"Das ist das große Signal dieser Wahlen: Der Wunsch nach Veränderung und Reformen". Mit breiter Brust traten MR-Chef Georges-Louis Bouchez und sein Amtskollege von Les Engagés, Maxime Prévot, am Dienstagnachmittag vor die Presse. Beide sind ja die unbestrittenen Wahlgewinner im frankophonen Landesteil, und beide wollen vor allem eins: den Bruch mit der Vergangenheit. Und der soll nicht nur symbolisiert, sondern fast schon zelebriert werden, indem man eben gleich Nägel mit Köpfen macht.
"Heute wollen wir offiziell ankündigen, dass wir Koalitionsverhandlungen aufnehmen werden", sagte Georges-Louis Bouchez, "und zwar da, wo wir schon jetzt über eine Mehrheit verfügen, also auf Ebene der Wallonischen Region und der Französischen Gemeinschaft".
In der Wallonischen Region und in der Französischen Gemeinschaft sind die Verhältnisse vergleichsweise einfach, weil beide Parteien hier eben eine Mehrheit haben und man hier auch von niemand anderem abhängig ist. Anders sieht das aus auf der föderalen Ebene und auch in der Region Brüssel. Auf der föderalen Ebene stellen die Frankophonen ja nur die eine Hälfte einer künftigen Mehrheit dar, hier müssen sich die Frankophonen mit den Flamen einigen - und umgekehrt natürlich.
Das gilt - wenn auch in geringerem Maße - auch in der Region Brüssel-Hauptstadt. Auch hier besteht die Regierung aus frankophonen und auch flämischen Parteien. Was die Sache hier aber mitunter schwieriger macht, ist die Tatsache, dass das Brüsseler Wahlergebnis auf der frankophonen Seite mit dem wallonischen in der Regel nicht deckungsgleich ist. Im vorliegenden Fall ist es so, dass die MR zwar in der Hauptstadtregion ebenfalls stärkste Kraft wird, doch reicht es mit Les Engagés nicht zu einer Mehrheit. Im Grunde kommt man in Brüssel fast nicht an der PS vorbei.
Auf der föderalen und auch auf Ebene der Region Brüssel-Hauptstadt warten also noch mitunter langwierige, in jedem Fall haarige Verhandlungen. "Auf beiden Niveaus werden die MR und Les Engagés aber ab jetzt 'im Block', 'im Tandem' auftreten", sagte Georges-Louis Bouchez auch im Namen seines Kollegen Maxime Prévot. Auf diese Weise wolle man für eine bestmögliche Kohärenz und Geradlinigkeit sorgen. Das alles mit dem erklärten Willen, alte Zöpfe abzuschneiden, sagte auch Maxime Prévot, der Vorsitzende von Les Engagés. "So glücklich beide Parteien auch über ihre tollen Wahlergebnisse sind, so sehr sei man sich auch dessen bewusst, dass damit natürlich auch eine große Verantwortung verbunden sei. Dieser Verantwortung wolle man sich nun gemeinsam stellen.
Konkret wollen sich beide Parteien jetzt schnell auf einen Zeitplan und eine Arbeitsmethode einigen. Die verschiedenen thematischen Arbeitsgruppen sollen bereits am kommenden Montag mit ihren Beratungen beginnen. Dabei wolle man nicht nur Experten anhören, sondern auch Vertreter der einzelnen Sektoren, um möglichst praxisbezogen entscheiden zu können, wobei die Richtung dabei klar sei, betonte Georges-Louis Bouchez. Beide Parteien seien wegen ihrer jeweiligen Programme gewählt worden, und von der gemeinsam vereinbarten Marschroute werde man nicht abweichen.
Übrigens, so der MR-Chef, normalerweise sei es üblich, dass die stärkste politische Kraft erst alle anderen Parteien konsultiert. Im vorliegenden Fall sei die Konstellation insgesamt aber so klar gewesen, dass man sich und den anderen diese Übung habe ersparen wollen. Und auch hier gehe es letztlich darum, Veränderung zu signalisieren. "In diesem Sinne haben wir die Pflicht, so schnell wie möglich neue Regierungen bilden", so Bouchez.
"Wir wollen schnell arbeiten; schnell, aber nicht überstürzt", betonte Bouchez. "Bislang haben wir den Wechsel gepredigt, jetzt wollen wir ihn verkörpern", so das Fazit von Maxime Prévot. "Um dafür zu sorgen, dass die Zukunft sich aufhellt", fügte Georges-Louis Bouchez grinsend hinzu.
Roger Pint