Das Hohe Venn ist eine Moorlandschaft, die eigentlich in der Lage ist, große Mengen Wasser aufzunehmen und zu speichern. Nicht umsonst wird das Venn auch als Schwamm bezeichnet. Diese Schwammfunktion hat allerdings nachgelassen, ein Phänomen, das nicht nur vor drei Wochen zu beobachten war, sondern schon seit ein paar Jahren.
Zurückzuführen ist das auf die sehr trockenen Phasen, die Teile der Bodenschichten des Venns ausgetrocknet haben, sagt Hans-Balder Havenith, Geologe an der Uni-Lüttich. "Dann wird sich wahrscheinlich ein Teil des Torfes zusammengezogen haben und so hart geworden sein, dass Schichten undurchlässig oder unfähig wurden, das Wasser aufzunehmen."
Das Wasser wurde also vor drei Wochen nicht vom "Schwamm" Venn aufgesaugt, stattdessen floss es weiter. Hans-Balder Havenith hat sich einige Tage nach dem Hochwasser selber auf Spurensuche im Eupener Land begeben und dieses Phänomen noch beobachten können. "Ich war am Dienstag, den 20. Juli, am Oberlauf der Weser unterwegs. Was mich sehr verdutzt hat, war, dass der Wasserpegel sehr niedrig war. Normalerweise lässt das Venn, wenn es voll aufgesaugt ist mit Wasser, über Wochen noch das Wasser ab. Dann hat man normalerweise noch zwei, drei Wochen nach der Überschwemmung erhöhte Pegel, aber das war hier nicht der Fall."
Die Beschaffenheit des Hohen Venns hat sich also durch die trockenen Jahre verändert. Wahrscheinlich haben nur noch die oberen Torfschichten die Fähigkeit, eine geringe Menge an Wasser aufzunehmen. Wird es dennoch die Fähigkeit des Schwamms früher oder später wieder gewinnen, oder wird diese Fähigkeit auf Dauer vielleicht sogar ganz verloren gehen? "Erstmal müsste man reinbohren, ich habe nur indirekte Beobachtungen gemacht. Ich denke aber, dass wenn jetzt zwei feuchtere Jahre kämen, dass die trockenen Teile des Schwamms wieder aktiviert werden. Das müsste aber untersucht werden."
"Was Hütte passiert ist, hat nichts mit Talsperre zu tun"
Hans-Balder Havenith ist als Geologe vor allem in Erdbebengebieten unterwegs. Überschwemmungen untersucht er dann, wenn ein geologischer Faktor sie ausgelöst hat. Hier in der Region war das nicht der Fall, allerdings sagt er, wenn so etwas, wie vor drei Wochen vor der Haustüre passiert, kümmert er sich auch um Bereiche, die nicht direkt in seinem Fachgebiet liegen.
Zu Beobachtungen ist er dann teilweise mit der ganzen Familie aufgebrochen "Den Weg von Ternell bis zur Hillsperre habe ich mit meiner Familie gemacht. Ich wollte auch sehen, wie es da an der Hillsperre aussieht. Da hat es keine Schäden gegeben, soweit ich das sehen konnte", erzählt er. "Die Sperre ist ja auch eher ein Wehr als eine Sperre und eine Umleitung der Hill in die Wesertalsperre, die teilweise funktioniert hat, aber später gesperrt worden ist, um die Talsperre nicht zu überlasten. Dann ist die Hill natürlich gerade in den Ortsteil Hütte geflossen."
Hill-Talsperre sinnvoll?
Immer wieder kommt die Frage auf, ob die Wesertalsperre früher hätte Wasser ablassen müssen. An der Situation im Eupener Ortsteil Hütte hätte das nichts geändert, sagt der Experte. Hier sei alleine die Hill für das Ausmaß der Schäden verantwortlich.
Und dass die Hill am Hochwasser-Tag sogar stärker floss als die Weser, ist für ihn nicht verwunderlich. "Wenn ich mit meinem Vater über die Überschwemmungen der 80er Jahre rede dann sagte er schon, dass die Hill in Spitzenzeiten mehr Wasser führt als die Weser. Auch weil die Weser ja reguliert ist. Das ist also bekannt gewesen. Was in der Hütte passiert ist, hat nichts mit der Wesertalsperre zu tun. Das kommt rein von der Hill. Man sollte darüber sprechen, ob eine Hill-Sperre nicht sinnvoll wäre."
Vor allem viele Steine und Geröll sind im Ortsteil Hütte angeschwemmt worden. Dafür gibt es gleich mehrere Gründe, so Havenith. Er hat sich auch das genauer angeschaut. "Zum Beispiel sind Flussterrassen in die Hill gespült worden, es hat kleine Erdrutsche gegeben. Durch die eigene Flussdynamik hat es Steinhaufen gegeben, die der Fluss nach und nach angeschwemmt hat und sich so selber den Weg versperrt hat. Sturzbäche haben Gestein in die Hill gespült. Es haben sich kleine Dämme gebildet und es kann sein, dass eine ganze Reihe von kleinen Dämmen nacheinander eingestürzt sind. Dann hat es so starke Spitzenwerte im Hillpegel gegeben."
Aber nochmal zurück zur Wesertalsperre. Auch der Geologe war fest davon ausgegangen, dass frühzeitig Wasser abgelassen würde - das ist jedoch nicht passiert. "Da hätte man wahrscheinlich manche Spitzenwerte etwas runter ziehen können, es wäre vielleicht etwas weniger passiert. Aber das hätte im mittleren Wesertal, in Verviers oder auch in Pepinster, eine Rolle gespielt. Denn in Pepinster kommt die Hoëgne noch hinzu."
Risikoanalysen
Muss sich da vielleicht aus städtebaulicher Sicht in Zukunft etwas ändern? Früher mussten die Menschen sich an Flüssen ansiedeln, gerade in einer Tuch-Region wie der unseren, war man auf das Wasser angewiesen. Heute ist die Situation anders. Es gibt Risikoanalysen, die im Vorfeld gemacht werden können, um abzuklären, ob das ausgewählte Grundstück gefährdet ist. Und trotzdem werden auch heute noch Häuser auf Flussterrassen gebaut.
"Es ist natürlich immer schwieriger, im Hang zu bauen als auf einer Fläche. Eine Flussterrasse bietet sich an zum Bauen, ist aber ein alter Flussweg und der Fluss erinnert sich immer daran, dass er irgendwann mal da vorbei geflossen ist - und das spätestens bei der nächsten Überschwemmung."
Wieviel Kraft das Wasser dann hat und wie unberechenbar es ist, haben leider zahlreiche Menschen vor drei Wochen am eigenen Leib erfahren müssen.
Lena Orban
Vielleicht muss das Venn wieder mehr verlässt werden. Dazu müssten allerdings die vorhandenen Gräben weiter mit Schwellen zum stauen des Wassers versehen werden. Wenn der Wasserpegel im Venn steigt kann auch der trockene Bereich wieder benetzt und nass werden. Ohne diese Maßnahmen kann der Untergrund nicht nass werden, das Wasser fließt zu schnell ab.
Wie könnte man auch auf die Idee kommen, dass man, bei ausreichender Speicherkapazität in Gileppe- und Wesertalsperre, durch Ableitung durch Hill- und Sortunnel die Hütte mehr hätte schützen können...
Völlig abwegig...