu bringen und zu zeigen, wie es in Eupen war."
Kuratiert wird die Ausstellung im Alten Schlachthof von Chudoscnik Sunergia in Person von Miriam Elebe. Sie hat Wert darauf gelegt, dass die Ausstellung nicht nur die Lütticher Perspektive zeigt, sondern auch die Eupener. "Wir wollten diese Ausstellung nicht eins zu eins so zeigen, wie sie in Lüttich gezeigt wurde, sondern wir wollten Eupen mit einbeziehen. Vor allem weil Eupen ja auch betroffen war. Und das kann man am besten anhand von Fotografien. Und die Fotografien von Michael Bohn waren prädestiniert für diese Ausstellung."
Zwanzig seiner Bilder hat Fotograf Michael Bohn für die Ausstellung ausgewählt. Bilder, die der Unterstädter nach der Hochwasserkatastrophe gemacht hat, aus der Sicht eines Betroffenen, dessen Galerie völlig zerstört wurde. "Das sind auch Fotos, die ich nicht unbedingt bewusst gemacht habe. Das sind mehr Schnappschüsse, die mehr bei Spaziergängen entstanden sind. Ich habe nicht wirklich die Motivation gehabt, meine Fotoausrüstung zu nehmen und diese Bilder zu machen. Ich hätte sie eigentlich lieber nicht machen müssen." Auch die Auswahl der Bilder sei kein Vergnügen gewesen. Gerne hätte er mehr gezeigt.
Die Ausstellung "Fluctuations" wagt einen großen Spagat, von starken Emotionen bis hin zur wissenschaftlichen Analyse. Ein Ort der Erinnerung und der Zukunftsperspektiven. Kein leichter Stoff. Deshalb gibt es auch viele Texte zu den Exponaten. Es besteht außerdem die Möglichkeit, an einer Führung in Anwesenheit der Ausstellungsmacher teilzunehmen, am 29. Januar oder am 5. Februar.
Mehr Infos zur Ausstellung gibt es auf der Webseite des Alten Schlachthofs.
Manuel Zimmermann