Willkommen in Lontzen. Hier trifft dörfliche Idylle auf Industrie. Und der Wunsch nach Beständigkeit und Tradition steht einer unausweichlichen Entwicklung gegenüber. Am 14. Oktober werden die Karten neu gemischt: Nach 24 Jahren macht Alfred Lecerf den Bürgermeistersessel frei.
5.768 Menschen leben hier. 3.749 Wähler sind eingetragen. Es geht um die Dörfer Lontzen, Herbesthal und Walhorn sowie um die Weiler Astenet und Rabotrath. Große Teile der Gemeinde sind ländlich geprägt - dem gegenüber stehen eine stets wachsende Bevölkerung und Industrie.
Für den meisten Wind in der Gemeinde sorgte in den letzten sechs Jahren wohl die Publifin-Affäre. Auch Unions-Bürgermeister Alfred Lecerf hatte ungewöhnlich hohe Sitzungsgelder kassiert. Zwar gab Lecerf an, eine Summe von rund 30.000 Euro spenden zu wollen. Geschehen ist das bis heute nicht. Die Publifin-Affäre: Ein unschönes Kapitel, das belgienweit die Glaubwürdigkeit der Politik in Mitleidenschaft gezogen hat. Auch im Lontzener Gemeinderat wurde spätestens seit Publifin der Ton immer rauer.
Ländliche Entwicklung - Dorfkerne - Infrastruktur - East Belgium Park
Nichtsdestotrotz hat sich einiges in der Gemeinde Lontzen getan: 2014 wurde die Industriezone "East Belgium Park" eröffnet. Doch zahlreiche Flächen liegen brach. An der Vermarktung, da mangele es, beklagt die Opposition. 2016 war für Walhorn das Warten auf einen neuen Dorfkern vorbei. Der Rolduc-Platz wurde eingeweiht. Der versprochene Geldautomat für die Gemeinde - er ist bis heute nicht gekommen.
Schulen
Sehr wohl gekommen ist ein Bewegungsraum für die Schule Walhorn. Auch in Lontzen wurde die Gemeindeschule erweitert. Steigende Schülerzahlen sorgen in der gesamten Gemeinde für Platzmangel. Dauerstreit gibt es zum Thema "Alte Schule Herbesthal". Alleine der Toilettentrakt hat 223.000 Euro verschlungen.
Jugend
Die Jugend - ebenfalls ein Dauerthema. In der Tivolistraße in Herbesthal wird seit 2017 unter freiem Himmel geturnt. Als Jugendheim dienten bis vor wenigen Tagen Container. Pünktlich zu den Wahlen wurde dann das Vereinshaus am alten Bahnhof in Herbesthal fertig. Ein Komplex für 1,2 Millionen Euro.
Alter Bahnhof Herbesthal
Was geschieht sonst noch mit dem ehemaligen preußischen Grenzbahnhof Herbesthal? 2014 gab es erste Sanierungsschritte. Dass hier vor 175 Jahren die erste Zugverbindung zwischen Preußen und Belgien entstand, wird kaum sichtbar - auch wenn Feierlichkeiten noch in diesem Jahr geplant sind. Wird es eine geschichtlich-touristische Aufwertung geben? Man darf gespannt sein.
Casino Herbesthal- Dorfentwicklung Herbesthal
Welche Pläne gibt es für das alte Casino an der Neutralstraße in Herbesthal? Fest steht: Die Gemeindeverwaltung, das ÖSHZ, das RZKB und andere Dienste brauchen Platz. Auch fehlt es an Begegnungsorten für die Bürger. Könnte hier das alte Casino Abhilfe schaffen? Und was geschieht mit Herbesthal ganz allgemein? Rund die Hälfte der Herbesthaler sind französischsprachig - zudem klaffen dort die sozialen Schichten immer weiter auseinander. Konzepte, um das Dorf zu einen? Längst überfällig, so der Tenor der Opposition.
Mobilität - Wohnmöglichkeiten
Vor allem Lontzen Dorf erlebt einen wahren Bauboom. An Infrastruktur vor Ort mangelt es jedoch. Wird Lontzen zu einem reinen Schlafdorf? Denn auch Busverbindungen sind nach wie vor unzureichend - gleichzeitig klagen Anwohner über das hohe Verkehrsaufkommen in den Dörfern.
Erneuerbare Energien
In Walhorn sorgt eine Bürgerbewegung für Gegenwind. 2015 wurde das geplante Windparkprojekt auf dem Walhorner Feld erfolgreich abgeblockt. Nun steht ein neues Projekt ins Haus: Auf der Höhe des Rastplatzes Walhorner Heide soll ein leistungsstarkes Windrad gebaut werden. Bei einer ersten Informationsveranstaltung gab es erneut viel Gegenwind.
Wie geht es in Lontzen weiter?
Bei den Wahlen 2012 konnte die Union ihre Mehrheit knapp verteidigen. 2012 gewann Ecolo einen Sitz hinzu und kam auf drei Sitze. Diesen Sommer verabschiedete sich Ecolo-Mandatar Marc Crutzen dann von seiner Partei und saß als Fraktionsloser im Gemeinderat. Die Liste Energie schaffte es 2012 mit Neueinsteiger Patrick Thevissen auf fünf Sitze. Sie gewannen einen Sitz hinzu. Und die Union holte trotz des Verlusts von zwei Sitzen weiterhin die Mehrheit mit neun Sitzen.
Vier Listen sind am kommenden 14. Oktober am Start: Die Liste Union tritt ohne die bekannten Gesichter von Alfred Lecerf, Otto Audenaerd und Klaus Cormann an. Auf einen Wechsel hoffen die Oppositionslisten von Energie, Liste Plus und Ecolo.
Simonne Doepgen