Es seien die Standpunkte einer systemkritischen Partei, schickt Vivant-Spitzenkandidat Michael Balter seiner Programmvorstellung voraus. Und malt erst ein großes Minus auf eine Tafel, dann ein großes Plus. "Wir müssen Einsparungen machen im politischen Apparat. Die Regierung kostet fast vier Millionen Euro im Jahr, das Parlament sieben Millionen Euro pro Jahr. Da liegen enorme Einsparmöglichkeiten, ebenso wie im Ministerium", meint Balter.
"Es kann doch nicht sein, dass wir jede Woche mit Stellenanzeigen fürs Ministerium konfrontiert werden. Da müsste man maßhalten - und dann zurückgeben. Damit meinen wir: die Kaufkraft stärken, indem wir dem Bürger etwas von den Steuergeldern zurückgeben." Und Vivant wüsste auch schon wofür. So rechnet die Partei vor, dass den Eltern die Kosten für den Schulbus rückerstattet werden könnten, wenn die Minister auf eigene Fahrer verzichten und die Ämter des PDG-Präsidenten und des Gemeinschaftssenators von einer einzigen Person wahrgenommen würden - mit geringeren Bezügen, versteht sich.
Betreuungsgeld und Wertgutscheine
Neben einem längeren Elternurlaub und einer zusätzlichen Elternrente schwebt Vivant auch ein Betreuungsgeld für die Eltern vor, die ihr Kind nicht zu einer staatlich finanzierten externen Betreuung geben. Elena Peters aus St. Vith, auf Platz fünf der PDG-Liste, spricht von einem zweigleisigen Modell. "Ich finde gut, dass Kinderkrippen gebaut werden", sagt sie. "Aber man sollte sich wie in den Nachbarländern mehr dafür einsetzen, dass die Mütter oder Väter, die zu Hause bleiben möchten, um ihre Kinder selbst zu betreuen, auch diese Möglichkeit erhalten, ohne finanzielle Schwierigkeiten zu bekommen."
Nach dem Vorbild seiner Wohnortgemeinde Büllingen und ihrer Prämienpolitik denkt der grenznahe Geschäftsmann Michael Balter aus Hüllscheid auch an regionale Wertgutscheine als zusätzliches Zahlungsmittel. "Es gibt viele Möglichkeiten, damit die Kaufkraft nicht ins Ausland abwandert, weil dort Produkte billiger sind", sagt er. "Es ist ja eigentlich ein Unding, gerade in einem Grenzgebiet wie der DG. Vieles geht nur über die föderale und regionale Ebene, aber die DG könnte beim Kindergeld Gutscheine ausgeben, die in hiesigen Geschäften einzulösen wären", schlägt Balter vor.
Pflege und Unterrichtswesen
Für Vivant sollten auch pflegende Angehörige eine Unterstützung bekommen - neben höheren Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen für das Pflegepersonal in den Heimen. In Seniorengenossenschaften mit angepasstem Wohnraum könnten sich Bürger nach ihren Fähigkeiten gegenseitig helfen - die investierte Zeit wird gut geschrieben für dann, wenn man selbst einmal auf Hilfe angewiesen ist.
Mehr Freiheit und Eigenverantwortung wünscht sich Vivant auch für das Unterrichtswesen, angesichts eines Dienstrechts, das veraltet sei und zu sehr viel Bürokratie führe, findet Alain Mertes aus Recht, Spitzenkandidat bei der Europawahl und Platz 3 auf der PDG-Liste. "Wir stellen uns vor, dass die Schulleiter z.B. beim Personalmanagement mehr Freiraum erhalten, selbst Leute einstellen können, denn ein Schulleiter ist ein Betriebsleiter und er weiß, welche Personen auf welche Funktion und welches Fach passen. Er kann und soll mitbestimmen, wer da eingestellt wird", findet Mertes.
Ausdrücklich spricht Vivant im Wahlprogramm auch von zunehmenden Verhaltensauffälligkeiten und fehlendem Benehmen in den Schulen - als einem Erziehungsproblem, das über den schulischen Rahmen hinausweist. "Das ist auch Teil der Verantwortung, diese Themen anzusprechen, auch wenn sie unbequem sind vor den Wahlen", sagt Mertes. "Wir müssen auch die Eltern in die Verantwortung nehmen. Daran kommen wir nicht vorbei, wenn wir die Probleme im Unterrichtswesen in den Griff bekommen möchten."
Volksbefragungen
Weg vom Akademikerwahn und Diplomfetischismus, Aufwertung des Handwerks und Unterstützung der Selbständigen, Konsequenz bei der Arbeitslosenkontrolle und bei der Integrationsbereitschaft von Einwanderern, Vorbeugung von Krankheit durch eine gesunde Lebensführung, auch das in Eigenverantwortung bis hin zur Impfentscheidung, ein bedingungsloses Grundeinkommen und ein schlanker Staat, das Verbot von Genmanipulation und Tierversuchen - es steht noch vieles im Wahlprogramm von Vivant.
Wenn es nach der Partei geht, sollen die Bürger in grundlegenden Fragen (wie etwa dem Ausbau der Autonomie) aber am besten gleich selbst entscheiden, sagt Diana Stiel aus Raeren, Platz zwei auf der PDG-Liste. "Mir macht Angst, dass wir nach den Wahlen nichts mehr zu sagen haben. Deswegen brauchen wir diese bindende Volksbefragungen."
Mit dem Wahlslogan "Es gibt viel zu tun, packen wir's an!" bedient sich Vivant beim Werbespruch eines Erdölkonzerns aus den 80er Jahren. Immerhin gilt ja auch die Politik als das Bohren harter Bretter.
Stephan Pesch