Die Zahlen sprechen für sich: Global betrachtet seien nur ein Prozent der Menschen, die heute auf den Meeren der Welt arbeiteten, Frauen. Das sei extrem wenig, so Eva Descamps, Kommunikationsverantwortliche bei der flämischen Agentur für maritime Dienstleistungen und Küste (MDK). Auch wenn man die Jobs des maritimen Sektors an Land dazu nimmt, bleibt der Frauenanteil unter 20 Prozent. Das macht den Sektor zu einem der Wirtschaftszweige mit den wenigsten Frauen überhaupt.
Selbst bei entsprechenden Behörden wie der Agentur für maritime Dienstleistungen und Küste ist diese Tatsache nicht wegzudiskutieren. Von den etwa 1.200 Beschäftigten der MDK seien nur 182 Frauen, hebt Descamps hervor. Von den 700 zur See fahrenden seien gerade mal 20 Frauen.
Eine eindeutige Antwort, warum das so ist, oder vielleicht besser gesagt, warum das immer noch so ist, ist schwierig. Das geben die Verantwortlichen der Agentur und Repräsentanten von im Sektor aktiven Firmen auch zu. Sicher spielen Traditionen, Vorurteile und historische Entwicklungen eine Rolle. Außerdem gibt es auch handfeste praktische Gründe, warum das Leben auf See für Frauen unter Umständen komplizierter sein kann als für Männer. Zum Beispiel die sehr beengten Lebensverhältnisse auf Schiffen. Oder auch die Problematik, lange Abwesenheiten mit Familienplanung zu vereinbaren.
Ein großes Problem ist aber auch, dass Frauen und Mädchen den Sektor als potenziellen Arbeitgeber einfach zu wenig auf dem Schirm haben. Das will "Waves of Change", die gemeinsame Initiative der MDK und der maritimen Wirtschaft, ändern. Es gebe zum Beispiel durchaus weibliche Berufstätige im Sektor, erklärt Descamps, zum Beispiel Lotsinnen. Viele seien es zwar nicht, aber trotzdem. Diese und andere Frauen im Sektor wolle man mit "Waves of Change" und anderen Projekten sichtbarer machen. Denn wenn etwas sichtbar sei, dann sei es auch denkbar, unterstreicht die MDK-Sprecherin. Es gebe ja Frauen, die im Sektor arbeiteten, sie müssten nur mehr in den Vordergrund gerückt werden. Mädchen und Frauen seien immer willkommen, um hier zu arbeiten.
Mehr Frauen im Sektor war zwar der Fokus der Auftaktveranstaltung von "Waves of Change", aber das bedeutet nicht, dass die Verantwortlichen Diversität und Inklusivität darauf reduzieren wollen. Ganz im Gegenteil: Die Gesellschaft sei divers und das müssten sowohl Wirtschaft als auch Behörden korrekt widerspiegeln. In dem Sinne wolle man mit "Waves of Change" und Co. auch bewusst Gegenimpulse setzen zu Bewegungen, die gegen Diversität und Inklusivität kämpften. Diversität und Inklusivität gehe viel weiter als das, was man sehe. Mann, Frau - es gebe natürlich noch viel mehr.
Es geht den Initiatoren auch nicht etwa darum, mit Quoten zu arbeiten - Kompetenzen und Qualität müssten immer im Mittelpunkt stehen. Aber manche Frauen zweifelten vielleicht, in Richtung maritimer Sektor zu gehen, weil sie zu Unrecht an ihren Kompetenzen zweifelten. Oder sie fühlten sich von Stellenausschreibungen nicht oder zu wenig angesprochen, weil diese zu sehr auf Männer zugeschnitten seien. Auch da müsse angesetzt werden. Aktuell sei die Initiative zwar flämisch, so Descamps zum Schluss, aber man wolle sich nicht auf Flandern beschränken. Auch Brüssel und Lüttich hätten schließlich Häfen. Man arbeite in diesem Zusammenhang mit Botschaftern beziehungsweise Botschafterinnen. Wenn es die in den anderen Landesteilen gebe, dann seien sie natürlich immer herzlich willkommen, bei der Verbreitung der Botschaft zu helfen.
Boris Schmidt