Späher, Spitzel und Spione gehören zu den ältesten Berufen der Welt. Schon in Homers Illias spielen feindliche Agenten eine wichtige Rolle. Heutzutage nutzen die Schlapphüte aber nur noch selten tote Briefkästen, sie setzen auch keine Brieftauben mehr ein, ihre Aktivitäten konzentrieren sich vielmehr oft auf digitale Kommunikationsmittel und vor allem das Internet.
Einen besonders dreisten Fall der Cyber-Bespitzelung hat jetzt die amerikanische Bundespolizei FBI ans Licht gebracht. Bekannt wurde der Fall eigentlich erst, weil in den USA ein Strafverfahren gegen sieben Chinesen angestrengt wurde. Sie werden verdächtigt, amerikanische und auch internationale Parlamentarier ausgespäht zu haben. Auf der Liste der Opfer stehen auch die Namen von mindestens zwei belgischen Abgeordneten, nämlich der CD&V-Politikerin Els Van Hoof und dem Ecolo-Kollegen Samuel Cogolati. Beide sind im Kammerausschuss für auswärtige Angelegenheiten aktiv. Van Hoof ist die Vorsitzende der Kommission, Cogolati ihr Vize.
Begonnen hat anscheinend alles mit einer E-Mail. Eine - auf den ersten Blick - harmlose Mitteilung sei das gewesen, sagte Van Hoof in der VRT. Ein gewöhnlicher Newsletter sei das gewesen. Parlamentarier würden mit derlei digitalen Infoblättchen geradezu überhäuft. In dieser Mail muss sich jedenfalls eine Spionagesoftware befunden haben, die es dann erlaubt hat, die "digitale Adresse" des Empfängers zu ermitteln. Auf diese Weise habe man ihren Laptop ausspähen und sie regelrecht verfolgen können, sagt Els Van Hoof. Das sei ein sehr unangenehmes Gefühl, fast wie ein Wohnungseinbruch. Man habe den Eindruck, dass alles für jedermann sichtbar war. Sinn und Zweck sei es natürlich, den oder die Betreffende einzuschüchtern und mundtot zu machen.
Menschenrechtslage in China
Es war die flämische Tageszeitung Het Nieuwsblad, die auf den FBI-Bericht aufmerksam wurde. Demnach besteht kaum ein Zweifel daran, dass die Auftraggeber dieser Cyberbespitzelung tatsächlich in Peking sitzen. Im Visier war nämlich eine internationale Vereinigung von Parlamentariern, die sich speziell mit der Menschenrechtslage in China beschäftigen. Der Ecolo-Politiker Samuel Cogolati hat sich in diesem Bereich auch längst einen Namen gemacht und steht entsprechend schon seit Jahren auf einer schwarzen Liste des roten Regimes. Schon 2021 verhängte China Sanktionen gegen Cogolati und weitere europäische Parlamentarier, "weil die sich für die Belange der von Peking unterdrückten Uiguren-Minderheit eingesetzt hätten", sagte der Ecolo-Politiker seinerzeit.
Laut FBI wurde auch Cogolatis Rechner gehackt. Das sei eigentlich nur der vorläufige Höhepunkt, sagt Els Van Hoof. Die Einschüchterungsversuche hätten mit dem Tag begonnen, als sie den Vorsitz des Kammerausschusses für auswärtige Angelegenheiten übernommen habe. Einmal habe die Kommission über die Lage der Uiguren beraten wollen. Die Sitzung konnte aber nicht stattfinden, weil plötzlich alle Systeme zusammenbrachen. Sie bekomme auch regelmäßig unschöne Briefe von der chinesischen Botschaft.
Stellt sich die Frage, warum die Bespitzelung erst jetzt ans Licht kommt und dass man dafür offensichtlich das amerikanische FBI nötig hatte. "Naja, es ist nicht so, als hätte man es nicht geahnt", sagt Els Van Hoof. 2021 habe die Sûreté ihren Rechner und auch ihr Handy tatsächlich mal unter die Lupe genommen. Man habe aber nichts gefunden, vielleicht auch deswegen, weil man nicht wusste, wonach man suchte. "Es wird denn auch Zeit, dass wir aufwachen", mahnt die CD&V-Politikerin. "Die geopolitische Lage hat sich verändert. Einschüchterungsversuche und Spionage nehmen stetig zu". Sie wünsche sich mehr Schutz durch die Sicherheitsbehörden, sagt Van Hoof. "Wir brauchen eine eigens darauf spezialisierte Einheit im Parlament, eine Art "Sicherheitsbüro". Damit wir unbehelligt unsere Arbeit tun können."
De Croo will Botschafter einbestellen
Der chinesische Spionageangriff hat Konsequenzen auf höchster diplomatischer Ebene. Die Föderalregierung wird den chinesischen Botschafter von China einbestellen und von ihm eine Erklärung fordern.
Premierminister De Croo sagte dazu, es sei nicht der erste Fall. Er habe dem chinesischen Regierungschef schon vor Monaten mitgeteilt, dass Belgien dies nicht akzeptieren werde.
Roger Pint
Jedes Land, das sich einen Geheimdienst leistet, spioniert umher - auch die EU-Staaten in China.