Das Thema Gemeindefusionen steht nicht wirklich auf der Tagesordnung in der Deutschsprachigen Gemeinschaft und wäre auch keine Zuständigkeit der Deutschsprachigen Gemeinschaft. Zuständig für Gemeindefusionen wäre die Wallonische Region. Dieses Kapitel des Gemeindegesetzes ist der Deutschsprachigen Gemeinschaft nicht übertragen worden. Das heißt, die Gemeinden müssten den Richtlinien der wallonischen Gesetzgebung folgen
Würde die DG denn den Wunsch einer Gemeinde Fusion unterstützen?
Oliver Paasch: Nun, das Thema steht wie gesagt nicht auf der Tagesordnung. Ich glaube auch ehrlich gesagt nicht, dass es schnell auf die Tagesordnung kommt. Also wir reden nicht über Gemeindefusionen. Wohl aber halte ich es auch persönlich - genauso wie viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister - für sinnvoll, dass man noch enger zusammenarbeitet, dass man auch strukturell Dienste miteinander verbindet, um Synergien zu entwickeln.
Haben Sie denn da schon Ideen, wo man besser zusammenarbeiten könnte?
Oliver Paasch: Nun, wir sehen ja beispielsweise in Finanzfragen, dass es sehr schwerfällt, qualifiziertes Personal anzuwerben. Die Gemeinden, die Gemeinschaft, alle leiden unter einem größer werdenden Fachkräftemangel. Insofern ist das eine Ebene, auf der sich eine Zusammenarbeit anbietet.
Dann das große Thema der Raumordnung, des Urbanismus. Ich kann mir vorstellen, dass insbesondere die kleineren Gemeinden sich schwer mit diesen Angelegenheiten, die zum Teil sehr technisch und komplex sind, tun und dass dort auch der Fachkräftemangel zuschlägt. Insofern ist das ein weiterer Themenkomplex, in dem sich eine Zusammenarbeit anbietet.
Und dann gilt es ganz grundsätzlich auf die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister zu hören. Wo erkennen sie einen zusätzlichen Handlungsbedarf? Die Gemeinschaft steht solchen Formen der strukturierten Zusammenarbeit und Synergie sehr offen gegenüber.
Wäre es denn auch denkbar, dass die Gemeinden auch Aufgaben an die Deutschsprachige Gemeinschaft übertragen? Mehrere Bürgermeister stellen ja in Frage, ob sich jede Gemeinde ein Schulamt leisten soll, zum Beispiel.
Oliver Paasch: Die Gemeinden haben juristisch betrachtet nicht die Möglichkeit, Aufgaben an die Deutschsprachige Gemeinschaft zu übertragen. Wenn es da Gemeinden geben sollte, die bestimmte Aufgaben lieber bei der Gemeinschaft angesiedelt sähen, dann sind wir natürlich bereit, darüber zu diskutieren.
Was nun die Frage der Schulämter angeht, ist das eine weitere Piste zusätzlich zu Finanz- und Raumordnungsfragen, in denen sich eine Zusammenarbeit durchaus anbietet. Auch im Schulamt wird sehr wertvolle und sehr wichtige und vor allem sehr konkrete Arbeit geleistet. Es geht auch darum, Personal zu beraten in zum Teil technisch komplexen Angelegenheiten. Auch da können die Gemeinden, ohne jetzt Aufgaben an die Gemeinschaft abzutreten, noch enger zusammenarbeiten.
Dann bleibt zum Schluss nur ein Thema: Was ein Belgien zu viert angeht, ist man bereit und gewillt, aber die Bürgermeister zweifeln sehr daran, dass man auch in der Lage ist. Ein Beweis ist da vielleicht, dass sich die Gemeinden auch schon gegenseitig Personal abwerben. Was sagen Sie dazu?
Oliver Paasch: Insgesamt haben wir ein großes Problem mit dem Fachkräftemangel. Ich behaupte, dass der Fachkräftemangel die größte Herausforderung für die Deutschsprachige Gemeinschaft insgesamt ist. Das spüren die Gemeinden, das spürt die Deutschsprachige Gemeinschaft. Das ist ein Riesenproblem in der Privatwirtschaft. Dagegen gilt es, kollektiv gemeinsam anzugehen.
Was nun die siebte Staatsreform betrifft: Sie müssen sich vergegenwärtigen, dass die Deutschsprachige Gemeinschaft heute schon neben den gemeinschaftspolitischen Befugnissen etwa 80 Prozent aller regionalen Zuständigkeiten ausübt. Wir sind also heute schon zu 80 Prozent jedenfalls eine Gemeinschafts-Region. Und sollte es zu weiteren Befugnisübertragungen kommen, sollte sich die Frage einer Fusion von Gemeinschaft und Region auf föderaler Ebene stellen, dann sollte die Gemeinschaft weiterhin bereit, gewillt und in der Lage sein, eine vierte Region zu bilden, um sicherzustellen, dass dieses Autonomiestatut, das wir heute haben, nicht abgeschwächt oder sogar ad absurdum geführt wird.
Denn diese Frage wird sich dann stellen: Wollen wir ein gleichberechtigter Gliedstaat in Belgien bleiben oder wollen wir das nicht sein? Und die Konsequenz zu sagen, wir möchten weiterhin Befugnisse in deutscher Sprache für unsere Bevölkerung wahrnehmen, die Konsequenz davon könnte dann tatsächlich sowieso sein, dass man bereit ist, eine vierte Region zu bilden. Und in der Lage sind wir ganz sicher, weil, wie gesagt, wir haben heute schon 80 Prozent aller Befugnisse, über die da gesprochen wird.
Gemeindefusionen in Ostbelgien: Nicht erwünscht, aber denkbar
Manuel Zimmermann
Schon mal gut, dass über das Tabuthema "Gemeindefusionen" geredet wird. Bis jetzt war das eine besonders heilige Kuh.
Und zum Thema "Fachkräftemangel" :
Mit Speck fängt man Mäuse. Wer das beste Stück Speck hat, kriegt die Maus.