Es fühlt sich ein bisschen an wie der erste Schultag. Ich bin eine von einem Dutzend Anfängern, die ihre erste Fahrstunde kaum abwarten können, aber zuerst Theorie pauken müssen. Der Entdeckungstag im VW Funcup ist perfekt für blutige Anfänger wie mich, erklärt Jean-Marc Ponteville, der PR-Manager von Volkswagen Belgien.
"Die Teilnehmer haben keine oder sehr wenig Erfahrung. Das ist der ideale Moment, um zu starten. Heute Nachmittag wird alles erklärt: Wie das Auto funktioniert, wie man auf einer Rennstrecke fahren muss, ... Es wird alles gemacht, damit unsere Anfänger sicher starten können."
Bernard Heine weist uns ein. Erst gibt es ein paar Infos über die Autos, die wir gleich steuern werden: Funcup-Zweisitzer Evo3 mit Heckantrieb, Zwei-Liter-Saugmotor und 170 PS für 850 Kilo. Dann ist die Rennstrecke dran. Der Kurs von Mettet ist 2,2 Kilometer lang und technisch anspruchsvoll. Wir sind also vorgewarnt.
Und dann lernen wir, wie welche Kurve gefahren wird. Für uns Anfänger stehen Hütchen am Streckenrand - als Orientierungshilfe für die Ideallinie. Auch Kurvenkombinationen bekommen wir genau erklärt. Und bei mir kommt so langsam leichte Prüfungsangst auf. Aber Jean-Marc Ponteville beruhigt: Ich bin schließlich nicht alleine im Auto.
"Man startet mit einem Instrukteur und kann das Auto entdecken. Man kann zum ersten Mal auf einer Rennstrecke fahren, das Auto kennenlernen, die ideale Linie lernen und alles, was wichtig ist. Es ist auch für jemanden, der nie auf einer Rennstrecke und nie Rennwagen gefahren ist, ganz einfach und kein Problem."
"Jeder kann ein Funcup-Auto fahren"
Zum Abschluss der Einführung für Fahranfänger gibt es noch ein bisschen Theorie über periphäres Sehen und die richtige Sehtechnik für die Rennstrecke. Und dann geht es auch schon fast los. Wir werden alle in Rennanzüge gesteckt, bekommen Schuhe, Helm und Handschuhe, bevor es auf die Strecke geht. Erst ein paar Runden mit dem Fahrlehrer. Und dann darf ich endlich auf der Fahrerseite in den Rennwagen klettern.
"Jeder kann ein Funcup-Auto fahren", sagt Ponteville. "Das erste Gefühl ist, dass das Auto schwer ist. Es gibt keine Hilfen wie zum Beispiel eine Servolenkung. Es ist ein richtiger Rennwagen, der auch das Gefühl gibt, in einem Rennwagen zu sitzen. Natürlich ist das anders als in einem gewöhnlichen Auto. Das ist ja gerade das Interessante am Funcup."
Der Funcup-Käfer fährt sich tatsächlich fast wie ein ganz normales Auto. Ich sitze in einem Modell mit Schaltwippen und brauche nach dem Losfahren nicht mehr zu kuppeln. Wann ich schalten muss und wo ich wie schnell fahren kann, sagt mir mein Instrukteur Didier Noirhomme. Ganz wichtig: Am Anfang nicht übertreiben.
"Wer schnell fahren will, muss erst einmal langsam fahren können. Das ist wie beim Marathon. Da muss man auch erstmal 500 Meter richtig laufen können. Wer langsam fährt, hat Zeit, Orientierungspunkte zu finden und alles richtig zu lernen", erklärt Noirhomme. Er war früher selbst Rennfahrer und gibt seit über 30 Jahren Fahrunterricht.
Dabei kommt er auch schonmal in kuriose Situationen. "Ein junger Kerl hat mir mal vor einer Fahrstunde auf meine Frage hin gesagt, er würde Francorchamps gut kennen. Und dann, vor Combes, bremst er nicht. Ich habe gebrüllt: Brems, brems! Er meinte dann: Das ist ja ganz anders als auf der Playstation ... Seitdem frage ich immer ausdrücklich, ob der Fahrer schon auf der Strecke gefahren ist."
Fortschritte
Ich kenne die Rennstrecke von Mettet weder aus Videospielen, noch aus eigener Erfahrung und muss mich erst eingewöhnen. "Es gibt zwei Arten von Anfängern: Diejenigen, die wirklich was lernen wollen und wissen, dass sie noch nichts können. Und diejenigen, die überhaupt nicht zuhören. Du gehörst zur ersten Kategorie. Dann macht das Unterrichten wirklich Spaß und es ist schön, am Ende den Fortschritt zu sehen."
Nach meinem ersten Durchgang sind erstmal die Kollegen dran und ich kann verschnaufen. Als ich zum zweiten Mal ins Auto steige, gibt Didier mir weniger Informationen und ich muss selbst entscheiden, wann und wo ich bremse und welche Linie ich fahre. Die Hütchen helfen.
Das Urteil meines Fahrlehrers: "Erst war es nicht einfach, weil du das Auto und die Strecke kennenlernen musstest. Der zweite Durchgang war wirklich gut. Und dann im dritten Durchgang, naja ... Entweder wolltest du zu viel, weil es vorher gut geklappt hatte. Oder du warst einfach erschöpft."
Keine Glanzleistung, schon in der dritten Kurve hätte ich mich beinahe gedreht. Das nennt man wohl "übermotiviert". Nach drei Durchgängen von 20 Minuten bin ich durch. Für mehr würde meine Kondition auch nicht ausreichen. Ich bin geschlaucht und dann kommt auch der Kopf nicht mehr mit.
"Hoch konzentriert zu sein ist fürchterlich ermüdend", erklärt Didier Noirhomme. "Das gilt für alles, ob es jetzt Schreibtischarbeit ist oder beim Rennfahren. Konzentration ist sehr anstrengend, das vergisst man schnell. Und es ist natürlich eine Frage der Gewohnheit."
Disziplin für jedermann
Echte Rennfahrer sind Profi-Sportler und trainieren hart, um in Form zu bleiben. Im Funcup sind aber nicht nur Profis vertreten. Es ist die perfekte Disziplin für Einsteiger und Hobby-Rennfahrer aller Altersklassen, sagt Jean-Marc Ponteville von Volkswagen Belgien.
"Man ist nie zu alt. Wir haben viele junge Piloten, aber auch viele ältere Fahrer von 50 oder 60 Jahren, das ist kein Problem. Im Funcup gibt es verschiedene Profile: Leute, die so schnell wie möglich fahren und gewinnen wollen. Aber auch Leute, die kommen, um 'Fun' zu haben. Dafür muss man nicht der Schnellste sein. Teilnehmen ist das Ziel. Es kann ein wunderbares Wochenende sein, auch wenn man auf den 50. oder 100. Platz fährt. Es gibt Spaß für jeden."
Praktisches
Wer im Funcup mitfahren will, kann entweder selbst einen Käfer anschaffen oder einen mieten. Für das 25-Stunden-Rennen in Spa-Francorchamps kostet das Komplettpaket, in dem von Einschreibung und Versicherung über Benzin und Reifen bis zu einem vierköpfigen Begleitteam alles enthalten ist, beim Rennstall M3M von Jean-Luc Dubois 32.000 Euro.
Nötig ist eine Rennlizenz des Automobilverbands RACB, für die man einen theoretischen und praktischen Test sowie einen medizinischen Check absolvieren muss.
Katrin Margraff