Im Jahr 2050 wird laut Vorhersagen jeder zehnte Belgier älter als 80 Jahre sein. Das bedeutet, dass das belgische Gesundheitssystem mit mehr Patienten klarkommen muss. Außerdem haben immer mehr Menschen nicht nur ein Leiden, sondern gleich mehrere, was die Gesundheitsversorgung verkompliziert.
Vor diesem Hintergrund muss personell massiv aufgestockt werden, wie der Wirtschaftswissenschaftler Johan Albrecht von der Universität Gent im Auftrag eines Thinktanks berechnet hat: Über 124.000 zusätzliche Arbeitskräfte braucht der belgische Gesundheits- und Pflegesektor in den kommenden rund 15 Jahren.
Laut den Berechnungen wird der Personalmangel vor allem Flandern treffen. Allein hier werden laut der Studie mindestens 74.000 zusätzliche Arbeitskräfte benötigt werden. Diese Zahl umfasse Gesundheits-, Pflege-, aber auch unterstützendes Personal.
Für die anderen Landesteilen sind die Prognosen ebenfalls alles andere als rosig: In der Wallonie klafft demnach bis 2040 eine Lücke von 42.000 Gesundheitsdienstleistern, in der Region Brüssel-Hauptstadt von 8.200.
Werde dieser Personalbedarf nicht gedeckt, dann müsse man mit einer Situation der Ungleichbehandlung rechnen, so die Studie: Wenn der Staat weniger öffentliche Gesundheitsdienstleistungen anbieten könne, dann würden zumindest teilweise private Anbieter die Lücke füllen. Das sorge für höhere Kosten und damit für eine Spaltung der Gesellschaft in Menschen, die sich das leisten könnten und die, die das nicht mehr könnten.
Um das Gesundheitswesen zu entlasten, empfiehlt die Studie unter anderem, stärker auf Prävention zu setzen. Denn je weniger chronische Erkrankungen es gebe, desto weniger Personal werde benötigt. Albrecht schätzt, dass bei einer proaktiveren Präventionspolitik bis zu 25.000 Pflegekräfte weniger benötigt würden.
Außerdem müsse auch der Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen und medizinischen Problemen stärker berücksichtigt werden. Menschen, die in ärmlichen Verhältnissen lebten, würden beispielsweise öfter krank. Durch entsprechende Investitionen, etwa in bessere Bausubstanz, könne auch an dieser Stellschraube gedreht werden, glaubt Albrecht.
Auch müssten die bestehenden Behandlungen müssten auch auf den Prüfstand in puncto Kosten-Nutzen. Denn es gebe einfach diverse Eingriffe, die nachweislich nichts oder zu wenig brächten, aber trotzdem viel Personal erforderten und Kosten verursachten. All das seien Diskussionen, die im Interesse des Gesundheitssystems und der Bevölkerung geführt werden müssten, so der Experte sinngemäß.
Boris Schmidt