Sie stehen etwas verloren da, die angehenden Kfz-Mechatroniker und Köche vor den Frisierköpfen in der Ausbildungsklasse der Friseure. Nein, sie haben sich nicht verlaufen, sondern das soll so, erklärt ZAWM-Direktorin Claudia Thissen. "Wir machen das jedes Jahr so: wir teilen die Schüler in verschiedene Gruppen und so hat jeder Auszubildende die Möglichkeit, auch in andere Ausbildungsberufe reinzuschnuppern."
Das Problem des Fachkräftemangels ist auch zum Start des neuen Ausbildungsjahres das beherrschende Thema. Zu Recht: In der jüngsten Arbeitskräfterhebung melden 75 Prozent der Betriebe, dass sie Fachkräfte suchen. Dafür gibt es nicht die eine, heilbringende Lösung. Da müssen Politik und Akteure schon grundsätzlich ran. Mit der Ausbildungs- und Studienbörse DuO konnte man erste Erfolge sehen. Ein weiterer Ansatz: eine möglichst frühe Berufsorientierung. Dabei helfen soll das künftige Talentcenter.
"Das Talentcenter wird eine Einrichtung sein, in der man die Berufsvielfalt entdecken kann. Grundlage sind die eigenen Interessen und Fähigkeiten", sagt der zuständige DG-Minister Jérôme Franssen. "Wir werden uns das noch genau anschauen, da wo es bereits eingesetzt wird. Wir werden das dann nach Ostbelgien importieren, aber an bestimmten Stellen vielleicht noch verbessern."
Der Träger des Talentcenters steht noch nicht fest. Was feststeht: Die Einrichtung ist eng verbunden mit dem geplanten Technologiecampus in St. Vith. Denn auch die Qualität der Lehre ist ein wichtiges Puzzlestück im Kampf gegen den Fachkräftemangel. Das Gelände an der Eifel-Ardennen-Straße in St. Vith - gegenüber von Triangel und Dienstleistungszentrum - ist gekauft. Und auch die inhaltliche Planung des Campus ist nahezu abgeschlossen.
"Der Raumbedarf ist sozusagen erfasst. Wir beenden aktuell die infrastrukturelle Planungsphase des Technologiecampus und werden dann in die Umsetzung gehen. Wir werden uns mit Hochdruck in den nächsten Monaten mit dem Talentcenter auseinandersetzen, sodass es auf jeden Fall in dieser Legislatur noch starten wird", so Franssen.
Beim Technologiecampus ist das Technische Institut nicht mehr an Bord - wohl aber werden ZAWM und Wirtschaftsförderungsgesellschaft den neuen Standort gemeinsam nutzen. Für die berufliche Aus- und Weiterbildung ist der Campus ein Meilenstein. Er soll den Rahmen bieten für eine neue, bedarfsorientierte Pädagogik: weg vom Frontalunterricht, hin zu projektbasierter Unterrichtsgestaltung. Daran hat das ZAWM im vergangenen Schuljahr konzentriert gearbeitet. Beeindruckt hat die Arbeitsgruppe dabei das Konzept der Berufsschule im rheinland-pfälzischen Westerburg.
"Die Schule arbeitet komplett ohne Schulglocke. Das haben wir super gefunden", erzählt ZAWM-Direktorin Claudia Thissen. "Die Schüler kommen morgens in die Klasse rein und bekommen eine Aufgabenstellung, die sie dann nach einer gewissen Zeit - das kann ein Tag, eine Woche oder auch ein Monat sein - vorstellen. Die wird dann bewertet. Wir denken, dass das viel realistischer ist mit Blick auf das spätere Berufsleben. Wenn ich mir zum Beipiel das Bauhandwerk ansehe, da arbeiten viele verschiedene Gewerke Hand in Hand eher projektbasiert zusammen."
Ganz auf den Frontalunterricht verzichten will man im ZAWM nicht. Dennoch würde man hier lieber gestern als morgen im Technologiecampus die berufliche Ausbildung neu aufstellen. Die Auszubildenden, die diese Woche ihr Lehrjahr starten, werden wohl nicht mehr davon profitieren. Zumindest hoffe sie das, sagt ZAWM-Direktorin Claudia Thissen mit einem Augenzwinkern. "Weil das bedeuten würde, dass die drei oder viermal wiederholen müssten, um in den neuen Technologiecampus mit einzuziehen. Aber wer weiß, vielleicht arbeiten die ja mit an der Errichtung des neuen Technologiecampus."
Gudrun Hunold