Yves Matton, was ist der Zweck des Nachwuchsprogramms "FIA Rally Star"?
Es ist ein Programm zur Förderung junger Piloten auf globaler Ebene. Die FIA arbeitet immer mehr, gemeinsam mit der Rallye-WM (WRC), an der globalen Entwicklung des Rallye-Sports. Im Moment sehen wir, auch wenn wir Meisterschaften auf der ganzen Welt haben, immer noch eine starke europäische Konzentration, insbesondere auf der Ebene der Fahrer, die auf höchstem Niveau ankommen. Deshalb haben wir auf jedem Kontinent eine Talentsuche gestartet, die wirklich an der Basis beginnt, entweder über E-Gaming oder über Slalom-Wettbewerbe. Wir fangen unten an, um Talente zu erkennen und dann mit ihnen weiterzuarbeiten. Sechs Fahrer werden ausgewählt, auch eine Frau, die am Ende die Junior-WM fahren werden und dann hoffentlich weiter aufsteigen. Jeder kann sich einschreiben, auch wenn er nicht viel Geld hat, und eines Tages vielleicht in der Weltmeisterschaft fahren.
Belgien ist nicht auf der Liste der Länder, die teilnehmen. Liegt das daran, dass es in Belgien bereits ein Nachwuchsförderprogramm gibt, das gut funktioniert?
Nichts hindert den RACB daran, sich dem Programm noch anzuschließen und einen Wettbewerb in Belgien auszurichten. Oder sie schicken uns ein Talent aus dem Wettbewerb, den es ja schon gibt. Es gibt andere Länder, die das so machen. "Rally Star" versteht sich als Angebot an die nationalen Verbände, als zusätzliches Werkzeug. Es stimmt, wir haben uns erstmal auf die Länder konzentriert, die noch keinen eigenen Nachwuchswettbewerb haben. Das eine schließt das andere aber nicht aus.
Lassen Sie uns über die Rallye-WM sprechen. Dieses Jahr ist ein etwas normales Jahr als 2020, wenn ich das so sagen darf. Wie sieht es für den Rest der Saison aus?
Uns ist es gelungen, die ersten drei Läufe durchzuführen. Jetzt geht es nach Portugal, das wäre Nummer vier - also schon mehr als die Hälfte von dem, was wir letztes Jahr geschafft haben. Vor allem aber ist es ein gutes Omen. Es bedeutet, dass wir einen Weg gefunden haben, der es uns ermöglicht, Veranstaltungen abzuhalten. Wir sind sehr optimistisch, die zwölf Rallyes, die im Kalender stehen, durchführen zu können. Natürlich ist man nie vor einer Überraschung sicher. Durch die Krise haben wir gelernt, dass wir vor allem flexibel sein müssen. Aus diesem Grund haben wir auch Reserve-Veranstaltungen vorgesehen - für den Fall, dass eine Veranstaltung doch nicht organisiert werden könnte.
Auch in Belgien ist die WM dieses Jahr zu Gast. Was bedeutet das für Sie als Belgier?
Ich bin stolz darauf, daran mitgewirkt zu haben, die WRC nach Belgien zu bringen. Außergewöhnliche Umstände erfordern außergewöhnliche Herangehensweisen. Vorher war es ja fast undenkbar, dass die WM nach Belgien kommt. Ich würde sagen, dass wir unser Glück dieses Jahr richtig auskosten sollten, denn wie es danach weitergeht, wissen wir nicht. Auf jeden Fall ist es ein großes Ereignis für ein Land, das eine lange Motorsport-Tradition hat und sicherlich eine echte Rallye-Kultur. Es sind ganz schön viele Belgier im Rallye-Sport vertreten, auch auf höchster Ebene. Ich denke, es ist wirklich etwas Außergewöhnliches und für jeden Rallye-Fan ist es fantastisch, die WRC in Belgien zu haben.
In Krisenzeiten muss man also kreativ sein, auch oder gerade als Weltautomobilverband?
Vor allem muss man super-flexibel sein. Das ist nicht unbedingt die große Stärke eines solchen Verbands, aber durch die Krise waren wir gezwungen, uns selbst in Frage zu stellen. Wir mussten einen anderen Blick auf die Dinge werfen und herausfinden, wie wir vor allem die Entscheidungsprozess schneller machen. Das ist uns bei der FIA gelungen. Wir haben es letztes Jahr geschafft, eine Weltmeisterschaft zu organisieren und einen Titel zu vergeben, der den Namen verdient hat. Und ich denke, dass wir in diesen komplizierten Zeiten einiges bewegt haben. So manche Einstellung hat sich verändert.
Eine große Veränderung steht auch noch direkt bevor: Nächstes Jahr wird in der Rallye-WM die Hybrid-Ära eingeläutet. Wie sieht das konkret aus?
Die Autos sind den Autos, die wir derzeit haben, ziemlich ähnlich. Für die Zuschauer, die an der Strecke stehen, wird keine grundlegende Änderung zu erkennen sein. Obschon es natürlich eine grundlegende Änderung gibt, auch in Bezug auf die Sicherheit. Die Fahrzeuge werden auf einem Rohrrahmenchassis aufgebaut, das ist völlig neu. Dank der Hersteller haben wir Crash-Tests mit den derzeitigen Autos durchgeführt, um zu sehen, wo wir in Sachen Sicherheit momentan stehen. Und so konnten wir eine Sicherheitszelle entwickeln, die noch ein Stück über dem derzeitigen Niveau liegt. Das ist die erste Änderung.
Die zweite Änderung ist die Einführung eines Hybridsystems im Auto, das für alle Hersteller gleich ist und von Compact Dynamics bereitgestellt wird, nach einer Ausschreibung der FIA. Der Hauptgrund für das einheitliche System ist die Kostensenkung. Wir wollen verhindern, dass die Kosten explodieren. Dieses System kann jedoch von jedem Fahrer nochmal fein-getunt werden. Wie die Zusatzenergie genutzt wird, wie das Hybridsystem eingestellt wird, kann jeder entscheiden.
Das bedeutet vor allem auch, dass unser Sport nachhaltiger wird. Wir führen ab 2022 auch nachhaltigen Kraftstoff ein. Es wird die erste FIA-Weltmeisterschaft, die mit nachhaltigem Kraftstoff fährt. Der Nachhaltigkeits-Gedanke war unerlässlich, um die Hersteller zu überzeugen.
Wie genau wird das Hybrid-System eingesetzt? Es wird also auf den Verbindungsetappen genutzt, aber auch auf den Wertungsprüfungen?
Genau. Auf den Verbindungsetappen zwischen den Wertungsprüfungen fahren die neuen Autos rein elektrisch. Und in den Wertungsprüfungen kann dann zusätzliche Energie abgerufen werden. Zum Beispiel beim Start, aber auch als Zusatz-Boost zu bestimmten Momenten auf der Strecke, zum Beispiel aus der Kurve heraus. Das System kann so eingestellt werden, dass es in einer bestimmten Phase zum Einsatz kommt, so wie der Fahrer es möchte. Um es zusammenzufassen: Man kann das System mehr oder weniger aggressiv einstellen. Je stärker der Boost, desto weniger lange oder oft kann man ihn einsetzen. Je schneller man den Energiespeicher leert, je schneller muss man ihn auch wieder aufladen. Es ist also eine ganz Strategie: Öfter weniger Energie verbrauchen oder seltener mehr Energie? Das müssen Fahrer und Ingenieure absprechen.
Die drei Hersteller, die jetzt in der WM sind, haben bereits unterschrieben. Sind noch andere Hersteller in Sicht?
Die drei Hersteller haben nicht nur unterschrieben, sondern sogar für drei Jahre unterschrieben. Das war vorher noch nie der Fall. Bisher wurden die Hersteller aufgefordert, bis Mitte Dezember für das Jahr danach zu unterschreiben. Jetzt haben wir es geschafft, Drei-Jahres-Verträge von 2022 bis 2024 zu unterzeichnen, was für die Meisterschaft sehr positiv ist, da jeder Akteur nun weiß, dass die Hersteller drei Jahre da sein werden, was Investitionen erlaubt. Wir stehen in Kontakt mit zwei anderen Herstellern. Sie werden 2022 noch nicht da sein, das liegt auf der Hand. Es gibt jedoch zwei Hersteller, die an der Rallye-WM interessiert sind, weil sie den Wert als Marketing-Instrument erkennen, dank des Hybrid-Systems und des nachhaltigen Kraftstoffs.
Wer sind die Hersteller?
Sagen wir, sie kommen eher aus der asiatischen Ecke.
Katrin Margraff