Es ist die Anlaufstelle für öffentliches Gedenken in Malmedy: das Zenotaph vor dem Gebäude der früheren Reichsabtei, das heute "Malmundarium" heißt. Errichtet wurde dieses Zenotaph in den 1920er Jahren - zum Gedenken an die Toten des Ersten Weltkriegs, erklärt die Malmedyer Historikerin Justine Remacle.
Schon zu jener Zeit bestand das Dilemma darin, dass hier einerseits der toten Soldaten gedacht werden sollte - die hatten aber während des Krieges als Deutsche gekämpft, schließlich gehörten die früheren Kreise Eupen-Malmedy erst 1920 zu Belgien. Welche Uniform sollte also stellvertretend der "unbekannte Soldat" tragen: die deutsche oder die belgische?
Man einigte sich auf einen Kniff: Auf dem Malmedyer Zenotaph thronen nun kriegerische Attribute wie Schild, Schwert oder Helm, die Vorbildern aus der Antike nachempfunden sind. Auch die Inschrift auf dem Zenotaph sollte möglichst unverfänglich, neutral daherkommen. Auf Latein erinnert Malmedy darum an seine frommen Söhne, die im Krieg ihr Leben ließen.
Bis mit dem Zenotaph auch der toten Soldaten des Zweiten Weltkriegs gedacht werden sollte, war es aber noch ein weiter Weg. Es dauerte bis in die 1980er Jahre und bis zur 40. Wiederkehr der Kriegsereignisse, ehe der damalige Bürgermeister Robert Denis das gegen große Widerstände auch für diejenigen durchsetzen konnte, die nach der Annexion von 1940 in der Wehrmacht gedient hatten - ob zwangsweise oder freiwillig.
In der Nachkriegszeit fanden nur Widerständler, politische Gefangene und gute (belgische) "Patrioten" Gnade in den Augen offiziellen Gedenkens. Mehrere Anläufe mündeten 1950 in ein Denkmal - im Stadtrat war das Projekt als "löblich" begrüßt worden ... als Erinnerung an die "Helden des Widerstands" gegen die deutsche Besatzung.
Ein in Mundart gehaltener Vierzeiler des Dichters und wallonischen Aktivisten Henri Bragard sollte das unterstreichen. Bragard, der im Konzentrationslager Sachsenhausen umkam, wird zusammen mit 24 anderen Opfern des Nationalismus namentlich aufgeführt, darunter der von den Nazis abgesetzte Bürgermeister Joseph Werson oder Abbé Joseph Peters - nach ihnen sind in Malmedy auch Straßen benannt.
Mit den Widerständlern und erklärten Gegnern des NS-Regimes wurde nur eines kleinen Teils der Kriegsopfer gedacht. Ihr Andenken sollte nach dem Willen der patriotischen Vereinigungen nicht vermischt werden mit der Erinnerung an die mehr als 200 zivilen Opfer der irrtümlichen Bombardierungen an den Weihnachtstagen 1944. Ihnen wurde erst zum 40-jährigen Gedenken Respekt gezollt, wieder auf Initiative von Robert Denis.
Auf den fünf Stelen aus schwarzgrauem Granit finden sich die Namen der Opfer und ihr Alter: Frauen, Kinder, alte Männer. Und sie sind aufgeteilt nach den Ortschaften, aus denen sie kommen: Neben den 151 Opfern aus Malmedy (darunter acht aus Bellevaux-Ligneuville und drei aus Bévercé) finden sich auch 66 Flüchtlinge, die hierher evakuiert worden waren, damit sie sich an einem scheinbar sicheren Ort aufhalten: Flüchtlinge aus Amel, Meyerode, Burg-Reuland, Büllingen, Rocherath, Bütgenbach und Elsenborn, aus Kalterherberg, Aachen, Bonn und Düsseldorf. Nicht weit entfernt von den fünf Gedenksteinen ist die Stelle, wo viele Malmedyer während der Bombardierungen Schutz gefunden hatten.
Lange hat es auch gedauert, ehe die Malmedyer ihren "Befreiern" die nötige Reverenz erwiesen - was damit zu tun haben könnte, dass es schließlich amerikanische Bomber waren, die ihre Stadt zerstört hatten, obschon sie in der Hand der Amerikaner war. Ein Gedenkstein listet die Einheiten auf, die während der Befreiung und während der Ardennenoffensive in Malmedy waren - und zusammen mit der Bevölkerung die Bombardierungen erlebten. Später halfen sie, Brände zu löschen, Verletzte zu bergen, Trümmer wegzuräumen, die Verpflegung zu organisieren. Ein frisch eingeweihtes Denkmal ist dem 120. Regiment der 30. US-Infanteriedivision gewidmet.
Denkmäler wie die in Malmedy sind mehr als nur Gedenksteine mit Namen darauf, an die sich kaum noch jemand erinnern kann. Sie sind mehr als nur Anlaufstellen, vor die zu besonderen Anlässen Kränze niedergelegt werden. Diese Denkmäler sind mitteilsame Zeugnisse für den Umgang mit der eigenen Geschichte.
In ihrem Buch kommt Justine Remacle zu dem Schluss, dass sich auch unterschiedliche und zeitweise unvereinbar scheinende Formen des Gedenkens zu einem kollektiven Gedächtnis vereinen lassen, wenn man sich damit auseinandersetzt.
Das Buch von Justine Remacle zur Erinnerungskultur in Malmedy ist im Selbstverlag erschienen. Es ist unter anderem in der Buchhandlung "Cunibert" erhältlich.
Stephan Pesch