Wie akut das Problem mit den Masern ist, zeigt schon ein Blick auf die Zahlen: 2024 wurden allein in Belgien über 520 Fälle von Masern gemeldet, das ist der höchste Wert in zehn Jahren. Und auch für das laufende Jahr ist keine Entwarnung in Sicht - im Gegenteil.
In Flandern beispielsweise sind seit Anfang Januar schon 55 neue Masernfälle erfasst worden. Zum Vergleich: 2024 waren es für das komplette Jahr knapp 120. In der Region Brüssel wurden seit Januar 27 Masernfälle registriert. Kein Wunder also, dass die Verantwortlichen des Gesundheitswesens von einer "ernsten" Situation sprechen.
Klassischerweise beginnt eine Masernerkrankung nach einer Inkubationszeit von ein bis drei Wochen mit Symptomen wie Fieber, Husten und roten Augen, zählt der Antwerpener Kinderinfektiologe Daan Van Brusselen in der VRT auf. Einige Tage später kommt dann der für Masern typische Hautausschlag dazu. Normalerweise taucht er zuerst im Bereich hinter den Ohren oder im Gesicht auf, bevor er sich dann auf den ganzen Körper ausweitet.
Ärzte und Experten warnen davor, die Erkrankung auf die leichte Schulter zu nehmen oder sie gar als harmlose Kinderkrankheit abzutun. Denn das ist sie definitiv nicht: Bei etwa jedem vierten Fall von Masern müssen die Betroffenen ins Krankenhaus aufgenommen werden. Komplikationen sind absolut möglich, unterstreicht Infektiologe Van Brusselen. Regelmäßig sehe man im Zusammenhang mit Masern etwa Lungenentzündungen oder schweren Durchfall mit Dehydrierung.
Ab und zu, genauer gesagt circa bei einem von tausend Fällen, führt die Masernerkrankung sogar zu ernsten Gehirnentzündungen. Und die können tödlich sein. Selbst wer das überlebt, muss in 50 Prozent der Fälle mit bleibenden neurologischen Schäden rechnen.
Hinzu kommt, dass das Masernvirus hochansteckend ist. Und zwar viel, viel infektiöser als zum Beispiel das Coronavirus. Steckt eine mit Corona infizierte Person im Schnitt eine bis anderthalb weitere Personen an, sind es bei Masern zwölf bis 18 weitere Personen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine ungeschützte Person bei einer infizierten Person ansteckt, beträgt erschreckende 90 Prozent. Weil sich das Virus über die sogenannte Tröpfcheninfektion ausbreitet, reicht im Prinzip auch schon ein normales Gespräch, um den Erreger weiterzugeben.
Schutz gegen Masern bieten nur zwei Dinge: Entweder man hatte schon mal Masern, dann ist man für den Rest seines Lebens geschützt. Oder man lässt sich eben impfen. In Belgien waren Masern bis Anfang der 1970er-Jahre keine Seltenheit. Ab Mitte der 1980er-Jahre wurde dann mit der systematischen Impfung der Bevölkerung begonnen.
Ab 1985 sollte man als Kind eigentlich zwei Mal gegen Masern geimpft worden sein. Das erste Mal im Alter von ungefähr einem Jahr und das zweite Mal im Bereich sieben bis neun Jahre. Es gibt also eine Lücke von rund 15 Jahren. Entsprechend empfehlen die Gesundheitsbehörden besonders Belgiern, die zwischen circa 1970 und 1985 geboren worden sind, ihren Masern-Impfstatus zu überprüfen - und gegebenenfalls die kostenlose Impfung nachholen zu lassen.
Im Fall von Menschen, die nicht in Belgien aufgewachsen sind, ist der Impfgrad im Allgemeinen oft schlechter. Deswegen gilt auch hier das Prinzip: Im Zweifelsfall lieber impfen lassen, sicher ist sicher und schaden kann eine erneute Impfung auch nicht.
Besonderes Augenmerk gilt aktuell aber vor allem auch Kindern, denn 70-80 Prozent der Kinder, die mit Masern ins Krankenhaus eingeliefert worden seien, seien jünger als drei Jahre, erklärt Infektiologe Van Brusselen. Kinder also, die normalerweise schon mit einem Jahr eine erste Dosis Masern-Vakzin hätten bekommen müssen. In der Praxis sei das aber bei fast keinem der jungen Patienten der Fall gewesen.
Daher auch der Appell des Arztes: Das Masernvirus schere sich weder um Religion noch um Einkommen. Es unterscheide nur zwischen geimpft und ungeimpft.
Boris Schmidt