Es hört sich an wie gewohnt, es sieht aus wie gewohnt. Aber beim genaueren Hinschauen sieht man keine grauen Haare. Es sind junge Menschen aus dem ganzen Land, die hier über neue Gesetze diskutieren und auch abstimmen.
Zum zweiten Mal dabei ist Vincent Groteclaes aus Kettenis. Dem 23-jährigen Jurastudenten hat das Jugendparlament so gut gefallen, dass er diesmal im Organisationsteam mitmacht. "Ich finde es sehr interessant, dass wir in der Kammer sein dürfen. Als Student ist das schon prestigevoll."
Bevor es zur Sache geht, müssen die Teilnehmer eine erste wichtige Wahl treffen. Das Organisationsteam präsentiert mehrere politische Konzepte: von ganz links bis ganz rechts. Die Jugendlichen entscheiden dann, welcher Fraktion sie beitreten möchten.
In Kommissionssitzungen müssen sie dann an Gesetzestexten feilen, das Für und Wider abwägen. Zur Debatte stehen fiktive Gesetzesinitiativen aus verschiedenen Themenbereichen, wie zum Beispiel ein Austritt aus der Nato oder die Einführung einer 32-Stunden-Woche. "In der Kommission besprechen wir Artikel pro Artikel. Da werden Debatten eröffnet, um zu sagen, wer dafür oder dagegen ist und warum", erklärt Vincent Groteclaes.
Pro Kommission debattieren rund 30 Studenten mit. Am letzten Tag werden die Gesetzesinitiativen dem ganzen Jugendparlament vorgestellt. Von Lampenfieber ist wenig zu merken. Die Debatten werden inhaltlich mit großer Ernsthaftigkeit geführt, doch am letzten Tag testen so manche Jugendparlamentarier auch die Grenzen der parlamentarischen Gepflogenheiten aus und werden, nachdem sie unerlaubt Pamphlete in der Kammer hochgehalten haben, des Plenums verwiesen. Es gibt Applaus und Gejohle.
Der Vorsitzende mahnt die übrigen Fraktionen zur Ruhe. Auch diese Rolle ist fiktiv. Damit die Simulation so realistisch wie möglich ist, gibt es unter den Teilnehmern auch Kammervorsitzende, die die Sitzungen leiten müssen. Zwischendurch stehen die Jugendparlamentarier auch den ebenso fiktiven Journalisten Rede und Antwort.
Lernen, für seine Meinung einzustehen und sie auch so verständlich wie möglich zu formulieren, steht dabei im Vordergrund, sagt Silke D'Haemers, eine 23-jährige Jura-Studentin aus Gent, die die Rolle der Parlamentsvorsitzenden übernommen hat. "Am Anfang hat es noch viele Zweifel gegeben. Wenige Jugendliche haben es gewagt, das Wort zu ergreifen. Ganz anders am Ende der Woche. Da trauen sich mehr Menschen, vor der Gruppe zu sprechen und dann auch noch sehr gut", so D'Haemers.
France Durieux, eine 22-jährige Germanistik-Studentin aus Gembloux, hat die Rolle einer Journalistin übernommen. Sie fühlt den Jugendparlamentariern auf den Zahn und weiß schon, dass sie selber nicht in die Politik gehen möchte. Sie sei aber überzeugt, im Jugendparlament das ein oder andere politische Talent gesehen zu haben, sagt sie. "Ich bin optimistisch, was die Zukunft Belgiens betrifft."
Aber wie Durieux weiß auch Jugendparlamentarier Mohamed Taieb Mokkadem, dass nicht jeder der Politik vertraut. Sie sei zu fern vom Bürger, heißt es oft. Doch was könnte die Politik dagegen tun? "Ich glaube: Mehr tun und weniger reden", sagt der 25-jährige Angestellte aus Brüssel. "Die Leute sind nicht so dumm, wie manche denken. Viele wissen auch, was passiert. Wenn die Politik konstruktiver wäre und ihren Entscheidungen nachkäme, würden die Menschen mehr von der Politik halten als heute."
Jugendparlamentteilnehmerin Doris Löfgen ist der Meinung, dass man ein menschlicheres Bild von Politikern zeigen müsste. Das Bild des Politikers als Manipulator hält die 22-jährige Journalismus-Studentin aus Malmedy für ein Klischee.
Selbst mitmachen
Vincent Groteclaes wünscht sich, dass zukünftig noch mehr deutschsprachige Jugendliche am Jugendparlament teilnehmen. Die Begeisterung von France Durieux spricht jedenfalls nicht dagegen. "Es ist super interessant und sehr aktiv. Wir sind sehr müde. Aber es war die Anstrengung wert."
18-bis-26-Jährige, die jetzt Lust bekommen haben, auch mal im Föderalparlament an Gesetzestexten zu arbeiten und darüber zu debattieren, können sich bei der Organisation JPJ bewerben oder den Ketteniser Studenten Vincent Groteclaes kontaktieren.
Die Idee eines Jugendparlaments stammt aus Québec (Kanada). Dort wurde 1949 das "Parlament Jeunesse de Québec" (PJQ) gegründet. Ziel der Gründer war es, junge Menschen an die parlamentarischen Institutionen und die Demokratie und ihre notwendigen Verfahren heranzuführen.
Manuel Zimmermann
Früh übt sich, wer ein guter Postenjäger werden will.
Solche Initiativen sollen das bestehende System festigen.
Wenn so eine Initiative möglich ist, ist es auch möglich, direkte Demokratie nach schweizer Vorbild einzuführen. Alles nur eine Frage des politischen Willens.