"Der Aufbau des Fahrzeugs ist neu, das technische Reglement hat sich komplett verändert - und dazu kommt noch das Hybrid-System, was das Ganze noch ein bisschen komplizierter macht für uns Fahrer und die Möglichkeiten erhöht, verschiedene Strategien zu fahren", erklärt der Rallyeprofi aus St. Vith.
Durch das Hybrid-System im Auto gibt es neben der Leistung aus dem Verbrennungsmotor zu bestimmten Momenten zusätzliche Power. Wenn es gerade nicht Renntempo sein muss, sind die Fahrzeuge dann auch schon mal rein elektrisch unterwegs. Aber zum Beispiel beim Start in die Wertungsprüfung gibt es volle Power, oder auch beim Beschleunigen aus der Kurve heraus.
Aber dadurch gibt es auch zusätzliche Aufgaben für die Fahrer. "Das Reglement sieht vor, dass es ein Minimum-Ziel gibt, was man erreichen muss bei jedem Anbremsen einer Kurve, um die Batterie etwas aufzuladen. Und nur dann, wenn dieses Ziel erreicht wurde, kann man auch wieder etwas zusätzliche Energie beim Beschleunigen abrufen", erklärt Neuville.
"Zu Beginn der Entwicklungsfahrten fühlte das Ganze sich relativ schwierig an und schien sehr kompliziert. Aber im Laufe der letzten Monate haben wir uns doch um einiges weiterentwickelt, wir konnten das System besser auf den Punkt bringen. Und ich denke, dass wir jetzt gut gewappnet sind, um in die neue Saison zu starten."
Dabei sind die letzten Wochen sehr turbulent verlaufen. Bei den Testfahrten hatten Neuville und Beifahrer Wydaeghe einen heftigen Unfall, Wydaeghe brach sich das Schlüsselbein und musste operiert werden. "Ich bin aber wieder völlig fit", sagt er. "Es war ein anstrengender Monat, viel Training und Reha, um körperlich wieder auf der Höhe zu sein. Aber ich bin startklar für die Saison."
Neben dem Crash kam dann auch noch die Nachricht, dass Teamchef Andrea Adamo die Truppe verlässt. Nicht die ideale Vorbereitung, gibt auch Neuville zu. "Es wäre gelogen zu sagen, dass es nicht stört. Aber das Team hat nicht aufgehört zu arbeiten und zu kämpfen. Obwohl jetzt unser Teamchef leider das Team verlassen hat, ist in der Werkstatt selbst alles weiter gelaufen und die verschiedenen Departments haben gut zusammengearbeitet. Wir sind jetzt startklar für die neue Saison."
Großes Fragezeichen
"Mit lauter Spannung warten wir alle darauf, zu erfahren, wo wir im Vergleich zur Konkurrenz stehen. Das ist das große Fragezeichen im Moment. Wir wissen noch nicht, wie schnell die anderen Teams mit der Entwicklung vorangekommen sind. Aber ich denke, nach einigen Rallyes werden wir dann schon sehen, wer die Oberhand hat."
Spannende Zeiten in Sicht, viel Neues, viel Ungewisses. Und trotzdem ist der Saisonstart für Neuville und Wydaeghe andererseits entspannter als letztes Jahr, als Wydaeghe erst in letzter Sekunde als neuer Beifahrer einsprang und nur zwei Tage Zeit hatte für die Vorbereitungen. Inzwischen sind die beiden ein eingespieltes Team.
"Letztes Jahr musste ich die Rallye innerhalb von zwei Tagen vorbereiten, jetzt hatten wir Zeit seit der letzten Rallye in Monza", erklärt Wydaeghe. "Wir haben ein neues Auto, müssen uns an viele Dinge anpassen. Aber das Ziel bleibt dasselbe: den Herstellertitel einfahren und wenn möglich auch den Fahrer- und Beifahrertitel."
Das Ziel ist also klar für die Weltmeisterschaft 2022. Erste Station: die Rallye Monte-Carlo in etwas mehr als einer Woche.
Rallye Monte-Carlo mit elf Topautos
Beim Saisonauftakt sind nicht nur die Titelkandidaten von Hyundai - Thierry Neuville und Ott Tänak - und Toyota - Elfyn Evans und Kalle Rovanperä - dabei, sondern auch die zwei Sebs.
Weltmeister Sébastien Ogier fährt zwar keine komplette Saison mehr, seine Heimrallye lässt er sich aber nicht entgehen. Sébastien Loeb meldet sich im Ford Puma Rally1 von M-Sport zurück. Auch er fährt nicht die volle Saison, M-Sport setzt auf Craig Breen, der im Titelkampf mitmischen will, und auf Gus Greensmith und Adrian Fourmaux.
Vier Autos hat auch Toyota in Monte-Carlo am Start, den vierten GR Yaris Rally1 steuert Takamoto Katsuta. Im dritten Hyundai i20 N Rally1 sitzt Oliver Solberg.
Grégoire Munster und ... Freddy Loix!
In der zweiten Liga WRC2 wollen zwei belgische Teams vorne mit dabei sein: Grégoire Munster aus Verviers mit Beifahrer Louis Louka im Hyundai - und zwei alte Bekannte: Freddy Loix und Pieter Tsjoen im Skoda Fabia! Beifahrer Renaud Jamoul ist mit dem Franzosen Stéphane Lefebvre am Start und wohl einer der heißesten Kandidaten auf den Klassensieg. In der RC5-Klasse ist ein belgisches Team dabei, Tim Vanparijs und Kurt Heyndrickx im Renault Clio.
Katrin Margraff