"Bartje Premier" skandierten die N-VA-Anhänger. Grenzenlose Begeisterung bei den flämischen Nationalisten - die meisten hatten sich wohl schon mit einer Wahlschlappe abgefunden. Alle Umfragen hatten den rechtsextremen Vlaams Belang vorne gesehen, weit vorne sogar, bei vielleicht bis zu 30 Prozent. Die N-VA wäre demnach entthront und womöglich sogar unter die Schwelle von 20 Prozent gedrückt worden. Doch die N-VA hielt stand, sie konnte ihr Ergebnis mehr oder weniger halten.
Außerdem fiel der Höhenflug des Vlaams Belang am Ende doch nicht ganz so spektakulär aus wie befürchtet. Das musste der Vlaams-Belang-Vorsitzende Tom Van Grieken einräumen: Seine Partei sei zwar in drei von fünf flämischen Provinzen stärkste Kraft geworden. Nur habe man es nicht geschafft, auch zur stärksten Partei Flanderns zu werden. Das sei die N-VA. Trotz der vollmundigen Siegerposen: Für den Vlaams Belang muss sich Ganze wie eine Niederlage anfühlen. Denn: Eigentlich wollte man das Initiativrecht für sich beanspruchen, also: Die Regierungsbildung zumindest auf der flämischen Ebene erst mal in die Hand nehmen dürfen. Daraus wird nun nichts.
Auf Platz drei in Flandern landen derweil die flämischen Sozialisten Vooruit. Mit knapp 14 Prozent erzielen sie zwar immer noch kein Bombenergebnis. Es sei aber doch das beste seit 20 Jahren, jubelte Vooruit-Chefin Melissa Depraetere. Aber auch dieses Ergebnis muss sich irgendwo wie eine Niederlage anfühlen. Vor einigen Monaten noch sahen die Umfragen wesentlich besser aus. Der Rücktritt des damaligen Vorsitzenden Conner Rousseau hatte dem Höhenflug aber ein jähes Ende gesetzt.
Knapp hinter den Sozialisten belegt dann die CD&V den vierten Platz. Mit rund 13 Prozent können die Christdemokraten, die einst die flämische Politiklandschaft beherrschten, im Grunde noch froh sein. Denn: Vor zwei Jahren sah es noch wesentlich schlimmer aus. "Damals wurden wir für tot erklärt. Wir haben aber das Ruder nochmal herumreißen können", freute sich CD&V-Chef Sammy Mahdi.
Freuen kann sich auch die marxistische PTB, die sich in Flandern um drei Prozent steigern kann, was im Norden des Landes doch ein respektables Ergebnis ist.
Danach kommen die wirklichen Verlierer des Wahlsonntags: Erst die OpenVLD des scheidenden Premiers Alexander De Croo. Die Liberalen liegen - gleichauf mit der PTB - bei etwas mehr als acht Prozent. Einstellig! Ein katastrophales Ergebnis, für das Alexander De Croo die Verantwortung übernahm, schließlich sei er der Spitzenkandidat gewesen. Er werde sich jetzt auf seinen Job als geschäftsführender Premier konzentrieren, dabei aber schon das Terrain für seinen Nachfolger oder seine Nachfolgerin vorbereiten, sagt ein sichtlich angeschlagener Alexander De Croo. Er deutete an, dass er sich erst mal zurückziehen wolle.
"Wir werden jetzt noch umso lauter", reagierten demgegenüber die Grünen auf ihre Wahlschlappe. Umfragen hatten Groen ein Debakel vorhergesagt. Und so kam es dann auch. Die Grünen wurden abgestraft. Doch gab sich die Co-Vorsitzende Nadia Naji kämpferisch. "Wem das Wahlergebnis Angst macht, der muss wissen: Wir sind an Eurer Seite. Heute, morgen, und auch danach."
Flandern hat in jedem Fall einen deutlichen Rechtsruck erlebt. Und: Mit der N-VA und dem Vlaams Belang hat der flämische Wähler zudem in beiden Fällen für mehr Autonomie gestimmt, sagte N-VA-Chef De Wever. Und dem werde man Rechnung tragen müssen. Was De Wever damit meint, ist deutlich: Er will eine neue Staatsreform, oder zumindest mehr Eigenverantwortung für die Teilstaaten. Den Rechtsruck im frankophonen Landesteil begrüßte De Wever ausdrücklich. Er werde schnellstmöglich Kontakte mit den frankophonen Mitte-Rechts-Parteien aufnehmen. Ob "Bartje" am Ende aber auch tatsächlich Premier werden will, das muss sich noch zeigen.
Roger Pint