Eine Überraschung war das Arbeitstreffen nicht. So ein Treffen lag in der Luft, nachdem De Wever am vergangenen Mittwoch von König Philippe in die Rolle des Vor-Regierungsbildners gehoben worden war. Das hatte ihm die Möglichkeit gegeben, nicht nur Vertreter der einzelnen Parteien getrennt voneinander zu treffen, sondern alle zusammenzubringen. Womit das Treffen am Montag nur eine logische Folge des Auftrags von vergangenem Mittwoch ist. Mit Arizona-Koalition bezeichnet man eine mögliche Zusammenarbeit der Parteien N-VA, CD&V und Vooruit sowie MR und Les Engagés.
Gleiche Informationen für alle
Die Vertreter der Parteien haben sich am Montag mit Vertretern der Nationalbank getroffen. Bei dem Informationstreffen ging es darum, einen gemeinsamen Blick auf die Lage der Staatsfinanzen zu werfen. Damit könnte De Wever folgendes Ziel verfolgen: Er möchte, dass alle möglichen Koalitionspartner die gleichen Informationen zur doch eher bedenklichen Lage der Staatsfinanzen haben - quasi als Grundlage aller weiteren Gespräche. Dass man auf diesen Informationen aufbauen und überlegen kann, welche Projekte mit Blick auf diese Finanzlage möglich und sinnvoll sind, und welche eher nicht.
Regierung für fünf Jahre, keine Staatsreform
Um welche Projekte es da gehen könnte und welche De Wever in seiner "Note" nennt, also dem Dokument, das De Wever den verschiedenen Parteien als Arbeitsgrundlage übergeben hat, weiß man inzwischen zumindest ein bisschen. Denn diese Note ist unter der Hand an flämische Medien gelangt.
Darin zu lesen ist zum Beispiel, dass De Wever Abstand genommen hat von seinem ursprünglichen Plan, nur eine Übergangsregierung mit der Dauer von zwei Jahren zu bilden. De Wever will also jetzt doch eine ganz normale Regierung bilden, die im besten Fall fünf Jahre durchregiert.
Und eine größere Staatsreform zumindest im Sinne der N-VA – also mit deutlich mehr Kompetenzen für Flandern – strebt De Wever wohl auch nicht mehr an. Einfach weil er weiß, dass er das gerade mit den Partnern MR und Les Engagés doch nicht durchsetzen könnte.
Streitpunkt: Senat
Wenn man also durchaus davon sprechen kann, dass De Wever seine Note abgemildert hat im Vergleich zu den ursprünglichen Forderungen seiner Partei, bleiben auch Streitpunkte in der Note drin: zum Beispiel die Forderung, den Senat abzuschaffen. So eine Forderung ist in Flandern allgemein ziemlich populär. Aber die MR und ihr Chef Georges-Louis Bouchez sind vehement dagegen. Zumindest bislang.
Beim Thema Gesundheitswesen steht angeblich in der Note, dass es Einschnitte geben sollte. Näher führt das De Wever allerdings nicht aus. Denn dagegen gibt es Widerstand mittlerweile von drei Parteien, nämlich von Vooruit, Les Engagés und der CD&V. Die MR würde wohl eher am gleichen Strang wie die N-VA ziehen.
Steuerreform ja, aber wie?
Auch bei den Themen Einschnitte bei der Arbeitslosenunterstützung und Steuerreform bleibt das Dokument von De Wever auffällig unkonkret, weil auch dort die Meinungen auseinandergehen. Wahrscheinlich ist es das Ziel von De Wever, durch diese Unkonkretheit die Diskussion um diese Themen so offen wie möglich halten und nicht schon durch ein Dokument und einige Sätze darin Streit vom Zaun brechen.
Lieber will De Wever mit den Partnern darüber hinter geschlossenen Türen reden, ganz in Ruhe. So werten das Beobachter. Das sei der Weg, den De Wever gewählt habe, um eine Arizona-Koalition über die notwendigen Kompromisse zu verwirklichen.
Marschroute: Diskretion
Allgemein scheint De Wever den Weg der Diskretion zu wählen für seine Bemühungen zur Bildung einer neuen Föderalregierung. Weshalb es nicht überrascht, dass die Öffentlichkeit vom Inhalt des Treffens mit den Vertretern der Nationalbank nichts mitbekommen soll. So war es jedenfalls angekündigt worden.
Am Dienstag soll das genauso sein. Dann will De Wever mit seinen Partnern angeblich über die Themen Verteidigung, also Ausgaben für das Militär, und die Zukunft der Kernenergie in Belgien sprechen.
Kay Wagner