Einen Tag nach dem angeblichen Brexit-Durchbruch sind am Donnerstag zwei britische Kabinettsmitglieder zurückgetreten. Zuerst legte Brexit-Minister Dominic Raab sein Amt nieder, kurz darauf folgte Arbeitsministerin Esther McVey. Beide protestieren damit gegen das Brexit-Abkommen, das den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union und Übergangsfragen regeln soll. Großbritannien will Ende März 2019 die Europäische Union verlassen.
Für Premierministerin Theresa May sind die Rücktritte ein schwerer Rückschlag. Erst am Mittwochabend hatte May ihrem Kabinett nach stundenlanger Debatte die Zustimmung zu dem Entwurf abgerungen. Das Unterhaus wird voraussichtlich erst im Dezember über das Abkommen abstimmen.
Brexit-Minister und Arbeitsministerin
Raab ist bereits der zweite Brexit-Minister, der im Streit mit May hinwirft. Im Juli hatte sein Vorgänger David Davis das Amt abgegeben. Grund für seinen Rücktritt sei, dass der Entwurf wegen der Bestimmungen zu Nordirland die Einheit des Landes gefährde, schrieb Raab in einem Brief an die Premierministerin. Zudem könne er keine Vereinbarung akzeptieren, die Großbritannien unbegrenzt an die EU binde. Er bezieht sich damit auf den sogenannten Backstop, der garantieren soll, dass es keine Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland geben wird.
"Keine demokratische Nation hat je einem so umfassenden Regime zugestimmt, das von außen auferlegt wird, ohne jegliche demokratische Kontrolle über die angewandten Gesetze oder die Fähigkeit, die Vereinbarung zu verlassen", schrieb Raab.
Esther McVey galt als schärfste Kritikerin des Brexit-Abkommens im Kabinett. Die 51-Jährige aus Liverpool ist eine ehemalige TV-Moderatorin und hat auch in einem Familienunternehmen gearbeitet. Erst im vergangenen Januar war McVey zur Arbeitsministerin ernannt worden. Sie hatte zuvor schon als Staatssekretärin in dem Ministerium gearbeitet.
Nordirland-Staatssekretär und Brexit-Staatssekretärin
Auch die britische Brexit-Staatssekretärin Suella Braverman ist von ihrem Amt zurückgetreten. Das teilte Braverman am Donnerstag per Kurznachrichtendienst Twitter mit.
Früher am Morgen hatte auch der britische Nordirland-Staatssekretär Shailesh Vara sein Amt niedergelegt. Der Tory-Politiker nannte Großbritannien eine "stolze Nation", die nicht darauf reduziert werden sollte, den Regeln anderer Länder zu gehorchen. "Die Menschen in Großbritannien verdienen Besseres", erklärte Vara per Twitter.
Weitere Rücktritte erwartet
Britische Medien rechneten mit weiteren Rücktritten von Politikern aus Protest gegen die Brexit-Pläne der Premierministerin. Als mögliche Rückzugskandidaten wurden unter anderem Handelsminister Liam Fox und Entwicklungshilfeministerin Penny Mordaunt genannt.
Raab ist wie sein Vorgänger David Davis, für den er eine Zeit lang als Büroleiter arbeitete, ein Brexit-Hardliner. Davis war bereits im Juli 2018 zurückgetreten, kurz darauf legte auch Außenminister Boris Johnson sein Amt nieder.
Kurz nach der Ernennung Raabs zum Brexit-Minister hatte May die Brexit-Verhandlungen zur Chefsache erklärt. Sie teilte Raab eine Stellvertreterrolle bei den Gesprächen mit Brüssel zu.
Nicht immer machte Raab als Brexit-Minister eine glückliche Figur: So handelte er sich mit einer Äußerung zum Handel zwischen Großbritannien und dem Kontinent heftigen Spott ein. Ihm sei das volle Ausmaß der Bedeutung des Ärmelkanals für den Handel nicht klar gewesen, hatte Raab bei einer Konferenz in London gesagt.
Sondergipfel
EU-Ratspräsident Donald Tusk berief unterdessen einen Sondergipfel ein, um den Austrittsvertrag der Europäischen Union mit Großbritannien unter Dach und Fach zu bringen. Das Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs soll am 25. November in Brüssel stattfinden.
In einer fünfstündigen Debatte hatte sich May am Mittwochabend die Zustimmung ihres Kabinetts für den Entwurf des Brexit-Abkommens gesichert. Sie wollte das 585 Seiten starke Dokument an diesem Donnerstagvormittag dem Parlament in London vorstellen.
Dabei muss sie sich allerdings auf starken Gegenwind einstellen. May dürfte erhebliche Probleme haben, für den Deal eine Mehrheit im Unterhaus zu finden, das den Vertrag später ratifizieren muss.
Die Opposition hatte bereits angekündigt, gegen das Abkommen zu stimmen. Herbe Kritik kam auch von Brexit-Hardlinern in ihrer eigenen Partei und der nordirischen DUP. Mays Minderheitsregierung ist auf die Unterstützung der DUP-Abgeordneten angewiesen.
May stellt Brexit-Entwurf im Parlament vor – EU plant Sondergipfel
dpa/cd/est/mg