Das Unbehagen war ihnen deutlich anzumerken, als sie Mitte der Woche ihre alte/neue Koalition vorstellten: kein Triumphgesang, noch nicht einmal so etwas wie Erleichterung. Stattdessen immer wieder die Bestätigung, dass man sich doch nur an den vereinbarten Fahrplan gehalten habe. Das ist der Punkt: Denn der Fahrplan stand schon vor den Wahlen fest. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte: Den Anhang zum Koalitionsabkommen bilden die 29 Zukunftsprojekte für die dritte Phase des Regionalen Entwicklungskonzepts. Die hatte Oliver Paasch schon Ende April im Parlament vorgestellt.
Dass die beiden Koalitionspartner geschwächt aus den Wahlen hervorgingen, war nicht geplant. Für den Regierungschef ist das aber eh kein Problem. "Ich erwarte keine Turbulenzen in diesem Zusammenhang, weil wir als ProDG ja auch die Hälfte der Regierung stellen, über zusätzliche Gestaltungsmöglichkeiten verfügen und in der Lage sein werden - das wird man auch in fünf Jahren sehen -, die Lebensqualität in Ostbelgien zu verbessern", so Paasch.
Dazu haben die Koalitionspartner Schwerpunktthemen definiert, die unter der Federführung einzelner Minister behandelt werden sollen: Paasch will sich um Klimaschutz und Biodiversität kümmern. Isabelle Weykmans hofft, in der Regierung sichtbarer zu werden mit Themen wie Fachkräftemangel, einer Neustrukturierung der Berufswahlvorbereitung und der Digitalisierung.
Und Sozialminister Antonios Antoniadis beschäftigt sich mit dem demografischen Wandel. Vor allem aber erbt er das neue Befugnispaket, zu dem der Wohnungsbau und die Raumordnung gehören. "Es wird nicht plötzlich alles möglich sein. Man wird nicht wie in Texas bauen, wo man will", erklärt Antoniadis. "Aber es soll passgenau Antworten geben auf die Landschaft, auf die Anfragen der Unternehmen und vor allem der Privatleute, die hier bauen wollen und nicht mehr durch Bürokratie gegängelt werden sollen."
Dass dieses Paket, das vor der Übertragung noch von mehreren Ministern begleitet wurde, nun bei der SP landet, ist wohl auch kein Zufall. Der bisherige Regionalabgeordnete Edmund Stoffels hatte seine Dossierkenntnis schon vor den Wahlen ins Spiel gebracht. "Edmund Stoffels wird von mir einen Sonderauftrag bekommen - das wird ungefähr im Herbst der Fall sein -, ehrenamtlich, mit einer gewissen logistischen Unterstützung diese neuen Zuständigkeiten zu begleiten und mit mir gemeinsam zu gestalten", so Antoniadis.
Ein weiterer persönlicher Fahrplan wird durch die Rückkehr von Karl-Heinz Lambertz an die Spitze des PDG umgesetzt. "Der Bürgerdialog ist eine einmalige Chance und ich werde mit voller Kraft versuchen, ihn Fahrt aufnehmen zu lassen", sagt Lambertz. "Aber wir müssen noch weiter gehen: Das Parlament muss neue Formen finden, um mit den Menschen in Ostbelgien direkt in Kontakt zu kommen. Ich habe mir dazu schon Gedanken gemacht, möchte aber zuerst einen ausführlichen Dialog mit allen Fraktionen dieses Hauses führen und dann werden wir sehen, wie es weitergeht." Und auch, ob zumindest dieser Fahrplan leichte Abweichungen duldet.
Stephan Pesch