In der Wallonie ist es die MR, die zurzeit für die meiste Aufmerksamkeit sorgt, wenn es darum geht, außergewöhnliche Kandidaten für die Gemeinderatswahlen zu präsentieren. In Mons soll die Ex-Miss Belgique Julie Taton Stimmen für die frankophonen Liberalen bringen. Zusätzlich zu der Attraktivität der Personalie sorgte noch die Zulassung von Taton für Schlagzeilen in der Presse, weshalb schon jetzt eigentlich klar ist, dass der Coup von MR-Parteichef Georges-Louis Bouchez erfolgreich ist.
Für eine andere Partei könnte Ähnliches gelten. In Antwerpen tritt jetzt eine Frau an, die den Wählern in Flandern aus dem Fernsehen bekannt ist: Lien Van de Kelder. Sie ist Schauspielerin, hat unter anderem in den bekannten flämischen TV-Serien "Huis" und "Familie" mitgespielt und ist jetzt bei den flämischen Sozialisten von Vooruit auf Platz drei der Liste in Antwerpen gelandet.
Die flämischen Medien berichten gerade ausführlich über diese Entscheidung. Und das nicht ohne Grund. Denn erstens ist Van de Kelder eben ein bekanntes Gesicht und zweitens kommt es gar nicht so häufig vor, dass sich in Flandern eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens als Quereinsteiger in der Politik engagiert.
In Flandern sei diese Tradition, ganz anders als in der Wallonie, ein bisschen verschwunden, erklärt der Politologe Dave Sinardet im Radio der VRT und fügt hinzu: "Bei den Wahlen im Juni gab es kaum politische Quereinsteiger auf den flämischen Listen."
Ein ganz unbeschriebenes Blatt in der Politik ist Schauspielerin Van de Kelder allerdings nicht. Von 2011 bis 2012 hatte sie im Kabinett des damaligen sozialistischen Wirtschaftsministers Johan Vande Lanotte gearbeitet. Sie ist Mitglied von Vooruit und hat dazu auch noch Rechtswissenschaften studiert. Eine richtige Parteikarriere hat sie allerdings nicht absolviert.
Im Urteil von Politologe Sinardet bedeutet dies allerdings kein Risiko für Vooruit. "Sie ist jemand, der politische Erfahrung hat", sagt er. "Sie kennt die Partei. Das ist deshalb kein so großes Risiko, als wenn man jemanden aus der Sportwelt oder der reinen Unterhaltungswelt nimmt, der von Tuten und Blasen in der Politik keine Ahnung hat. Das ist hier nicht der Fall."
Dass sich Vooruit überhaupt an die Schauspielerin gewandt hat, um für die Partei in Antwerpen zu kandieren, sei dem allgemeinen Mangel an Kandidaten für die Gemeinderatswahlen geschuldet. "Viele Parteien kämpfen darum, ihre Listen auf lokalem Niveau gefüllt zu bekommen", sagt Politologe Sinardet. Vor allem sei es schwer, Frauen zu finden. Das sei traditionell schwierig. Aber die Quotenregelung verlange eben, dass genauso viel Frauen wie Männer auf den Listen stünden.
Für Vooruit in Antwerpen ist Lien Van de Kelder also ein Glücksgriff. Sie ist bekannt, sie ist eine Frau und bringt dazu schon erste Erfahrung aus der Politik mit.
So viel Glück haben nicht alle Parteien in Antwerpen. Willem-Frederik Schiltz, Spitzenkandidat der Liberalen von der OpenVLD, hat sogar ein Video in den sozialen Medien veröffentlicht, in dem er um Kandidaten für seine Liste wirbt.
Das sei eher ein zweischneidiges Schwert, meint Politologe Sinardet, denn damit gebe man ja öffentlich zu, dass man nicht genug Kandidaten habe, um die Liste zu füllen. Das könne den Eindruck erwecken, dass die Partei nicht so attraktiv sei.
Ein Problem, mit dem Vooruit dank Schauspielerin Van de Kelder nichts mehr am Hut haben dürfte.
Kay Wagner