Die Maiennacht ist für viele Ostbelgier eine der bekanntesten Melodien. Auf wallonisch klingt sie allerdings etwas ungewöhnlich. Dabei findet sie ihren Ursprung gerade in der Wallonie. "'Lu nut' du May', das Lied der Maiennacht, ist ursprünglich auf wallonisch verfasst worden", erklärt der Historiker Philippe Beck.
"Es stammt aus dem Jahr 1868, ist von Florent Lebierre verfasst worden und es ist zu diesem Zeitpunkt, also nach dem Staatenwechsel, ein starker Ausdruck der wallonischen Identität."
In der wallonischen Geschichte spielte das Lied schon mehrmals eine besondere Rolle. So auch vor 100 Jahren, in der Maiennacht 1920. Ausgangspunkt war eine Statue, Peter Prüss genannt, die 1910 zu Ehren Wilhelms des II. erbaut wurde.
Nun hatte General Baltia angeordnet, diese Statue, die an die militärischen Erfolge der Preußen des 19. Jahrhunderts erinnerte, entfernen zu lassen. "Diese Statue stellt einen preußischen Krieger dar, der in Uniform abgebildet ist, siegreich eine Fahne hochhält und den linken Fuß auf eine Kanone gestemmt hat. Es ist also ein starker Ausdruck des deutschen Nationalismus", verdeutlicht Philippe Beck.
Genau an diesem offensichtlichen preußischen Nationalismus störten sich einige Malmedyer, darunter der Club Wallon, der die sprachlichen und kulturellen Rechte der wallonischen Bevölkerung verteidigen wollte.
Die Zugehörigkeit zu Belgien, die gerade im Zuge des Versailler Vertrags beschlossen wurde, erlaubte es den Wallonen, ihre Identität nun offener nach außen zu tragen und auch zu behaupten. "Viele Malmedyer sind stolz auf ihre Folklore, auf ihren Karneval und auch auf ihre folkloristischen Lieder. Die Maiennacht gehört dazu", weiß Beck.
"Zu diesem Zeitpunkt, eben in der Zwischenkriegszeit, war das Lied der Maiennacht ein starkes Symbol, um die wallonische und frankophone Identität zu behaupten, beziehungsweise wieder behaupten zu können."
Und so kam es, dass in der Maiennacht 1920 das "Peter Prüss" genannte Denkmal enthauptet, demontiert und begraben wurde. Und um eben dieser Aktion eine besondere Symbolkraft zu verleihen, sollen die Anwesenden dabei die Maiennacht in ihrer wallonischen Version gesungen haben. Ob das Lied tatsächlich gesungen wurde, ist umstritten.
Sechs Jahre später allerdings sang man zu einem besonderen Anlass die Maiennacht, was laut Philippe Beck deutlich macht, welchen besonderen Wert dieses Lied für die Malmedyer Wallonen hat.
"Eine weitere Anekdote ist zum Beispiel, dass dieses Lied - und das ist wirklich belegt und überliefert - auch 1926 beim Einweihen der Statue für den Abbé Pietkin in Sourbrodt gesungen worden ist, mit ähnlichen Motiven: um eben die frankophone und wallonische Identität und die Verbindung zur Latinität zu unterstreichen."
Erklingt heute dieses Lied, um einer jungen Frau die Zuwendung auszudrücken, dann ist wahrscheinlich den wenigsten der wallonische Ursprung bewusst. Vor allem aber die Rolle, die dieses Lied in der Zwischenkriegszeit gespielt hat, ist eine besondere.
Andreas Lejeune
Ein sehr Interessanter Beitrag .
Und wieder was dazu Gelernt !
Dieses schöne Lied wurde nach Kriegsende 14-18 in unsere Plattdeutsche Gegend gebracht durch Vinzenz Wiesemes (Finsterjannes) ausAmel. Er machte damals seine Schmiedelehre in der Malmédyer Schmiede Kruft. Vinzenz war Mitglied des Musikvereins "Hof von Amel", und dieser Verein spielte es damit zum ersten mal auch in der hiesigen Gegend. Unvergessen war der Auftritt dieser schönen Melodie, so gut Gesanglich in Original Wallonischer Fassung, wie auch Instrumental anlässlich des Besuchs des Ameler Musikvereins bei der damals befreundeten "Bauerkapelle Pilsbach" in Vöcklabruck/Oberöstereich.
Viele schöne und bleibende Erinnerungen, besonders in den Jugendjahren verbindet man heute noch immer gerne mit diesem schönen alten Brauch "Maienatsonge"!