Am 18. Januar 1919 begann die Pariser Friedenskonferenz nach dem Ersten Weltkrieg. Sie endete mit dem Versailler Vertrag. Die Ostkantone wurden belgisch und Belgien um die deutsche Sprache reicher. Zur hundertjährigen Zugehörigkeit zu Belgien in diesem Jahr kam König Philippe nach Eupen ins Parlament.
Für Ministerpräsident Oliver Paasch immer wieder eine besondere Ehre: "Der König bringt damit zum Ausdruck, dass er die Deutschsprachigen Belgier besonders wertschätzt."
100 Jahre – mit Tiefen und Höhen für die Ostbelgier. "Vor 100 Jahren wäre das sicherlich kein Grund zu feiern gewesen. Aber heute sind wir stolz, Belgier zu sein. Und so feiern auch die Bürger ihre Staatszugehörigkeit und ihren König.", sagt Parlamentspräsident Alexander Miesen. "Hier draußen stehen bei Minus-Temperaturen ungefähr 100 Leute, Bürger aus Ostbelgien, die den König noch treffen möchten."
Dass vor allem die Nachkriegsjahre sehr konfliktreich waren, daran erinnert der Historiker Carlo Lejeune im November. Er bringt das Stück "100 Jahre Ostbelgien – Was für ein Theater" auf die Bühne. "Nach vier Jahren müssen wir Belgische Soldaten werden. Aber da wollen wir noch nichts von Belgien wissen, wir sind Deutsche und wir wollen Deutsche bleiben", erklärt Lejeune.
Proteste: Gelbwesten, Landwirte und vor allem Jugendliche
100 Jahre Zugehörigkeit zu Belgien - bei weitem nicht das einzige Jubiläum in diesem Jahr – aber dazu später mehr. Im Januar holte uns nämlich recht schnell die Gegenwart ein. Gleich zum Jahresbeginn schwappt die Gelbwestenbewegung aus Frankreich über.
Am Abend des 1. Januar legen zehn Gelbwesten Feuer am Autobahngrenzübergang Lichtenbusch. Der Brand ist schnell gelöscht. Ein Strohfeuer.
An gleicher Stelle protestieren Ende Januar Dutzende Landwirte gegen internationale Freihandelsabkommen und für fairen Handel. Da sei auch der Verbraucher gefragt.
Wie das gehen kann, zeigt die Kooperative Fairebel – und das seit exakt zehn Jahren. Landwirt Erwin Schöpges war damals ein Mann der ersten Stunde: "Man hat uns damals nicht für ernst genommen. Wir haben eine Genossenschaft heute mit ungefähr 500 Milchbauern in ganz Ostbelgien und ich denke da können wir auch alle gemeinsam stolz drauf sein."
Das Protestthema 2019 lautet aber Klima oder viel mehr Klimapolitik. Greta Thunberg findet auch in Ostbelgien Anhänger. Youth for Climate protestiert in Belgien immer donnerstags. Manuel Zimmermann berichtete von einer der Demos: "Wenn man mit den Jugendlichen spricht dann nehmen sie den Protest doch schon sehr ernst. Und das sind auch keine Schulschwänzer im eigentlichen Sinne, meistens sind die Eltern wohlwollend, heißt es."
Mit Plakaten sind auch mehr als 30 Schüler aus Ostbelgien nach Lüttich und Brüssel gefahren. Zum ersten Mal mit dabei war auch der 17-jährige Leon aus Eupen. "Ich fand die Idee einfach super, dass Jugendliche auf die Straße gehen. Und habe mich gewundert, dass 35.000 letzte Woche dabei waren. Deswegen habe ich mir gesagt, ich kann auch ein Teil davon sein und bin mitgekommen", erzählt der Eupener.
Ende Mai gehen die Schüler dann auch in Ostbelgien auf die Straße In St. Vith haben rund 150 Schüler für mehr Klimaschutz demonstriert. Organisiert von drei Schülern der Bischöflichen Schule.
Auch in Ostbelgien will die Politik den Jugendlichen zuhören. Nicht nur, dass die DG-Regierung ohnehin einen Klimaplan vorlegen muss. Gleich zwei Mal lädt das Parlament Jugendliche ein, um über Klimapolitik auszutauschen. Das erste Mal am 4. April.
Ideen der Jugendlichen, über die Politiker nachdenken sollen und dabei wohl auf die Probleme des Faktischen stoßen. Es war schon eine Mammutaufgabe, dass die Deutschsprachige Gemeinschaft im Februar erstmals selbst dafür verantwortlich ist, das Kindergeld auszuzahlen.
Uneinigkeiten beim Kindergeld
In der Deutschsprachigen Gemeinschaft hat die neue Auszahlungsstelle für das Kindergeld ihre Feuertaufe bestanden. Pünktlich zum 8. Februar hatten knapp alle 8.000 Familien ihr Geld bekommen.
Mehr als zwei Drittel der Familien erhalten mehr Geld als im alten System. Je nach Kinderzahl und Alterskonstellation der Kinder ist das neue System aber nicht von Vorteil. Einer der Hauptkritikpunkte der CSP-Opposition. Im Oktober dann die Meldung, dass die Regierung den Haushalt bei den Familienzulagen anpassen muss.
Ecolo-Mandatar Freddy Mockel hatte angemerkt, dass die Ausgaben für dieses Jahr um zwei Millionen Euro höher ausfallen als die Summe, die der Föderalstaat für die Familienzulagen an die DG überweist. Das seien 600.000 Euro mehr, als ursprünglich gedacht, so Mockel.
Antoniadis begründete die Differenz damit, dass die Zahlen auf einer Simulation des Föderalstaates basierten, dieser aber nicht alle Angaben hatte. Ein anderer Grund sei, dass durch die Anhebung der Einkommensgrenze mehr Auszubildende und Studierende wieder Kindergeld erhalten, und auch mehr Kinder Anrecht auf den Sozialzuschlag hätten, so der Sozialminister.
Damit die Krankenhäuser gesund wirtschaften, sollen sie Netzwerke bilden. So will es die Föderalregierung. Die Kliniken Eupen und St. Vith schließen sich dem regionalen Netzwerk in katholischer Trägerschaft an. Malmedy bevorzugt das Netzwerk in öffentlicher Trägerschaft. In Zukunft soll es nicht mehr jede Behandlung überall geben.
Ingrid Mertes, die Direktorin des St. Vither Krankenhaus ist, findet vor allem eins wichtig: "Dass man in den Krankenhäusern Anlaufstellen für alles finden kann. Und wenn man etwas nicht vor Ort macht, dass man den Leuten helfen und sie weiter vermitteln kann."
Das Eupener Krankenhaus präsentiert dieses Jahr einen Verlust von 1 Mio. Euro. Sparpotential sieht Eupens Krankenhaus Direktor René Jost, wenn beide Krankenhäuser sich zusammenschlössen. "Zum anderen denke ich auch, dass viele administrative Bereiche gemeinsam besser gestemmt werden könnten."
Aber St. Vith ziert sich – Fortsetzung folgt.
Trauer und Freude
Zum Beginn des Jahres können Autofahrer in Aachen aufatmen – auch wenn die Luft nicht überall die Stickoxydgrenzwerte einhält, dürfen Dieselfahrer weiter in die Innenstadt – vorerst.
Im ersten Halbjahr trauert der BRF um gleich vier ehemalige Kollegen. Am 8. Januar stirbt Brüssel-Korrespondent Albert Schönauen, er wäre dieses Jahr 70 geworden. Im Mai nehmen wir Abschied von Inge Gerkens. Sie war eine der Pionierinnen des deutschsprachigen Rundfunks und machte fast 50 Jahre lang Programm im BRF. Inge Gerkens wurde 95 Jahre alt.
Kurz darauf erliegt Guy Janssens seiner langen schweren Krankheit. Der Musikredakteur, Moderator und DJ wurde 67 Jahre alt. Rund eine Woche später folgt ihm der ehemalige BRF-Sportjournalist Erich Heeren. Seine blumige Sprache war sein Markenzeichen. Erich Heeren stirbt im Alter von 79 Jahren.
Gefeiert wurde aber auch. Die Tagesstätte Meyerode besteht seit 40 Jahren. Und das Arbeitsamt der DG feiert 30. Geburtstag. Direktor Robert Nelles: "Mein größter Wunsch ist, dass das Arbeitsamt weiterhin innovativ bleibt."
Einen neuen Job hat seit April André Henkes. Der St. Vither Jurist ist neuer Generalprokurator am Kassationshof – also oberster Ankläger am höchsten ordentlichen Gericht des Landes. Ein Amt, für das er sich einiges vorgenommen hat: "Wir müssen wieder einen Dialog schaffen zwischen den drei Verfassungsgewalten. Das erreichen wir nur wenn wir aufeinander zugehen. Wir können nicht weiter, jeder in seinem Schützengraben auf den anderen schießen. Dann kommen wir nicht weiter."
Ganz viel Dialog war nötig, damit Eupen im Januar endlich das neue Justizgebäude einweihen kann. Gerichtspräsident Charles Heindrichs sieht den Gerichtsbezirk damit gut aufgestellt. "Wir haben endlich nach 30 Jahren Geduld ein Gebäude wo der Rechtssuchende alles in einem Ort finden kann. Vor allen Dingen ist es ein Gebäude das auch für ein Justizgebäude vorgesehen ist.
Auf das Gericht kommt im nächsten Jahr möglicherweise der erste Schwurprozess in Eupen überhaupt zu. Weil jetzt die Infrastruktur stimmt, könnte dann hier der Mordfall Joseph Lenaerts verhandelt werden.
In der Zwischenzeit kümmert sich die Eupener Justiz um einen spektakulären mutmaßlichen Betrugsfall. Fünf Ostbelgier sollen tausende Bürger illegal mit dem Programm des deutschen Bezahlfernsehsenders Sky versorgt haben. Besonders begehrt sind die Spiele der deutschen Bundesliga. Weil die mutmaßlichen Drahtzieher damit auch viel Geld verdient haben soll, droht ihnen zudem eine Verurteilung wegen Geldwäsche. Insgesamt ginge es dann um Haftstrafen von bis zu mehreren Jahren und hohe Geldstrafen.
Auch für diejenigen, die vom dem verlockenden, aber illegalen Sky-Angebot Gebrauch gemacht haben, könnte das Ganze noch ein Nachspiel haben, warnt Prokuratorin Andrea Tilgenkamp. "Neben dem strafrechtlichen Verfahren, wäre natürlich auch immer ein Zivilverfahren von seitens Sky möglich."
Und noch einer hat dieses Jahr den Stecker gezogen. "Wenn man einen Sonderauftrag nicht annimmt und trotzdem Parteimitglied bleibt, dann geht der Druck los. Die SP ist darin gut geübt. Diesem Druck habe ich mich definitv entzogen. Ich bin jetzt frei", verkündete Edmund Stoffels im November.
Im Frühjahr hatte sich Edmund Stoffels seinen politischen Lebensabend noch ganz anders vorgestellt. 20 Jahre lang war er Abgeordneter im Regionalparlament. 20 Jahre, in denen das Thema Raumordnung zu seinem Steckenpferd wurde.
Bei den Wahlen im Mai tritt Stoffels nicht mehr an. Und weil seine Expertise in dem Gebiet unbestritten ist, sollte er als Sonderbeauftragter die DG-Regierung in Sachen Raumordnung beraten. Beide kommen in zwei Punkten aber nicht zusammen. Zum einen inhaltlich: "Ich habe Ende 2018 der Regierung vorgelegt, wie ich mir die Reform vorstelle. Aus diesem Dokument ist nicht ein enziger Passus genommen worden."
Aber auch persönlich fühlt sich Stoffels gegängelt. "Die Tatsache, dass es den Versuch gibt, mich ständig an Weisungen zu binden, die mir die freien Gestaltungsmöglichkeiten wegnehmen", drückt er es aus.
Der zuständige Minister und Parteifreund Antonios Antoniadis bedauert, dass Edmund Stoffels den Sonderauftrag nicht annimmt und setzt auf die anderen im Team. "Plan B ist Plan A. Wir haben eine Reihe von Leuten, die aktiv daran arbeiten. Da vertraue ich auf das Knowhow, auf das Input, das ich im Team haben werde." Und Stoffels will seine Expertise weiterhin allen zur Verfügung stellen.
Wahlen: Zwei deutschsprachige Kandidatinnen für das Regionalparlament
Einen Rücktritt der nicht alltäglichen Art erleben wir einige Wochen vor den Wahlen vom 26. Mai. "Ich finde, dass Ecolo ein sehr schönes allgemeines großes Ziel hat und bin natürlich froh, dass man mir angeboten hat, daran mitarbeiten zu können", sagt Christine Mauel im Januar.
Als Spitzenkandidatin für die Regionalwahl sollte Mauel für Ecolo im Wahlkreis Verviers antreten. Der Einzug ins Parlament ist quasi garantiert. Keine zwei Monate später die Kehrtwende im März: "Das ganze ging sehr schnell bei Ecolo und danach habe ich erst wirklich gemerkt, wie weitreichend das ist. Und deswegen denke ich, bin ich effektiv vom familiären Hintergrund auch eher bei den liberalen angesiedelt."
Weniger Zweifel an ihrer politischen Heimat hat Anne Kelleter, die neue Spitzenkandidatin von Ecolo. "Weil die Werte von Ecolo mir auch persönlich sehr wichtig sind. Und weil ich glaube, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um auch diese Werte nach vorne zu bringen", so ihre Worte.
Gewählt wurden schließlich beide ins Wallonische Regionalparlament. Kattrin Jadin verteidigte ihren Sitz in der Kammer – verlor aber besonders in Ostbelgien viele Stimmen.
Pascal Arimont wieder Europaabgeordneter
Die CSP hat in der DG sozusagen ein Abo auf das Mandat der Europaabgeordneten. Ein Dorn im Auge der anderen Parteien. Schützenhilfe erhalten sie von einer Studie. "In einer Arbeit des ostbelgischen Doktoranden Mike Mettlen wird eine Veränderung der bisherigen Wahlpraxis ins Spiel gebracht. Mehrere Parteien würden dann ihre Kandidaten auf einer Liste präsentieren, und je nach Ergebnis rotieren lassen. Denn durch das bisherige System, seien die Deutschsprachigen Belgier auf Europäischer Ebene nicht ausreichend repräsentiert", so die Berichterstattung über die sogenannte Mettlen-Studie.
Vivant und CSP lehnen den Vorschlag ab. Gewählt wird am Ende wieder Pascal Arimont, der im Vergleich zur letzten Wahl zudem deutlich mehr Stimmen erhält. "Dass ich jetzt fünf Prozent mehr habe - und dann noch dieses Vorzugsstimmen-Ergebnis - das habe ich nicht erwartet und freut mich umso mehr."
ProDG stärkste Fraktion in der DG
Großer Jubel am Wahlabend bei ProDG. Nach Stimmen ist die Bewegung nun stärkste politische Kraft in der Deutschsprachigen Gemeinschaft. Ihr Spitzenkandidat Oliver Paasch der Mann mit den meisten Vorzugsstimmen. "Es erfüllt mich mit großer Dankbarkeit, weil so viele Menschen mir auch persönlich ihr Vertrauen aussprechen", so Paasch.
Verloren haben die beiden Koalitionspartner. Die PFF büßt sogar einen Sitz im Parlament ein. "Wir sind sehr enttäuscht. Wir haben gehofft, besser überzeugt zu haben - auch in den letzten fünf Jahren. Offensichtlich ist uns das nicht gelungen", sagt Isabelle Weykmans von der PFF.
Knapp wird es auch bei der SP. 13 Stimmen mehr als Vivant sichern den vierten Parlamentssitz und die Mehrheit für die Koalition. "Natürlich wünscht man sich, dass es mehr ist. Allerdings muss man bedenken, dass wir beim letzten Mal einen Ministerpräsidenten-Bonus hatten, den hatten wir dieses Mal nicht", erklärt sich SP-Spitzenkandidat Antoniadis das Ergebnis.
Vor der Wahl hatte das bisherige Bündnis aus ProDG, SP und PFF erklärt, weiterzumachen, wenn die Zahl der Sitze reicht – das ist nur haarscharf gelungen. Die CSP muss nach der Wahl einen Parlamentssitz abgeben. Trotzdem wittert Spitzenkandidat Colin Kraft da noch Morgenluft. "Man kann die Wahl so bewerten, dass die amtierende Mehrheit nicht bestätigt worden ist. Wir stehen selbstverständlich zur Verfügung, für einen offenen Dialog."
Auch die Grünen legen zu. Spitzenkandidat Freddy Mockel dazu: "Wir haben unser Ziel erreicht und wieder drei Sitze. Da werden wir uns mit Freude in die Arbeit schmeißen."
Der eigentliche Wahlgewinner heißt aber Vivant mit Michael Balter an der Spitze. "14,8 Prozent der Stimmen ist ein tolles Ergebnis. Es gibt drei Eifelgemeinden, wo wir mit Abstand die stärkste Partei sind. Wir waren vielleicht nicht in Zahlen die stärkste Oppositionspartei, aber ich glaube, man kann sagen in Taten."
Am Ende hält das Versprechen von vor der Wahl: Die alte Koalition wird auch die neue.
Eine Überraschung gibt es aber doch noch: SP-Urgestein Karl-Heinz Lambertz kehrt auf die DG-Ebene zurück. ProDG, SP und PFF machen also weiter. Die Begründung: Verlässlichkeit sei wichtiger als Popularität.
Gerade an der Personalie Karl-Heinz Lambertz scheiden sich die Geister. Wie kann es sein, dass ein Wahlverlierer das höchste Amt in der Deutschsprachigen Gemeinschaft bekleidet?
Karl-Heinz Lambertz lässt sich von der Kritik nicht beeindrucken. "Es ist sehr viel diskutiert worden, auch wahnsinnig viel gehetzt worden - weit unter der Gürtellinie. Ich habe das Amt angenommen, weil ich in der letzten Phase meines politischen Wirkens hier an der Spitze des Parlamentes glaube, einen konstruktiven Beitrag zur Weiterentwicklung unserer Gemeinschaft leisten zu können."
Große Enttäuschung bei Ecolo, die sich eine Regierungsbeteiligung gewünscht hätten, aber nicht als zusätzliches Rad am Wagen, das rechnerisch gar nicht nötig ist.
Vielleicht tröstete es ja, dass die Regierung in ihrem Programm zumindest dem Anschein nach auf die Opposition zugeht. Beispiel: Ecolo beklagt schon im Wahlkampf die "Zerwaltung": "Es ist so ein bisschen eine Wortschöpfung zwischen Verwalten und vielleicht auch Zerstören. Wir möchten haben, dass neben der Deutschsprachigen Gemeinschaft weiterhin Organisationen, Vereine und die Gemeinden, Luft zum Atmen haben."
Ein halbes Jahr später verspricht Ministerpräsident Paasch Bürokratieabbau: Abbau von Bürokratie, Bündelung von Maßnahmen, Schutz des Klimas. Da fanden sich besonders Vivant und Ecolo wieder. Dass die Regierungserklärung deren Handschrift trage, wollten die Minister so nicht stehen lassen. Man habe zwar bewusst Themen der Opposition aufgegriffen der weitaus größte Teil der Projektvorschläge stamme aber aus dem regionalen Entwicklungskonzept.
Ostbelgien nimmt Abschied
Das politische Ostbelgien nimmt in diesem Jahr Abschied von Alfred Lecerf. Der langjährige Bürgermeister von Lontzen stirbt am 7. Februar im Alter von 70 Jahren. Ende Januar stirbt die Raerener Ehrenschöffin Irene Mennicken. Sie wurde 77.
Im Juni trauert Bütgenbach um seinen Ehrenschöffen Alfons Furhmann. Er starb im Alter von 74 Jahren. Und Ende Oktober stirbt Willy Bosch. Der Eupener war der Präsident den belgischen Boxverbandes, er wurde 72.
In Schönberg laufen in März und April die Passionsspiele. Rund 100 Darsteller bringen die Leidensgeschichte Jesu in modernem Gewandt auf die Bühne. Zum ersten Mal seit sieben Jahren. Regisseur Alfons Velz: "Wir haben elf Mal ausverkauftes Haus gehabt und natürlich ein großes Gefühl der Dankbarkeit: auch dafür, dass niemand krank geworden ist. Denn wir haben keine Doppelbesetzungen."
Im April pilgern 300 Ministranten aus der gesamten Deutschsprachigen Gemeinschaft eine Woche nach Rom und Assisi.
Ende November löst sich der Karmel in Bütgenbach auf. Die letzten Schwestern des Klosters auf der Domäne ziehen ins Mutterhaus nach Eupen. Die Franziskanerinnen von der Heiligen Familie waren fast 35 Jahre im Karmel tätig: "Also wir Schwestern verlassen diesen Ort mit Wehmut, aber auch mit dankbarer Freude, dass wir unseren Auftrag erfüllen durften und konnten", sagte die Generaloberin Marianne Jungbluth.
Lontzen erinnert seit Januar mit einem neuen Denkmal an tausende jüdische Kinder, die vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges mit Zügen aus Deutschland in Sicherheit gebracht wurden. Viele von ihnen betraten dabei in Herbesthal zum ersten Mal wieder ein Land, in dem sie nicht Menschen zweiter Klasse waren.
Fast gleichzeitig feiert in Eupen das neue Stadtmuseum Eröffnung. Sieben Jahre haben die Umbauarbeiten gedauert. Parallel entstand die neue Ausstellung. Direktorin Catherine Weißhaupt erklärt das Museumskonzept: Das wichtigste ist natürlich diese Tuchindustrie, aber Brauchtum und Folklore sind natürlich auch wichtig. Wir möchten wirklich zeigen, was ist der Charakter der Stadt, und das wird dann wie so ein roter Faden dargestellt."
Im Frühsommer präsentiert Eupen das neue Stadthaus. Bürgermeisterin Claudia Niessen: "Es hat viele Skeptiker gegeben im Personal. Ich sehe aber jetzt sehr gut gelaunte Gesichter jeden Morgen. Insgesamt ist der Empfang über all in allen Diensten deutlich besser und viel ruhiger als vorher."
Eupens Generaldirektor René Bauer bezieht sein neues Büro, um es nach wenigen Wochen gleich wieder zu verlassen. Nach einem Vierteljahrhundert im Dienste der Stadt geht er in den Ruhestand. "Es war eine sehr schöne und aufregende Zeit. Was bei mir hängen geblieben ist, dass sind die guten Erlebnisse."
Und René Bauer hinterlässt ein wahres Personalkarussell in den Gemeinden. Sein Nachfolger in Eupen wird Raerens Generaldirektor Bernd Lentz, ihn beerbt Pascal Neumann, der bis dahin Generaldirektor in Lontzen war.
Ende der Jacques-Ära
"Die Jacques-Schokolade genau wie belgische Schokolade allgemein ist in unseren Augen die beste in der Welt", sagt Matthias Ortman. Er war bis 2005 Chef der Chocolaterie Jacques. Sie hat am 17. Mai ihre Produktion eingestellt. 67 Mitarbeiter verlieren ihren Job.
Der Eigner, die Baronie Gruppe, schließt den Standort Eupen. Wie es heißt aus Umsatz- und Qualitätsmängel. "Wissend, dass Jacques erfolgreich Schokolade hergestellt hat, finde ich die Situation zum Heulen", so Ortmann.
Anfang September die nächste Hiobsbotschaft. Auch der Match an der Herbesthaler Straße will schließen. Grund sind finanzielle Schwierigkeiten des Betreibers "Louis Delhaize".
Die Supermarktkette schreibt seit 2013 durchgehend Verluste. Die Filiale an der Hochstraße gehört zu den Match-Geschäften, mit den größten Problemen, sagt Laurent Vanden Brande von Match Belgien. "Wir haben eine Analyse zum Rentabiliätspotential für all unsere Match und Smatch Geschäfte in Belgien durchgeführt. Mit dem Geschäft in Eupen verlieren wir Geld. Wir haben es in Eupen nie geschafft, in die Spur zu kommen." Ende des Jahres soll Schluss sein.
Die Wirtschaft buchstäblich in die eigene Hand genommen, haben die Einwohner von Mürringen. Nachdem die letzte Wirtschaft in Dorf Ende Juli ihre Pforten geschlossen hatte, riefen Bürger auf, den Saal Jaspsch neu zu beleben. 100 Ehrenamtliche sollten den Betrieb sichern. Gemeldet haben sich weit mehr Menschen. Ingrid Rupp ist von der Resonanz überwältigt. "Ich muss sagen, ich als absoluter Pessimist bin jetzt einer von den stärksten Optimisten und es macht noch mehr Spaß."
Runde Geburtstage
2019 feiert das Zentrum für Förderpädagogik 10. Geburtstag, Menschen für Menschen Ostbelgien feiert 25 Jahre Hilfe für Äthiopien, genauso lange steht seit diesem Jahr die Kabarettgruppe Jedermann auf der Bühne. Legendär ist inzwischen Edgar Paulus als Häuptling Lapatsch.
Vor 25 Jahren demonstrierten in Ostbelgien Bürger gegen ein mögliches Atommüllendlager in Amel. Der Protest gegen ein geplantes Woodstock-Revival lag dieses Jahr genau 20 Jahre zurück.
Der Patientenrat und Treff feiert 2019 40. Geburtstag und das Staatsarchiv in Eupen wird 30. Leiterin Els Herrebout: "Das Staatsarchiv in Eupen bildet das Gedächtnis der Deutschsprachigen Gemeinschaft. Das hört sich pompös an, aber das trifft wohl den Kern der Sache." Für sie und ihre Arbeit gab es in diesem Jahr als Auszeichnung das Hecking-Schild vom Geschichtsverein ZVS.
Wie wichtig die Erinnerung an die eigene Geschichte ist, haben die letzten Wochen gezeigt. Vor 75 Jahren begann in Ostbelgien die Ardennen-Offensive. St. Vith wurde Weihnachten vor 75 Jahren völlig zerstört und zahlte einen besonders hohen Preis. Die Stadt hat in diesem Jahr 20 US-Veteranen mit einem Denkmal für ihren Kampf um unsere Freiheit geehrt. "Die Belgier haben dieses Männern das Gefühl gegeben, wichtig zu sein. Dass man ihnen nach 75 Jahren noch dankbar für die Freiheit ist, vollendet ihr Leben", sagt Andrew Biggio, der einige US-Veteranen des Zweiten Weltkriegs nach Belgien gebracht hat.
Trockener Sommer
Im Sommer vor 50 Jahren blickten die Ostbelgier gebannt in den Himmel, als die USA die ersten Menschen zum Mond brachten.
In diesem Jahr schauen sie in den Himmel und suchen kühlenden Regen. Es ist der zweite trockene Sommer in Folge. Wald und Felder leiden und Gemeinden machen sich Sorgen um die Wasserversorgung. "Wenn es dicke kommt mit der Trockenheit, kann man nicht von Versorgungssicherheit über die nächsten drei bis vier Wochen sprechen. Jede Stunde Regen ist willkommen." So drückt es Schöffe Charles Servaty aus, der in der Gemeinde Bütgenbach für die Wasserversorgung zuständig ist.
Denn die Quellfassungen haben sich von der Trockenheit im letzten Jahr noch nicht erholt. Deswegen ist die Bevölkerung auch dazu aufgefordert, umsichtig mit Wasser umzugehen.
Noch akuter leidet die deutsche Grenzgemeinde Roetgen am 13. März unter Extremwetter. Ein Tornado zieht eine Schneise der Verwüstung durch den Ort. Bürgermeister Jorma Klauss: "35 Häuser sind in Mitleidenschaft gezogen, zehn davon aktuell nicht bewohnbar. Zwei davon offensichtlich so zerstört, dass sie auf Dauer nicht bewohnbar sind."
In die Schlagzeilen gelangt die Eifel in diesem Jahr auch wieder durch den Wolf. Schon letztes Jahr galt es als sicher, dass der Wolf das Hohe Venn wieder entdeckt hat. Im Februar gibt es dann den fotografischen Beweis. Der Vervierser Naturfotograf Roger Herman hat das Raubtier vor die Linse bekommen. "Ich hatte gerade ein paar Rehe gesehen, als ich auf einmal ein anderes Tier im Gebüsch bemerkte. Als er aus dem Graben herauskam, sah ich dann den Wolf. Das war der Moment meines Lebens."
Neues Schuljahr mit Veränderungen
Wie gut sprechen ostbelgische Schüler Französisch? Darüber gehen die Meinungen auseinander. Laut wissenschaftlicher Untersuchung ist die Lage gar nicht so schlecht. Der anerkannte DELF-Test bescheinigt im Februar: 80 Prozent der DG-Schüler in den sechsten Klassen haben bestanden.
Mehr graue Haare bescherte wohl der Pisa-Test. Die Lesekompetenz der 15 bis 16-jährigen Schüler in Ostbelgien hat sich verschlechtert. Und auch im Bereich Naturwissenschaften haben die Leistungen nachgelassen. Im Fach Lesen liegt die Deutschsprachige Gemeinschaft so gerade noch im OECD-Durchschnitt.
Die Musikakademie der Deutschsprachigen Gemeinschaft kommt im April in ihrem neuen Zuhause an. Sie bezieht die Villa Peters in der Eupener Unterstadt, die aufwendig grundsaniert wurde.
Im Mai übernimmt das Regionale Zentrum für Kleinkindbetreuung die neue Kinderkrippe in Hergenrath. 24 Plätze stehen hier zur Verfügung.
Neu in der Maria-Goretti Schule in St. Vith ist im September, dass hier auch im ersten Sekundarschulklassen Mädchen zusammen mit den Jungs unterrichtet werden. Die MG als Mädchenschule gehört damit der Vergangenheit an. Lehrerin Petra Schumacher: "Das jetzt im ersten Jahr Jungen sind, dass ist etwas ungewöhnlich würde ich sagen, aber nicht spektakulär. Die Schüler sind das ja gewohnt, dass Jungen in der Klasse sind."
Quasi einen Schritt weiter ist die Pater Damian Schule Eupen. Sie führt das digitale Tagebuch ein.
Demokratie, die glücklich macht
Ganz neu lernen dürfen wir ab diesem Jahr die Demokratie. Und so funktioniert der neue Bürgerdialog: Zufällig ausgeloste Bürger sollen in einem Bürgerrat Themen auf die politische Agenda setzen. Anschließend berät eine ebenso zufällig ausgeloste Bürgerversammlung das Thema und spricht Empfehlungen aus, die die Politik anschließend umsetzen soll.
Für den flämischen Autor und Historiker David van Reybrouck ist diese direkte Form der Bürgerbeteiligung der Königsweg in der Demokratieentwicklung. "Am interessantesten sind die jüngsten Forschungsergebnisse. Wir wissen schon, dass die Menschen das ernst nehmen. Wir kommen zu sehr rationalen Kompromissen und sie sind dabei auch schneller als Politiker. Die jüngste Forschung beschäftigt sich mit der Frage, was der Prozess mit den Bürgern selbst macht", so van Reybrouck. "Es ist unglaublich, aber es macht die Menschen glücklich. Das ist außergewöhnlich, weil die jetzige Demokratie macht die Menschen wütend, frustriert, ohnmächtig."
Die Deutschsprachige Gemeinschaft wagt nun ein Experiment, das schon international für Aufsehen sorgt. Der damalige Parlamentspräsident Alexander Miesen: "Es gibt in der Deutschsprachigen Gemeinschaft schon seit vielen Jahren eine Tradition von Bürgerbeteiligung. Das Loseverfahen ist neu, um sicherzustellen, dass wir viele Leute an den Tisch bekommen, die wir üblicher Weise dort nicht sitzen haben", so Miesen. "Und was auch neu ist, dass wir den Bürgerinnen keine Projekte vorlegen. Sondern dass Bürgerinnen und Bürger selbst Projekte ausarbeiten, die sie uns dann vorlegen."
Ausblick auf 2020
Inzwischen hat der Bürgerrat die Pflege als Thema für die erste Bürgerversammlung auserkoren. Nächstes Jahr soll die erste Bürgerversammlung zusammentreten. Ein spannendes Experiment.
2020 wartet auf uns mit Innovation, Tradition und spätestens zur Fußball-EM mit ordentlich Nervenkitzel. Der BRF verspricht Ihnen, mitten drin zu sein – und das mit seinen dann 75 Jahren. Die dürfen wir im nächsten Jahr feiern.
Olivier Krickel