Filmreifes Finale bei den 24 Stunden auf dem Nürburgring: Nach einer Zeitstrafe für den Porsche #911 kämpften Sonntagmittag drei Autos um den Sieg. Der Audi #28 fiel aber durch einen Reifenschaden zurück. Der Mercedes #6 musste nach einer Kollision abgeschleppt werden.
Nur der Audi #4 kam ohne Ärger durch. Zwei Stunden vor Schluss übernahm Frédéric Vervisch die Spitze – der sechste Führungswechsel des Rennens. Vervisch und seine Kollegen Dries Vanthoor, Pierre Kaffer und Frank Stippler brachten den Sieg ins Ziel. Für Porsche blieb nur Platz zwei. Den dritten Rang sicherte sich der Mercedes #3 von Maxi Buhk, Hubert Haupt, Thomas Jäger und Luca Stolz.
Fred Vervisch fuhr nicht nur die 24 Stunden, sondern auch schon die drei Tourenwagen-Rennen im Rahmenprogramm und erzielte dort ebenfalls Top-Resultate. Für ihn war es das Wochenende seines Lebens. "Ja, das kann man so sagen. Es ist einfach unglaublich. Wir haben teilweise Glück gehabt, aber auch gut gearbeitet und keine Fehler gemacht. Das war der Schlüssel zum Erfolg."
"Aber auch ich war ein paar Mal in der Situation, dass ich gedacht habe: Jetzt ist es aus. Ich musste so ans Limit gehen, da ist viel Risiko dabei. Denn von der reinen Geschwindigkeit her hatten wir keine Chance. Aber wir sind fehlerfrei geblieben, haben 200 Prozent gepusht. Und der Porsche, der so viel schneller war, hat einen Fehler gemacht. Wir waren immer in der Nähe und haben den Sieg abgestaubt."
Für Vervisch ist es der erste Sieg auf dem Nürburgring, genau so wie für Teamkollege Dries Vanthoor. Mit seinem Bruder Laurens im Porsche auf Platz zwei feiert er einen Doppelsieg. "Für unsere ganze Familie ist das toll: zwei Brüder auf dem Podium. Es ist super, dass wir gegeneinander fahren können. Und es ist toll, dann am Ende gemeinsam auf dem Podium zu stehen und das zu teilen, miteinander zu reden. Ein emotionaler Moment."
"Natürlich war es nicht schön zu sehen, dass er den ersten Platz abgeben musste. Aber ein kleiner Fehler passiert schnell. Auf der einen Seite bin ich zu 100 Prozent zufrieden mit unserem Ergebnis. Auf der anderen Seite fühle ich mit ihm."
Zeitstrafe für den Spitzenreiter
Der Porsche #911 von Laurens Vanthoor, Earl Bamber, Michael Christensen und Kevin Estre hatte lange vorne gelegen – über rund zwei Drittel der Renndistanz. Estre eroberte nach fünf Rennstunden die Führung von dem Mercedes #2, der von der Pole Position gestartet war. Bis drei Stunden vor Schluss fuhr das Team eine Führung von anderthalb Minuten heraus.
Wegen einer Geschwindigkeitsübertretung während einer Gelbphase verpassten die Rennkommissare dem Porsche #911 dann aber eine Zeitstrafe von fünfeinhalb Minuten. "Ich habe es ganz einfach nicht gesehen", erklärte Laurens Vanthoor. "Wir hatten seit zwei Stunden Probleme mit dem Funk und ich steckte mitten im Verkehr. Ich kann gar nicht beschreiben, wie das sich anfühlt."
Nach dem Absitzen der Zeitstrafe ging der Porsche auf Platz zwei zurück auf die Strecke. Kurz sah es danach aus, als ob er dem Audi noch einmal nahe kommen könnte, musste sich aber am Ende mit einer Runde Rückstand geschlagen geben. "Wenn ich es jemandem außer uns gönne, ist das natürlich mein Bruder. Ich bin sehr stolz auf ihn. Trotzdem ist der Frust groß und wird auch noch eine Weile lang anhalten", sagte der große Bruder.
Porsche und Mercedes geschlagen
Vier Stunden vor Schluss war Porsche noch auf Doppelsieg-Kurs. Hinter der #911 lag der Porsche #31 von Dumas-Campbell-Müller-Jaminet bis kurz vor Mittag auf Platz zwei, ehe ein Reifenschaden ihn zurückwarf. Der Titelverteidiger-Porsche #1 hatte in der Anfangsphase in Führung gelegen, erlitt aber ebenfalls einen Reifenschaden.
Die beiden Mercedes, die aus der ersten Startreihe ins Rennen gegangen waren, spielten in der Endphase keine Rolle mehr. Der Mercedes #2, der von Startplatz eins in Rennen gegangen war, wurde in der Nacht in eine Kollision verwickelt. Der Mercedes #48, der von Platz zwei gestartet war und Sonntagmorgen auf dem dritten Platz lag, fiel nach einem Dreher und einem Einschlag in die Leitplanke zurück.
Favorit BMW erlebte ein rabenschwarzes Wochenende. Schon nach den ersten Rennstunden waren vier der schnellen Vertreter ausgeschieden. Der beste BMW kam nur auf Platz sechs.
Ostbelgier auf P14 und P74
Der Mercedes-AMG GT3 #17 von Markus Palttala kam auf Gesamtrang 14. Olivier Muytjens aus Lichtenbusch erzielte im Toyota GT86 Cup #123 Gesamtrang 74 und Platz zwei in seiner Klasse. "Schon das Qualifying war super-eng. Fünf Autos innerhalb von vier Sekunden. Das hört sich nach viel an, aber auf einer so langen Strecke ist das wenig."
"Im Rennen hatten wir eigentlich keine Probleme, nur dass sich heute Nachmittag eine Bremsleitung gelöst hat. Und Brody hatte eine leichte Berührung mit einem Mercedes, bei der aber nichts passiert ist. Vielleicht hätten wir am Anfang ein bisschen mehr attackieren müssen. Denn der Führende hatte eine halbe Runde Vorsprung aufgebaut, die wir nicht mehr aufholen konnten."
"Es ist eine ganz besondere Atmosphäre. Der Rauch vom Grillen schwebt über die Rennstrecke, dann kommt das Feuerwerk. Besonders die Nachtstimmung ist wirklich schön. Dann die ganzen Autos, man schaut ständig in den Rückspiegel, ob schnellere Autos kommen. Dazu der Kampf mit den Autos aus der gleichen Klasse. Es ist wirklich ein besonderes Rennen."
Markus Palttala: Das verrückteste Rennen auf diesem Planeten
Katrin Margraff