Es ist mir sehr, sehr schwergefallen, diese Beschlüsse ankündigen zu müssen. Die Menschen sehnen sich nach Freiheit. Sie wollen ihre Freunde und Familien endlich wieder treffen können. Manche möchten auch ihren wohlverdienten Urlaub antreten oder ins Café und Restaurant. Dinge, die eigentlich in normalen Zeiten völlig normal wären. Und statt diese Erwartungen zu erfüllen, hat der Konzertierungsausschuss heute die Maßnahmen sogar noch einmal für vier Wochen verschärft. Wir werden sicher im Einzelnen auf die Maßnahmen eingehen, aber insgesamt ist das natürlich sehr, sehr schmerzhaft.
Und ich kann als Politiker sagen, das ist uns heute alles andere als einfach gefallen. Allerdings scheint es ja den Experten, den Krankenhäusern, den Hausärzten zufolge die einzige Möglichkeit zu sein, um die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass ab dem 19. April wieder alle Schulen in den Präsenzunterricht zurückkehren dürfen und wir dann auch wie angekündigt dem Horeca-Sektor und anderen Sektoren ab Mai eine Perspektive geben. Ohne diese Maßnahmen wäre das offenkundig den biostatistischen Erhebungen zufolge nicht denkbar gewesen.
Eine Maßnahme, die sicherlich bei vielen für Reaktionen gesorgt hat, das war, dass die Schulen nun doch eine Woche vor Ostern schon geschlossen werden. Das war ja das, was man unbedingt vermeiden wollte ...
Ja, ganz grundsätzlich hat man diesen Lockdown nicht gewollt. Das muss man ehrlich sagen. Ich glaube sagen zu dürfen, dass kein Mitglied des Konzertierungsausschusses diesen Lockdown wirklich gewollt hat. Und deswegen haben wir uns ja am vergangenen Freitag noch zusammengesetzt und uns dagegen entschieden. Wir wollten ihn vermeiden.
Wir haben damals aber natürlich auch im Grundsatz festgehalten: Sollten die Zahlen sich in eine völlig falsche Richtung entwickeln, sollten die neuen Virusvarianten, die ja viel ansteckend und gefährlicher sind, noch mehr zuschlagen, als das in der Vergangenheit der Fall gewesen ist, dann werden wir uns nochmal versammeln müssen. Wir können die Dinge nicht einfach laufen lassen.
Wir müssen dafür sorgen, dass wir aus der Krise wieder herauskommen. Und wenn dafür ein "kurzer, aber harter Lockdown" notwendig ist und es dazu keine wünschenswerte Alternative gibt, die man aufzeigen würde, dann muss man solche Verantwortung wahrscheinlich tragen. Wobei ich noch einmal dafür plädiert habe, dass man differenziert vorgeht, dass man dem lokalen Infektionsgeschehen Rechnung trägt, wie das in anderen Staaten wie Österreich, Deutschland beispielsweise der Fall ist. Das hätte für Ostbelgien bedeutet, dass auf der Grundlage der heutigen Zahlen durchaus Ausnahmen denkbar gewesen wären.
Aber diese differenzierte Vorgehensweise will man nicht, will man schon seit längerem nicht. Ich hoffe, dass es irgendwann dazu kommt. Und wir haben auch in der Tat in Bezug auf die Schulen in der letzten Woche ja schon eingefordert, dass die Schulen nicht geschlossen werden, beziehungsweise die Ferien nicht verlängert werden. Wir haben gestern Abend schon zur Kenntnis nehmen müssen, dass das aus Expertensicht nicht mehr möglich ist. Die föderale Regierung hat das auch nicht mehr gewollt, um eben jetzt harte Maßnahmen zu beschließen. Es ist irgendwann in dieser Diskussion noch einmal versucht worden, dann zumindest einen Unterschied zu machen zwischen einzelnen Schulstufen, um nicht alles schließen zu müssen. Auch das ist am Ende nicht gelungen. Man hat es vorgezogen, einen, ich nenne es trotzdem Lockdown, jedenfalls ein Paket von harten Maßnahmen, zu beschließen für eine begrenzte Zeit, damit danach Öffnungen endlich auch möglich werden.
Schließen müssen auch die sogenannten nicht-medizinischen Kontaktberufe - Friseure, Kosmetiksalons und so weiter. Bei den Friseuren war erst seit Mitte Februar wieder möglich, dass sie öffnen. Bei den Kosmetiksalons beispielsweise ist es erst drei Wochen her. Die fragen sich auch: Was ist hier los?
Zu Recht. Das ist für die Kontaktberufe besonders bitter, zumal wenn ich mich richtig erinnere, man ihnen sogar gesagt hatte: Wenn wir jetzt öffnen, dann braucht ihr danach nicht mehr zu schließen. Das ist auch für die Politik extrem frustrierend, feststellen zu müssen, dass man so etwas nicht einhalten kann. Dass die Kontaktberufe, die ja lange Zeit geschlossen gewesen waren, jetzt nach so kurzer Zeit wieder geschlossen werden, das ist frustrierend.
Auf der anderen Seite hat man uns heute begründet zugesichert, dass dieser Lockdown tatsächlich dann "nur" vier Wochen dauern wird, dass es dann gelingen wird, das Infektionsgeschehen zu reduzieren, die Belastungen, die ja ansteigt, in den Krankenhäusern auch wieder in den Griff zu bekommen, um dann ein größeres Lockerungs-Paket zu beschließen. Wobei der ganze Bereich der Kontaktberufe - nicht nur Friseure, sondern auch alle anderen Kontaktberufe - natürlich Priorität genießen. Das Ziel ist darüber hinaus natürlich, am 19. April dafür zu sorgen, dass die Schulen wieder in den Präsenzunterricht zurück können. Das ist mittlerweile ja auch über ministeriellen Erlass festgehalten worden, das ist also eigentlich schon Gesetz. Und die anderen Perspektiven, die sollten dann auch möglich sein.
Eine wesentliche Änderung kommt auch auf die sogenannten nicht-essentiellen Geschäfte zu, also die keine Lebensmittel verkaufen z.B. Die dürfen zwar noch öffnen, aber nur auf Vereinbarung. Aber da müssen Sie sich erst mal drauf einstellen.
Ja, das System, das jetzt für Belgien vier Wochen lang angewandt wird, ist im Grunde - und davon hat man sich auch inspiriert auf föderaler Ebene - das niederländische und mittlerweile auch das deutsche System. Also die nicht essentiellen Geschäfte müssen nicht schließen, aber die Kunden müssen vorher einen Termin vereinbaren. Wobei zwei Dinge wichtig sind: Auf der einen Seite dürfen auch Kunden aus verschiedenen Haushalten sich im Geschäft aufhalten, wie das heute schon der Fall war. Mit dieser bekannten Regel ein Kunde pro zehn Quadratmeter. Und das zweite wichtige Element ist, dass man jetzt auch nicht mehr nur alleine einkaufen gehen darf, sondern zu zwei Personen aus einem Haushalt. Das ist eine, wenn auch nur sehr geringfügige Lockerung, die aber natürlich menschliche Ursachen hat.
Insgesamt ist das eine Veränderung für die nicht-essentiellen Geschäfte. Ich bin aber froh, dass sie nicht geschlossen wurden, denn im Vorfeld war auch davon die Rede gewesen, sie glatt zu schließen. Dass man jetzt das niederländische und deutsche Modell übernommen hat ist eigentlich besser als eine Schließung. Und für die essentiellen Geschäfte gilt, dass sie geöffnet bleiben. Ohne Einschränkung, ohne Veränderungen im Vergleich zur Jetzt-Situation. Und die Liste der so genannten essentiellen Geschäfte - ich mag eigentlich diesen Unterschied nicht zwischen essentiell und nicht essentiell - aber diese Liste ist erweitert worden.
Man wird sich auch nur noch zu viert draußen treffen können. Und eine Sache, von der natürlich auszugehen war: In den Osterferien ins Ausland verreisen, ist ausgeschlossen. Es soll sogar viel strengere Kontrollen an den Grenzen geben.
Ja, man hat im Vorfeld ja sogar vorgeschlagen auf Expertenseite, die inner-belgischen Reisen zu verbieten. Nicht nur die ins Ausland, sondern sogar die inner-belgischen. Das hätte dann dem entsprochen, was auch in Frankreich mittlerweile gilt, wo man sich ja in bestimmten Departements nicht mehr als zehn Kilometer vom eigenen Haus wegbewegen kann. Ich bin sehr froh, dass es gelungen ist, diesen Vorschlag abzuwenden. Das wäre ein noch tieferer Eingriff in die Freiheitsrechte der Menschen gewesen. Für die Grenzlage ändert sich im Kern nichts. Die Ausnahmeregelungen für den kleinen Grenzverkehr bleiben bestehen. Das Reiseverbot war ohnehin verlängert worden bis zum 18. April. Insofern gibt es da nicht wirklich eine Veränderung. Dass man jetzt verstärkt während der Ferien an den Grenzen kontrolliert, wird auch keine große Veränderung nach sich ziehen, weil wir ja alle, wenn wir dieses Formular des Innenministeriums ausgefüllt haben, damit kein Problem haben dürften.
Interessant ist vielleicht auch, dass man die ganze Zeit über immer den Vergleich gesucht hat mit unseren Nachbarstaaten und zu der Schlussfolgerung gekommen ist, dass die Regeln in den Nachbarstaaten durchaus noch strenger sind. Ich habe in der Pressekonferenz darauf hingewiesen. Wir haben keine Ausgangssperre verlängert auf beispielsweise 19 Uhr, wie das in Frankreich der Fall ist. Wir schließen zum Glück auch nicht die Schulen während neun Wochen, was ja in Deutschland der Fall gewesen ist. Es gibt den Bewegungs-Perimeter, diese Einschränkungen wie in Frankreich, auch nicht, aber das ist angesichts der Schärfe der heute beschlossenen Maßnahmen nur ein sehr geringer Trost.
Konzertierungsausschuss verhängt vierwöchige "Osterpause" – Schulen ab Montag wieder zu
sp/km
Warum ist es nicht möglich mit ausreichenden Tests die Situation zu verändern so wie z.B. in Tübingen? Warum ist das für die DG mit 72.000 Einwohnern so schwierig zu organisieren? In der Stadt Tübingen leben ca. 89.000 Menschen. Es wäre also schon vergleichbar. Woran scheitert es konkret, um die Pandemielage in den Griff zu bekommen?
Spiegel TV: "Corona-Wunderland Tübingen: Offene Läden, Cafés und Kinos"
Die Stadt Tübingen führt ein Modellprojekt durch, das auf eine dezidierte Teststrategie setzt, um möglichst viele Öffnungen zu ermöglichen.
Ob dieser Test dazu führt, dass die Pandemie unter Kontrolle gehalten werden kann, kann bisher niemand sagen, da es Verzögerungen bei den Auswertungen gibt und das Modell erst seit kurzer Zeit läuft.
Zu behaupten, in Tübingen könne man „die Situation mit ausreichenden Tests verändern“ ist zumindest verfrüht.
Aber Sie haben Recht. Die DG wäre für einen solchen Modellversuch geradezu prädestiniert.
Statt immer so zu tun, als würde man die Entscheidungen des Konzertierungsausschusses nur zähneknirschend mittragen, würden kreative Initiativen sicher dazu beitragen, die Menschen wieder mehr mitzunehmen. Abgesehen von den Querdenkern, die erreicht ohnehin niemand mehr.
Das Ansteigen der Infektionszahlen ist u.a. darauf zurück zu führen, dass die britische Variante des Virus mit 70-80% die Oberhand gewonnen hat.
Gnade uns, wer auch immer, dass uns die brasilianische Mutation erspart bleibt.
In Brasilien beerdigen z.Z. die Eltern ihre Kinder.
Frau Borst,
die Antwort ist ganz einfach, die Wallonie und Flandern würden der DG nie einen Sonderstatus erlauben wenn dieser Vorteile gegenüber ihrem Status hätte, was meinen Sie wäre los im Landesinnere wenn in der DG z.B die Cafés öffnen dürften und in Lüttich oder Antwerpen nicht ?
"Gnade uns, wer auch immer, dass uns die brasilianische Mutation erspart bleibt."
Neuesten Laboruntersuchungen an der Universität Oxford zufolge soll das Vakzin von AstraZeneca wohl auch gegen P.1 wirksam sein.
Das wäre zumindest ein Lichtblick.
Herr Paasch, können Sie garantieren, dass es nur vier Wochen dauern wird. Der Virologe Marc Van Ranst sagt jetzt schon man kann noch nicht sagen wie lange es dauern wird. Wann werden die Kontrollen dort verschärft, wo die Ansteckungen wirklich geschehen. Wenn ich mich auf einer unerlaubten Feier anstecken würde, würde ich auch sagen ich war nur beim Frisör.
Tatsache Marc van Ranst will den totalen Lockdown bis Corona im Prinzip ausgerottet ist.
Und ich glaube nicht daran, dass in 4 Wochen wieder der Lockdown aufgehoben wird. Man erinnere sich an das Reiseverbot, was immer wieder stillschweigend verlängert wurde, nun wieder Fall.
Eigentlich müsste die EU, jetzt auch mal gegen Belgien Disziplinarverfahren einführen, da die EU über das Reiseverbot nie informiert wird.
Ich wette, dass am 19.4 gesagt wird. Die Grenzen sind offen, aber es wird ein Tourismusverbot oder was ähnliches ausgesprochen, sodass keiner im Prinzip das Land verlassen darf.
Und die "Osterpause" wird mit sicherheit erst zu Pfingsten aufgehoben, wie der Lockdown letztes Jahr....
Es ist in höchstem Maße unredlich, wenn Herr Paasch behauptet, es bedürfe "nur" noch einer letzten Kraftanstrengung. Ich bezweifle, das ein "kurzer, harter Lockdown" die Lösung bringt. Auch hier von "Trost" zu sprechen ist unnötige Rhetorik. Wir brauchen funktionierende Impfstoffe und ein unbürokratisches Impfprozedere, das schafft mehr Perspektiven als "Durchhalteparolen" vom Stapel zu lassen.
@Bernd Connotte
Weder Herr Paasch, noch andere Politiker sind Zauberer oder Hellseher!
Fakt ist: Anscheinend sind die Menschen nicht vorsichtig genug und die Zahlen gehen weiter in die Höhe - da nutzt auch das ganze Geschimpfe auf 'die Politik' nix! 🙁
Wollen Sie denn die ganzen Beschränkungen aufheben? Denken Sie, wenn die Krankenhäuser voll sind, das Personal dort am Ende der Kräfte ist, es wär nicht so schlimm? Und was, wenn Sie dann z. B. mit einer Verletzung oder Krankheit dort nicht mehr aufgenommen werden können? Auch mal an sowas gedacht?
@LR Jusczyck
Astra Zeneca ist gegen die brasilianische Variante eingeschränkt wirksam.
Nachdem Astra Zeneca erklärt hat, im 2. Quartal 60% weniger Impfstoff als zugesagt an die EU liefern zu wollen, fällt es mir schwer, dieses Unternehmen mit Lichtblicken in Verbindung zu bringen.
Neben Johnson und Johnson (die frühestens Ende April liefern können) wäre Astra Zeneca der Impfstoff, der am einfachsten in den Arztpraxen geimpft werden könnte.
Wenn er nicht in ausreichenden Mengen verfügbar ist, nützt dies niemandem.
Die wievielte letzte Anstrengung? Wer glaubt noch daran? Mir fehlt der Glaube. Die Politiker wissen nicht mehr ein noch aus. Wie lautet der Titel eines italienischen Schlagers? Parole, parole, parole....
@Ulla Roder
Vielen Dank für Ihren sachlich formulierten Kommentar !
Dieses ewige Meckern u. Nörgeln bringt uns auch nicht weiter;
die Besserwisser sollten es selber besser machen, dann wird nicht mehr viel kommen !
Ein Klassiker in Krisenzeiten : Durchhalteparolen.
KURIOS! Als MP Paasch auf deutsch sprach, schaltete RTL-TVI das Bild weg (bei der RTBF blieb es) Minister Vandenbroucke wurde wieder zugeschaltet!!! Sehr nette Geste zum abschalten!!!