An Selbstbewusstsein hat es Michael Balter noch nie gefehlt. Seit 2009 gehört der Geschäftsmann aus Hüllscheid dem Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft an - zwei Legislaturperioden mit einem Mitstreiter, zuletzt dann mit zweien. Seit dem vergangenen Jahr ist Vivant im PDG zu viert und damit die zahlenmäßig stärkste Oppositionskraft - und als solche gleichermaßen Speerspitze wie Zielscheibe in der politischen Auseinandersetzung, insbesondere mit Ministerpräsident Oliver Paasch. "Ich habe mich schon seit Jahren sehr tief in das Thema Finanzen eingearbeitet, das weiß Herr Paasch auch, und ich stelle auch die richtigen Fragen. Das führt natürlich immer zu den Diskussionen. Die anderen Oppositionsparteien kommen jetzt so nach und nach auf diese Schiene und versuchen auch in diese Kritik mit einzustoßen."
Diese Kritik entzündet sich an der wachsenden Verschuldung der DG, für die Vivant in erster Linie den Ministerpräsidenten verantwortlich macht, schließlich ist der für Finanzen und Haushalt zuständig. "Leider ist es immer schlimmer geworden. Im Verhältnis zu dem, wie Karl-Heinz Lambertz das Schuldenmanagement der DG geführt hat, macht Oliver Paasch das weitaus schlimmer, man könnte sagen: Er ist ein finanzpolitischer Spieler. Denn als die Zinsen so niedrig waren, hat er davon profitiert. Er hat das teilweise sehr clever gemacht. Wir haben ihn gewarnt: Wenn die Zinsen steigen, kommt auf uns etwas zu. Wir bezahlen im kommenden Jahr mehr an Zinsen als der gesamte Seniorenhaushalt zusammengerechnet."
Dabei habe Vivant der Regierung Sparvorschläge "auf dem Silbertablett" präsentiert: im öffentlichen Dienst, bei den Institutionen, aber auch in Gemeinschaftszentren wie dem Kloster Heidberg Eupen, der Eyneburg Hergenrath, Worriken oder dem Vido in Burg-Reuland, die laut Balter in private Hand gehören. Damit nicht genug. "200.000 Euro hier, 300.000 Euro für den Senator, 500.000 Euro da, eine Million da. Kleinvieh macht auch Mist. Jetzt rechnen Sie das mal hoch auf zehn Jahre."
Den Rotstift ansetzen würde Vivant auch bei den Infrastrukturzuschüssen der Deutschsprachigen Gemeinschaft. "Jede Gemeinde hat Sporthallen, teilweise sind die Schulen auch auf einem sehr guten Niveau. Aber das Ganze muss auch finanziert werden und da müssen die Gemeinden Einsicht zeigen, dass die DG nicht alles bezuschussen kann. Der "Schuldenminister" war ja offen für diese Debatte, die Gemeinden anscheinend nicht. Das finde ich sehr bedauerlich. Wir dürfen nicht nur uns selbst sehen. Das tun die Gemeinden, das tut die DG, das tut die Wallonische Region und das ist das eigentliche Problem."
Sparmaßnahmen wie der Verbeamtungsstopp oder der Einstellungsstopp im Ministerium kommen für Balter "viel zu spät". "Die Regierung als solche hat versucht, eine Reißleine zu ziehen, aber viel zu spät. Das Kind ist in den Brunnen gefallen und läuft Gefahr zu ertrinken, weil die Schulden uns bis zu den Haaren stehen."
Aber auch wenn Michael Balter und Vivant dieser und vergangenen Mehrheiten Fehlentwicklungen ankreiden und nicht alle Resolutionen oder Forderungen nach der Übernahme von Zuständigkeiten uneingeschränkt mittragen, wollen sie die Deutschsprachige Gemeinschaft als solche nicht in Bausch und Bogen verdammen. "Mit unserer Autonomie haben wir wirklich ein Geschenk erhalten. Wir müssen kostbar mit diesem Geschenk umgehen. Ich habe leider Gottes nicht den Eindruck, dass man mit diesem Geschenk kostbar umgegangen ist."
Ausführliches Radio-Interview mit Michael Balter im Player:
Stephan Pesch
Konstruktive Kritik ggü. dem Staat bleibt legitim.
Nur es darf kein "Gegen den Staat" oder so werden. Besonders weil zumindest unsere DG stets ein vertrauenswürdiger Staat mit normalen "Ecken und Kanten" auch jetzt bleibt.
Polarisierte Ansichten erfordern dass man sich zusammensetzt am Runden Tisch und guckt, dass man zusammen auf der richtigen Seite als Konsens wieder rauskommt.