Einen ganzen Tag hatte er reserviert für die Deutschsprachige Gemeinschaft. Nach dem Besuch des ZVS-Museums und des Sozialbetriebs DABEI machte Siegfried Bracke dem Gemeinschaftsparlament seine Aufwartung. PDG-Präsident Alexander Miesen hieß den ranghohen Gast willkommen.
Und der sparte in seiner Rede nicht mit Komplimenten. Einige Aha-Erlebnisse habe er an diesem Tag gehabt. "Mir ist aufgefallen, dass das, was oft als Nachteil angesehen wird, nämlich die Kleinheit, unter Umständen auch ein Vorteil sein kann, weil es eine lokale Betroffenheit gibt. Beim Besuch des Sozialbetriebes DABEI habe ich festgestellt, wie klein sie sind und zugleich sehr nah bei den Menschen, weil sie sie gut kennen", sagt Bracke. "Wir denken in Flandern oft, dass die Größe die Lösung aller Probleme ist. Vielleicht ist es umgekehrt richtig. Es war intellektuell ein sehr bereichernder Tag."
Für alles, was er an diesem Tag sagte, gelte, dass er nicht als Kammerpräsident spreche, so Bracke, der die Deutschsprachigen bei den institutionellen Reformen auf einem guten Weg sieht. "Ich spreche für mich selbst, als gewählter Politiker für die N-VA. Ich denke, dass die Staatsreform ein nicht aufzuhaltender Prozess ist. Und ich habe in der Parlamentskommission für institutionelle Fragen sehr deutliche Worte gesagt über das, was uns erwartet. Vor allem, dass dieser Staat nicht das bleiben wird, was er ist. Das steht fest", so Bracke.
"Es gibt zwei scheinbar paradoxe Bewegungen: das Kleine, Lokale wird immer wichtiger. Gleichzeitig gewinnt auch das Europäische an Bedeutung. Das ist eine unumkehrbare Entwicklung. Die andere Botschaft, die ich gehört habe, ist, dass die deutschsprachigen Belgier sehr interessiert sind am Fortbestand des Senats. Das hatte ich, ehrlich gesagt, anders erwartet. Ich nehme Notiz davon", so Bracke.
Dass der N-VA-Politiker Bracke kein Freund des Senats ist und für seine Abschaffung plädiert - kein Geheimnis. Im Senat haben die Deutschsprachigen einen garantierten Vertreter, in der Kammer noch nicht. Bracke findet, dass sich das ändern muss. "Es scheint mir logisch zu sein in dem System, dass die DG in der Kammer einen garantierten Vertreter hat. Natürlich setzt das eine Staatsreform voraus. Und wir wissen, dass eine Staatsreform ein sehr schwieriger Prozess ist. Vielleicht kommt diese Staatsreform schneller, als wir denken. In diesem Moment müssen die Deutschsprachigen in aller Deutlichkeit sagen: Hier sind wir."
Kammerpräsident Siegfried Bracke fand breite Zustimmung in den Redebeiträgen von Ministerpräsident Oliver Paasch und allen Fraktionen. Offen, transparent und pragmatisch seien sie, die Deutschsprachigen im Land, so Bracke. Die Kleinheit der DG werde als Chance genutzt.
Rudi Schroeder