Im Februar 2020 scheint die Situation noch unter Kontrolle. In St. Vith ist die Leitung der Klinik St. Josef wenig beunruhigt. "Im dringenden Verdacht können wir die Diagnostik durchführen. Wir können isolieren und abwarten bis wir das Ergebnis haben", sagt Dr. Erik Hahnloser, Diensttuender Ärztlicher Direktor. Corona spielt hier kaum eine Rolle. Viel mehr hält die Grippewelle das Personal auf Trab.
Doch in Italien grassiert das Virus bereits. Zuerst taucht Covid-19 in Südtirol auf.
"Ich kann mich erinnern, dass bei uns diskutiert wurde, ob dieses Virus von China überhaupt hier zu uns kommt oder nicht. Und da hatte die RAI, unsere Rundfunkanstalt aus Rom, uns ganz große Kisten mit Masken geliefert. Wir haben uns alle so gedacht: Die spinnen jetzt alle. Drei Tage später hatten wir alle die Masken auf", erklärt Michaela Mahlknecht, Chefredakteurin von RAI Südtirol.

In Ostbelgien ist daran noch nicht zu denken. "Es ist denkbar, dass man auch Schulen oder Kindertagesstätten schließen muss. Aber das steht in Ostbelgien nicht zur Debatte. Wie gesagt: Ruhe bewahren und sich korrekt informieren", so Antonios Antoniadis, damals DG-Gesundheitsminister.
Noch ist vieles unklar. Doch das Credo steht fest: "Hände waschen, Desinfektion. Nicht in die Hand niesen. Dann auch wieder die Hände waschen. Das ist das allererste", sagt Dr. Hahnloser.
Drastische Maßnahmen
Doch dabei sollte es nicht bleiben. Schon wenige Tage später, am 3. März, wird in Eupen ein erster Corona-Fall bestätigt. Die Kliniken schalten in den Krisenmodus: In den ostbelgischen Krankenhäusern werden Corona-Stationen eröffnet.
Dann geht alles ganz schnell. Am 13. März werden drastische Maßnahmen bekannt gegeben. DG-Minister und Bürgermeister schließen sich den nationalen Vorgaben an: Der Schulunterricht wird ausgesetzt, Restaurants und Kaffees müssen schließen, Besuche in Alten- und Pflegeheimen werden verboten, Veranstaltungen oder Versammlungen sind nicht mehr erlaubt. Der Kollaps des Gesundheitssystems soll vermieden werden, so Harald Mollers, damaliger DG-Unterrichtsminister. "Ich rufe eindringlich alle Eltern und alle Arbeitgeber dazu auf, in dieser außergewöhnlichen Situation auch außergewöhnliche Maßnahmen zu ergreifen. Das Ziel ist, dass soziale Kontakte so stark wie möglich reduziert werden."
Der Mangel an Schutzmaterial wird zum Problem. Vor allem fehlt es an FFP2-Masken und Desinfektionsmittel. Im April erreicht die Zahl der Covid-Toten astronomische Dimensionen: Schon Mitte des Monats wird in Belgien die 5.000er-Marke überschritten. Besonders trifft es alte und kranke Menschen. "Ich denke, im Allgemeinen sind in ganz Belgien die Altenheime sehr stark vergessen worden. Es war immer ein Fokus auf das Krankenhaus. Und wir versuchen, es zu retten. Wir schaffen es aber, dass es eingedämmt wird", sagt Nicolaï Schmitz.
Krisendekret
Im April verabschiedet die Regierung der DG ein Krisendekret. Unter anderem werden zehn Millionen Euro vorgesehen, um Einrichtungen, VOG und anderen Trägern mit zinslosen Darlehen und Vorschüssen zu helfen.
Bis Mai 2020 werden im Eupener Josephsheim 22 Corona-Tote gezählt. "Wir hatten Töchter, Söhne und Enkelkinder, die bitterlich weinten am Telefon und denen wir sagen mussten, dass sie nicht kommen dürfen. Da bekomme ich jetzt noch immer Gänsehaut und da weinten wir mit. Das tat uns so leid. Das war ganz tiefe Trauer und Angst. Wir haben hier schon sehr viel geweint - alle Kollegen im Haus", erklärt Krankenpflegerin Manuela Thielen.
Zwei Jahre sollte die Covid-19-Pandemie das Land fest im Griff halten - mit vielen Konzertierungsausschüssen, weiteren Lockdowns und Entbehrungen. Am 4. März 2022 dann Erleichterung: "Heute haben wir jedoch beschlossen, praktisch alle Einschränkungen aufzuheben und fast alle Freiheiten zurückzugeben", so DG-Ministerpräsident Oliver Paasch.
Anfang Mai 2023 erklärt die Weltgesundheitsorganisation die Corona-Pandemie dann für beendet. In Belgien starben insgesamt 35.000 Menschen an Corona.
Simonne Doepgen